Inland

SPD-Innenministerin zum Streit beim Sicherheitspaket: „Ich bin ein Stück weit entsetzt"

Niedersachsens Innenministerin Daniela Behrens wirft der Union vor, die Innere Sicherheit für den Wahlkampf zu instrumentalisieren. Das Beharren auf Maximalforderungen helfe niemanden – schon gar nicht den Sicherheitsbehörden.

von Lars Haferkamp · 28. Oktober 2024
Niedersachsens Innenministerin Daniela Behrens kritisiert die Blockade der Union beim Sicherheitspaket.

Niedersachsens Innenministerin Daniela Behrens kritisiert die Blockade der Union beim Sicherheitspaket.

Die Union hat im Bundesrat einen wichtigen Teil des Sicherheitspaketes der Bundesregierung blockiert, nämlich das „Gesetz zur Verbesserung der Terrorismusbekämpfung“. Wie bewerten Sie das? 

Ich bin ein Stück weit entsetzt, dass die Union die Innere Sicherheit jetzt ganz offensichtlich als Spielball des beginnenden Bundestagswahlkampfes betrachtet. 

Das Sicherheitspaket der Ampel ist sicherlich nicht perfekt, aber es wäre ein wichtiger Schritt in die richtige Richtung, da sind sich die Fachleute in meinem Ministerium einig. Insbesondere ist die Bedeutung von offen im Internet zugänglichen Informationen für die Arbeit der Sicherheitsbehörden aufgrund der stark vernetzen und digitalisierten Welt erheblich gestiegen. Es geht kein Weg daran vorbei, die Nutzung dieser Daten durch unsere Sicherheitsbehörden rechtssicher zu regeln. Der Entwurf enthält moderne Befugnisse zum nachträglichen biometrischen Abgleich öffentlich zugänglicher Daten aus dem Internet, die die Polizei vor dem Hintergrund der aktuellen Bedrohungslage selbstverständlich benötigt. Das gleiche gilt für den Einsatz automatisierter Datenanalyse, um die eigenen Datenbestände der Polizei schnell und umfassend nutzen zu können.  

Welche Konsequenzen hat der Stopp des Gesetzes in der Praxis?

Es steht zu befürchten, dass durch das Veto im Bundesrat der Zeitpunkt des Inkrafttretens des Gesetzes verzögert wird und auf nicht absehbare Zeit dringend benötigte Befugnisse für den Einsatz zeitgemäßer Ermittlungsinstrumente bei der Bundespolizei, dem BKA und den Strafverfolgungsbehörden fehlen werden.

Noch ist offen, ob der Vermittlungsausschuss angerufen wird. Dort würden dann Vertreter*innen von Bundesrat und Bundestag eine Lösung suchen. Wie könnte es im Vermittlungsausschuss weitergehen?

Es bleibt abzuwarten, wie sich vor allem die unionsgeführten Länder im Vermittlungsausschuss verhalten werden. Ich befürchte, dass einige Länder einfach nur maximalen Flurschaden hinterlassen wollen.

Die Union fordert Verschärfungen des Sicherheitspaketes, etwa bei der Speicherung von Verkehrsdaten, bei der Vorratsdatenspeicherung und bei den Befugnissen zur Gesichtserkennung. Was halten Sie davon?

Rein fachlich halte ich etwa die Forderung nach der Speicherung von Verkehrsdaten für vollkommen berechtigt. Der Europäische Gerichtshof hat für die Speicherung einen klaren Rahmen gesetzt, der durch den Bundesgesetzgeber, auch im Interesse einer effektiven und zeitgemäßen Arbeit der Sicherheitsbehörden, umfassend ausgeschöpft werden sollte. Hier besteht zweifelsfrei noch Nachholbedarf. Wir können aber nicht ignorieren, dass insbesondere die FDP dieses Instrument partout nicht will. 

Mein Ansatz ist ein pragmatischer: Wir sollten jetzt alle Maßnahmen ergreifen, die im Bund in der Ampelkoalition konsensfähig sind, damit unsere Sicherheitsbehörden schnell die nötigen Befugnisse an die Hand bekommen. Das Beharren auf Maximalforderungen bedeutet in dieser Situation Stillstand und der hilft niemanden weiter – schon gar nicht unseren Sicherheitsbehörden.

Daniela Behrens,
Innenministerin
in Niedersachsen

Es gibt schlicht zu viele Menschen, deren Asylverfahren eigentlich in anderen EU-Staaten durchgeführt werden müssten, die sich aber dennoch in Deutschland aufhalten.

Ein Teil des Sicherheitspakets wurde im Bundesrat verabschiedet. Sind Sie etwa mit den Verschärfungen im Waffenrecht zufrieden?

Insbesondere die Verschärfung des Waffenrechts begrüße ich sehr. Viele der Maßnahmen hatten wir in Niedersachsen bereits im Rahmen einer Bundesratsinitiative gefordert. Das Messerverbot auf Veranstaltungen und im Öffentlichen Personenverkehr sowie in Waffenverbotszonen ist ein wichtiges Zeichen: Niemand, der keinen anerkannten Grund hat, muss an diesen Orten ein Messer dabeihaben! Gleiches gilt für das Verbot sämtlicher Springmesser. 

Und wie sieht es mit den Verschärfungen des Asylrechtes aus?

Ich halte es auch für richtig und wichtig, dass wir Geflüchtete, die straffällig werden, leichter ausweisen können. Die Menschen erwarten von uns, dass wir durchsetzen, dass diejenigen, die hier Schutz suchen und dann schwere Straftaten begehen, unser Land wieder verlassen. Sie haben ihren Anspruch auf Schutz verwirkt. Das gilt insbesondere bei Straftaten gegen die sexuelle Selbstbestimmung oder wenn eine Waffe im Spiel ist. Außerdem darf es keine falsche Toleranz für Islamist*innen oder Antisemit*innen geben. 

Unstrittig dürfte auch sein, dass wir es nicht dulden können, wenn Schutzsuchende Urlaubsreisen in ihre Herkunftsländer unternehmen und damit das Asylverfahren ad Absurdum führen. 

Umstritten ist der Umfang der Leistungen für Asylbewerber*innen. Was wird sich hier ändern?

Die Regelungen sehen vor, dass vollziehbar ausreisepflichtigen Personen, für deren Asylverfahren ein anderer Dublin-Staat zuständig ist, anstelle von eingeschränkten Leistungen nur noch für zwei Wochen Überbrückungsleistungen für das physische Existenzminimum gewährt werden. Die Leistungsausschlüsse sollen unter dem Vorbehalt stehen, dass das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge im Einzelfall feststellen muss, ob die Ausreise rechtlich und tatsächlich möglich ist. Wer unverschuldet nicht ausreisen kann, muss daher keine Leistungseinschränkung befürchten. 

Auch die Voraussetzungen zum Bezug von Härtefallleistungen bleiben unangetastet, so dass in Einzelfällen weiterhin entsprechend reagiert werden kann. Auch diese gesetzliche Änderung halte ich für richtig. Es gibt schlicht zu viele Menschen, deren Asylverfahren eigentlich in anderen EU-Staaten durchgeführt werden müssten, die sich aber dennoch in Deutschland aufhalten. Deshalb ist es auch so wichtig, dass das Gemeinsame Europäische Asylsystem so schnell wie möglich umgesetzt wird.

Wo erwarten Sie durch die verabschiedeten Gesetze konkrete Verbesserungen für die Sicherheit im Land?

Durch das Gesetz zur Verbesserung der Terrorismusbekämpfung werden für die Sicherheitsbehörden wichtige Rechtsgrundlagen geschaffen, die eine effektive Abwehr der bestehenden Gefahren durch den Terrorismus ermöglichen.

Mit den Maßnahmen beim Waffenrecht werden den zuständigen Behörden weitere wichtige Instrumente in die Hand gegeben, um gerade der ausufernden Messerkriminalität wirksam zu begegnen. Neben den vorgenannten Messerverboten hilft uns hierbei auch die Möglichkeit, zukünftig anlasslose Kontrollen in Waffenverbotszonen sowie auf Veranstaltungen und im Öffentlichen Personenverkehr durchzuführen.

Das Sicherheitspaket wird dazu beitragen, dass beispielsweise Personen, die die genannten Straftaten begehen, zurückgeführt werden können. Ich hoffe sehr, dass auch die fehlenden Teile des Pakets noch zeitnah umgesetzt werden können.

– Dieses Interview wurde schriftlich geführt  –

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