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US-Präsidentschaftswahl: Warum Tim Walz Kamala Harris ideal ergänzt

Tim Walz heißt der Vize-Präsidentschaftskandidat, mit dem die Demokratin Kamala Harris in den US-Wahlkampf zieht. Was von ihm zu erwarten ist und wie die Republikaner auf das Duo reagieren, sagt Reinhard Krumm von der Friedrich-Ebert-Stiftung im Interview.

von Kai Doering · 8. August 2024
Erster gemeinsamer Auftritt von Kamala Harris und Tim Walz in Pennsylvania: Er verkörpert einen Typ Politiker, der sie nicht ist.

Erster gemeinsamer Auftritt von Kamala Harris und Tim Walz in Pennsylvania: Er verkörpert einen Typ Politiker, der sie nicht ist.

Kamala Harris hat sich für den Gouverneur von Minnesota, Tim Walz, als Kandidat für die Vize-Präsidentschaft entschieden. Wie wird das in den USA aufgenommen?

Das kommt natürlich darauf an, wen man fragt. Das progressive Spektrum hält die Kandidatur von Tim Walz insgesamt für eine sehr gute Idee. Die Entscheidung wird auch von vielen als ein erster Schritt von Kamala Harris bewertet, sich von Joe Biden zu lösen. Positiv für die Demokraten ist sicher auch, dass die beiden Mitbewerber, die nun leer ausgehen, Senator Mark Kelly aus Arizona und Gouverneur Josh Shapiro aus Pennsylvania, öffentlich keinerlei Kritik geäußert haben. Die Demokraten treten in diesen Tagen ohnehin sehr geschlossen auf. Auch der erste gemeinsame öffentliche Auftritt von Kamala Harris und Tim Walz am Dienstagabend in Pennsylvania war geprägt von großer Achtung und Zuneigung zueinander.

Wie wird die Nominierung auf der anderen Seite des politischen Spektrums aufgenommen?

Das Hardcore-Lager um Trump und Vance hat bereits damit begonnen, Tim Walz als einen extremen Linken abzukanzeln, der aus ihrer Sicht noch schlimmer ist als Kamala Harris. Walz ist bisher in den USA weitgehend unbekannt. Da versucht das republikanische Lager bereits ein Bild von ihm zu prägen, bevor sich die Menschen selbst eine Meinung bilden können.

Verfängt das bei den Wähler*innen?

Die Wählerschaft der Republikaner ist nicht so monolithisch wie es von Europa aus manchmal scheint. Und der große Unterschied zu 2020 ist, dass sie weiß, was sie bekommt, wenn sie Trump wählt. Die Frage ist, ob das Duo Harris/Walz auf die gemäßigten Republikaner so abschreckend wirkt, dass sie Trump und Vance trotz ihres Unmutes ihre Stimme geben. Deshalb sind die Angriffe des Trump-Lagers auf Tim Walz von Anfang an so scharf.

Reinhard
Krumm

Walz wirkt überzeugend, wenn er eingesteht, dass Versprechen der Demokraten in der Vergangenheit nicht immer umgesetzt wurden.

Wofür steht Walz?

Als Gouverneur von Minnesota hat er sehr progressive Politik durchgesetzt – von Waffenregulierung, arbeitnehmerfreundliche Gesetze, Programme für Einkommensschwache bis hin zur Legalisierung von Cannabis und der Durchsetzung der Rechte von LGBTIQ+. Das entscheidende für den bevorstehenden Wahlkampf dürfte aber sein, dass er einen Typ Politiker verkörpert, der Kamala Harris nicht ist. Er kann gut mit den Menschen vom Land, spricht ihre Sprache. Damit komplementiert er die demokratische Kandidatur. Das macht seine Nominierung aus meiner Sicht zu einer besonders klugen Entscheidung. Zumal sie aus den genannten Gründen deutlich strategischer ist als die Wahl von J.D. Vance auf der Seite der Republikaner.

Kann er die Wählerschichten ansprechen, die Kamala Harris bisher nicht erreicht?

Das ist die große Frage. Die Hoffnung darauf hat sicher dazu geführt, dass er als Vize-Präsidentschaftskandidat ausgewählt wurde und einiges spricht dafür, dass dieser Plan aufgehen kann. Als Gouverneur von Minnesota konnte Tim Walz auch Republikaner von sich und seiner Politik überzeugen. Er war Lehrer, hat das Football-Team seiner Schule als Trainer zu Erfolgen geführt, war aber auch in der NRA, der National Rifle Association, ist passionierter Jäger und diente lange bei der Armee. All das soll diejenigen ansprechen, die Kamala Harris als Schwarze Frau mit asiatischen Wurzeln aus Kalifornien nicht ansprechen kann. Walz wirkt überzeugend, wenn er eingesteht, dass Versprechen der Demokraten in der Vergangenheit nicht immer umgesetzt wurden.

Bis zu seinem Rückzug war die gesamte Kampagne der Republikaner auf Joe Biden eingestellt. Nun treten mit Harris und Walz zwei Typen an, die ganz andere Dinge verkörpern. Macht das die Republikaner nervös?

Zumindest müssen sie sich gerade erstmal wieder finden, sie haben das Momentum verloren. Die Republikaner mühen sich zurzeit an Tim Walz, aber auch an Kamala Harris ab. Das ist deutlich sichtbar. Noch vor seiner Nominierung hat er den Begriff geprägt, Trump und Vance seien „weird“, also eigenartig. Das hätte auch nach hinten losgehen können, doch dieser Begriff klebt inzwischen an beiden. Für die Demokraten bedeutet das aber auch ein gewisses Risiko, denn wenn Walz schlecht aussieht, bedeutet das auch Probleme für Kamala Harris.

Reinhard
Krumm

Der Kandidatenwechsel hat bei den Demokraten Kräfte freigesetzt.

Wo sehen Sie mögliche Schwachpunkte von Tim Walz?

Das sind aus meiner Sicht die Umstände der Ermordung von George Floyd in Minneapolis im Mai 2020. Tim Walz war schon damals Gouverneur von Minnesota und es gibt einige ungeklärte Fragen, warum die Nationalgarde damals erst so spät eingegriffen hat. Law and Order ist ein Thema, das in den USA eine große Rolle spielt, gerade im eher konservativ geprägten Wählerspektrum. Ob das Thema wahlentscheidend wird, wird auch daran liegen, ob es in den kommenden Wochen und Monaten zu Ereignissen kommt, die die innere Sicherheit herausfordern.

Noch vor wenigen Wochen schien die Präsidentschaftswahl für die Demokraten bereits verloren. Nun macht sich geradezu Euphorie breit. Wie kommt es zu diesem Stimmungsumschwung?

Der Kandidatenwechsel hat bei den Demokraten Kräfte freigesetzt. Die Stimmung ist deutlich besser geworden und die Demokraten glauben wieder an einen Wahlsieg im November. Gleichzeitig ist bei den Republikanern von der Siegesgewissheit, die sie noch vor kurzem ausgestrahlt haben, deutlich weniger zu spüren. Sie müssen auch mehr Geld ausgeben, weil einige der „Swing States“ inzwischen nicht mehr so sicher für sie sind wie es noch vor drei Wochen schien. Dennoch wird dieser Wahlkampf für die Demokraten um Harris und Walz bei weitem kein Selbstläufer werden, die Umfragen deuten an ein Kopf-an-Kopf-Rennen.

Was werden die bestimmenden Themen im Wahlkampf sein?

Sicher die Migration, die in den USA ein Dauerthema ist. Und dann die inzwischen unfassbar hohen Preise für die lebensnotwendigen Güter, die nicht nur auf die Inflation zurückzuführen sind. Immer mehr Amerikanerinnen und Amerikaner können sich das Leben hier schlichtweg nicht mehr leisten. Entscheidend wird deshalb aus Sicht der Demokraten sein, dass Kamala Harris und Tim Walz deutlich machen, dass sie das Problem erkannt haben und an einer Lösung arbeiten – und dabei Empathie zeigen. Tim Walz bringt hier mit seiner Einstellung und seinem bisherigen Leben sehr gute Voraussetzungen mit. Und ganz nebenbei können er und Harris herausstellen, dass es der soziale und demokratische Staat ist, der Lösungen anbietet.

 

Der Gesprächspartner

Reinhard Krumm leitet das Büro der Friedrich-Ebert-Stiftung in Washington.

Autor*in
Kai Doering
Kai Doering

ist stellvertretender Chefredakteur des vorwärts. Er betreut den Bereich Parteileben und twittert unter @kai_doering.

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1 Kommentar

Gespeichert von Armin Christ (nicht überprüft) am Fr., 09.08.2024 - 10:08

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Durch die Politik von William Clinton als auch durch die nicht gehaltenen Versprechen von Barak Obama hat diese Partei ihre einstige Verankerung in der Arbeiterklasse eingebüßt. LPG+++, Feminismus, etc.etc. können soiale Einbußen der Menschen nicht kompensieren und da punktet Donald Trump.
Die Wahl haben die Bürger der USA.