Warum die Tarifverhandlungen bei der Bahn gescheitert sind
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Vieles deutete auf eine Einigung im Tarifstreit zwischen Deutscher Bahn und Eisenbahn- und Verkehrsgewerkschaft (EVG) hin, doch seit Mittwochabend ist klar: Die Verhandlungen über mehr Geld für die rund 180.000 Beschäftigten der Bahn sind gescheitert. Am Donnerstag hat sich der Bundesvorstand der EVG einstimmig der Einschätzung der Tarifkommission um die Verhandler*innen Kristian Loroch und Cosima Ingenschay angeschlossen.
EVG-Chef Burkert: „Wir waren kompromissbereit.“
„Angesichts der immer noch hohen Inflation erwarten die Beschäftigten umgehend eine möglichst kräftige Lohnerhöhung. Die DB AG wollte aber in einem ersten Schritt nicht mehr als 200 Euro mehr zahlen und das auch erst im Dezember. Das ist zu wenig und zu spät“, erklärte der EVG-Vorsitzende Martin Burkert im Anschluss. Die Gewerkschaft war mit der Forderung nach einer Gehaltssteigerung von 12 Prozent, mindestens aber 650 Euro in die Verhandlungen gegangen. Der Tarifvertrag sollte eine Laufzeit von 12 Monaten haben. Die Bahn hatte bis zuletzt auf eine Laufzeit von 27 Monaten gedrungen.
„Wir waren kompromissbereit“, stellte EVG-Chef Burkert bei einer Pressekonferenz am Donnerstag klar. „Wenn aber in der entscheidenden Frage der Lohnerhöhung die Erwartungshaltung unserer Mitglieder nicht erfüllen wird, scheitern die Verhandlungen. Das ist jetzt der Fall.“ Burkert verwies auch darauf, dass die EVG während der Corona-Pandemie deutliche Lohn-Zurückhaltung geübt habe. Staat, Unternehmen und Gewerkschaft hatten dafür 2020 das „„Bündnis für unsere Bahn“ geschlossen. Damals habe man auch vereinbart, Lohnerhöhungen später nachzuholen.
Warnstreiks sind nicht ausgeschlossen
Der EVG-Vorstand beschloss am Donnerstag, eine Urabstimmung über unbefristete Streiks einzuleiten. Damit entscheiden die rund 185.000 Gewerkschaftsmitglieder, ob es zu großangelegten Streiks im Sommer kommen wird. Vorbereitung und Durchführung der Abstimmung werden einige Wochen dauern. Entwarnungen für Bahn-Kund*innen gibt es bis dahin jedoch nicht. „Warnstreiks sind damit nicht ausgeschlossen“, betonte Martin Burkert.
Er machte jedoch auch klar: „Wir sind nach wie vor verhandlungsbereit.“ Lege die Bahn ein verbessertes Angebot vor, werde die EVG darüber verhandeln. „ Wir fordern nichts Unmögliches“, so Burkert. „Unsere Kolleginnen und Kollegen sind es, die dafür sorgen, dass Bus und Bahn trotz aller nicht von ihnen zu verantwortenden Widrigkeiten täglich fahren und erwarten dafür zu Recht eine angemessene Bezahlung.“
Auch die Bahn signalisierte weiter Gesprächsbereitschaft. „Wir waren bereit, an unsere Grenze zu gehen, damit ein guter, ausbalancierter Abschluss zustande kommt“, betonte DB-Personalvorstand Martin Seiler. Er rief die EVG auf, an den Verhandlungstisch zurückzukehre. „Ein echter Kompromiss tut am Ende immer beiden Seiten weh.“
Dirk Bleicker | vorwärts
ist stellvertretender Chefredakteur des vorwärts. Er betreut den Bereich Parteileben und twittert unter @kai_doering.