Zukunft des Deutschlandtickets: SPD will Preis von 49 Euro aufrechterhalten
Vor einem Jahr ist das „Deutschlandticket“ gestartet. Aus Sicht von SPD-Verkehrsexpertin Isabel Cademartori hat es den öffentlichen Nahverkehr revolutioniert. Beim künftigen Preis macht sie eine klare Ansage.
Wie geht es weiter mit dem Deutschlandticket? Bund und Länder müssen sich schnellstmöglich auf eine langfristige Finanzierungsstruktur einigen, sagt SPD-Verkehrsexpertin Isabel Cademartori.
An diesem Mittwoch wird das „Deutschlandticket“ ein Jahr alt. Seit 1. Mai 2023 können Pendler*innen und Reisende für 49 Euro im Monat deutschlandweit den Nah- und Regionalverkehr nutzen. Mitte April haben sich die Verkehrsminister*innen der Länder dafür ausgesprochen, das Deutschlandticket auch über 2024 hinaus aufrecht zu erhalten. Unklar ist jedoch noch, wie es finanziert werden soll – und wieviel es künftig kostet.
Am 1. Mai feiert das „Deutschlandticket“ sein einjähriges Jubiläum. Wie fällt Ihre Bilanz des ersten Jahres aus?
Das Deutschlandticket ist eine Revolution des öffentlichen Nahverkehrs. Erstmals gibt es deutschlandweit einen Tarif und das auch noch zu einem niedrigen Preis, der vielerorts nur die Hälfte dessen beträgt, was man früher allein im örtlichen Tarifverbund für ein Monatsticket zahlen musste. Das Deutschlandticket eröffnet uns zudem ganz andere Möglichkeiten, den ÖPNV in Deutschland weiterzuentwickeln.
Zum Beispiel?
In Deutschland gibt es mehr als 60 Tarif- und Verkehrsverbünde, die häufig nicht miteinander kooperieren. Mit dem Deutschlandticket können wir deutlich bessere Erkenntnisse darüber bekommen, welches Fahrverhalten Nutzerinnen und Nutzer haben, um auf diese Bedürfnisse besser als bisher zu reagieren. Vorstellbar wäre auch eine gemeinsame App für alle Verkehrsangebote.
Die Bundesländer haben bereits betont, dass sie das Deutschlandticket gerne erhalten wollen. Knackpunkt ist wie immer das Geld. Worauf kommt es an, um eine dauerhafte Finanzierung sicherzustellen?
Für die kommenden zwei Jahre sehe ich die Finanzierung des Deutschlandtickets weitestgehend gesichert, vor allem durch die noch ausstehende Übertragung bisher nicht abgerufener Mittel. Da ist die Bundesregierung in der Pflicht, ihrer Ankündigung auch Taten folgen zu lassen. Wenn es gleichzeitig gelingt, den Kundenstamm des Deutschlandtickets durch Preisstabilität auszuweiten, bin ich da bis 2025 sehr zuversichtlich. Bund und Länder müssen sich aber schnellstmöglich auf eine langfristige Finanzierungsstruktur einigen.
Das heißt?
Der Bund stellt schon jetzt 1,5 Milliarden Euro an Regionalisierungsmitteln für die Finanzierung des Deutschlandtickets zur Verfügung. Für die zukünftige Finanzierung müssen wir uns überlegen, ob das weiter in diesem Rahmen erfolgen soll. Eine andere wichtige Frage ist, wie die Einnahmen aus dem Deutschlandticket sinnvoll verteilt werden. Nicht immer erbringt der Verkehrsverbund die Leistung, der auch das Deutschlandticket verkauft hat. Die Länder arbeiten derzeit an einer entsprechenden Systematik.
Die Verkehrsminister*innen der Länder haben bereits unverhohlen damit gedroht, Strecken auszudünnen oder sogar einzustellen, wenn sie nicht mehr Geld für den Öffentlichen Personennahverkehr erhalten. Wird das Deutschland-Ticket am Ende zu einem Bumerang – also günstig Bahn fahren, aber nicht mehr überall?
Ich halte das nicht für ein flächendeckendes Thema. Der CDU-Verkehrsminister von Schleswig-Holstein argumentiert, dass das Deutschland-Ticket dafür verantwortlich sei, wenn dort Verbindungen gestrichen würden. Damit steht er aus meiner Sicht aber recht allein da. Aber natürlich haben wir es auch im Verkehrsbereich mit steigenden Kosten zu tun – wegen steigender Energiepreise, aber auch wegen guter Tarifabschlüsse in den vergangenen Monaten.
Die Ampel-Koalition hat deshalb die Dynamisierung der Regionalisierungsmittel des Bundes erhöht. Sie steigen jetzt automatisch jedes Jahr um 3,0 Prozent, vorher waren es nur 1,8 Prozent. Außerdem haben wir rückwirkend ab 2022 den Sockelbetrag um eine Milliarde Euro erhöht. Bis 2031 sind das 17 Milliarden mehr für den Schienenpersonenverkehr. Das wird nicht alle Kostensteigerungen ausgleichen, aber es ist ein wichtiger Schritt, um für Stabilität und Zuverlässigkeit im Nahverkehr zu sorgen. Klar ist aber, dass auch die Länder einen Beitrag leisten müssen, finanziell aber auch bei der Effizienz.
Isabel
Cademartori
Als verkehrspolitische Sprecherin der SPD-Bundestagsfraktion kämpfe ich dafür, den Preis von 49 Euro zu halten.
Wie lange lässt sich der Preis von 49 Euro für das Deutschlandticket noch aufrechterhalten?
Als verkehrspolitische Sprecherin der SPD-Bundestagsfraktion kämpfe ich dafür, den Preis von 49 Euro zu halten.
Nach dem Urteil des Bundesverfassungsgerichts zum Klima- und Transformationsfonds im vergangenen Jahr wurden die für die Bahn vorgesehenen Haushaltsmittel für dieses Jahr deutlich reduziert. Funktioniert es auch mit weniger Geld?
Die Bahn hatte einen zusätzlichen Investitionsbedarf in Höhe von 40 bis 45 Milliarden Euro angemeldet. Ursprünglich wollte die Koalition deshalb auch 40 Milliarden Euro mehr zur Verfügung stellen. Nun werden es etwa 30 Milliarden sein, die wir neben den regulären Haushaltsmitteln für die Bahn aufbringen. Das ist immer noch deutlich mehr als die Vorgängerregierung in die Bahn investiert hat. Doch auch dieses zusätzliche Geld wird nicht ausreichen, um alles umzusetzen, was bei der Bahn zu tun ist, also sowohl den weiteren Ausbau der Bahn zu gewährleisten als auch die Sanierung. Deshalb werden wir die Mittel in den kommenden Jahren auch weiter erhöhen müssen.
Bundesverkehrsminister Volker Wissing hat dafür die Einrichtung eines Infrastrukturfonds vorgeschlagen. Unterstützt die SPD das?
Wir sind noch in Gesprächen mit dem Verkehrsministerium, wie ein solcher Fonds aussehen könnte. Die FDP will ihn eher mit privatem Kapital füllen. Ich denke, dass auch der Staat sich großzügig beteiligen müsste. Prinzipiell erscheint uns ein solcher Fonds aber sinnvoll zu sein. Es braucht einen Topf, der auch über den aktuellen Haushalt hinaus Geld für die Verkehrsinfrastruktur zur Verfügung stellen kann und planbar aufgefüllt wird. Keine Planbarkeit zu haben, ist für alle Beteiligten ein Problem. Die Baubranche kann sich nicht darauf einstellen, welche Aufträge sie bekommt und baut nicht die entsprechenden Kapazitäten auf. Und wenn der Bund dann kurzfristig wieder Maßnahmen abbestellt, weil er sparen muss, hat das weitreichende Konsequenzen. Aus diesem kurzfristigen Handeln müssen wir rauskommen.
Der Verkehrsbereich hat im vergangenen Jahr erneut die Klimaziele der Bundesregierung deutlich verfehlt. Wo sehen Sie Einsparpotenzial beim CO2-Ausstoß?
Der Verkehrsbereich ist hier neuralgisch, weil viele Entwicklungen – etwa die Verlagerung von Verkehr von der Straße auf die Schiene oder der Umstieg vom Verbrennungs- auf den Elektromotor – ihre Zeit brauchen. Es ist also nicht mit kurzfristigen Effekten zu rechnen. Trotzdem gibt es Dinge, die man sofort tun könnte, um die Klimabilanz des Verkehrsbereichs zu verbessern. Ein Tempolimit auf den Autobahnen hätte einen Effekt, auch wenn es kein Allheilmittel ist. Eine Reform des Dienstwagenprivilegs könnte genutzt werden, um den Absatz von Elektroautos anzukurbeln und die Antriebswende zu beschleunigen. Zwei Drittel aller neu zugelassenen Fahrzeuge in Deutschland sind Dienstwagen. Wenn hier der Großteil elektrisch wäre, hätte das durchaus einen Effekt. Und E10 könnte zum Standardkraftstoff in Deutschland werden. Wenn die Tankstellen nicht mehr wie bisher verpflichtet wären, E5 vorzuhalten, könnten wir so den CO2-Ausstoß über eine stärkere Beimischung von Biokraftstoff selbst bei den Verbrennern deutlich senken.
Dirk Bleicker | vorwärts
ist stellvertretender Chefredakteur des vorwärts. Er betreut den Bereich Parteileben und twittert unter @kai_doering.