Wahl in der Türkei: „Noch nie so kurz davor, Erdoğan zu besiegen“
„Die Atmosphäre war sehr angespannt“, berichtet Kubilay Yalcin von der Stimmungslage rund um die Abstimmungen zur türkischen Präsidentschafts- und Parlamentswahl in Deutschland. Denn der Juso war für die CHP Mitglied der Wahlkommission der Türkischen Botschaft in Berlin. Rund um die Wahl am Sonntag ist er nun in der türkischen Hauptstadt Ankara und berichtet gemeinsam mit Victoria Hiepe, Vizepräsidentin der International Union of Socialist Youth (IUSY), im Gespräch mit dem „vorwärts“ von der Stimmungslage vor Ort.
Aufbruchstimmung in der Türkei
„Für viele Menschen findet gerade Aufbruchstimmung statt“, berichtet Hiepe, die derzeit in Ankara studiert. Für viele junge Menschen sie diese Wahl die letzte Hoffnung, sagt sie. Aufgrund der schwierigen humanitären Lage nach dem Erdbeben im Februar habe auch die Unzufriedenheit mit der Regierung zugenommen. Denn durch das Erdbeben sei noch einmal deutlich geworden, wie sehr die Politik von Erdoğan durch Misswirtschaft in der Baubranche Menschenleben bedrohe, sagt Hiepe.
Zur Stimmungslage wenige Tage vor der Wahl sagt Yalcin: „Die türkische Opposition war noch nie so kurz davor, Erdoğan zu besiegen. Viele Menschen spüren das. Deswegen erwarten wir am Sonntag etwas richtig Großes.“ Dabei ruhen die Hoffnungen insbesondere auf dem Kandidaten der größten Oppositionspartei CHP Kemal Kılıçdaroğlu: „Er war sehr lange ein unscheinbarer Beamter und wurde zwischendurch zum Bürokraten des Jahres gewählt worden. Seit zwölf Jahren ist er Vorsitzender der CHP und hat bislang elf verschiedene Wahlen gegen Erdogans AKP verloren.“
Dennoch könne er nun genau der richtige Mann sein, um das Land zu einen: „Was sich die Menschen jetzt wünschen, ist eine Übergangsphase, in der die Türkei wieder eine parlamentarische Demokratie wird. Für viele Menschen ist Kilicdaroglu der optimale Kandidat dafür. Denn er ist mit 74 Jahren ein sehr alter Mensch, aber auch jemand, der Menschen verbindet, wenig Populismus macht und in der Lage ist, unterschiedlichste Parteien zusammenzubringen.“
ist Redakteur des „vorwärts“. Er hat Politikwissenschaft studiert und twittert gelegentlich unter @JonasJjo