Bundesinnenministerin Faeser warnt: Russland bedroht innere Sicherheit
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„Wir sind eine starke und wehrhafte Demokratie“, betont Bundesinnenministerin Nancy Faeser gleich zu Beginn der Bundespressekonferenz. „Wir gehen entschieden gegen die Feinde unserer Demokratie vor.“ Das zeige der am Dienstag in Berlin vorgestellte Verfassungsschutzbericht 2021 „sehr deutlich“. Die Analysen des Verfassungsschutzes zu Bedrohungen durch politischen Extremismus, Terrorismus und Spionage seien ein wichtiges „Frühwarnsystem“, um „wenn es notwendig ist, sehr konsequent gegen Extremisten zuzuschlagen“. Für das Jahr 2021 wurden insgesamt 33.476 politisch motivierte Straftaten mit extremistischem Hintergrund ausgewiesen, im Vergleich zu 32.924 im Jahr Vorjahr. Davon waren 2.994 Gewalttaten, gegenüber 2.707 im Jahr 2020.
Nancy Faeser: Größte Gefahr bleibt Rechtsextremismus
„Die größte extremistische Bedrohung für unsere Demokratie ist weiterhin der Rechtsextremismus“, so ein zentrales Fazit der Bundesinnenministerin. Laut Bundesamt für Verfassungsschutz (BfV) ist das Personenpotenzial im Bereich Rechtsextremismus von 33.300 in 2020 auf 33.900 in 2021 angewachsen. Auch der Anteil der gewaltbereiten Rechtsextremisten ist abermals gestiegen: von 13.300 in 2020 auf nunmehr 13.500 in 2021.
„Rechtsextremisten haben versucht, nicht nur die Corona-Proteste sondern auch die Flut-Katastrophe im Juli 2021 für ihre Zwecke zu instrumentalisieren“, so Faeser. „Und sie versuchen es jetzt wieder, nämlich den russischen Angriffskrieg Putins und seine Auswirkungen, zum Beispiel auf die stark steigenden Energiepreise, erneut zu instrumentalisieren.“ Hier arbeiteten die Sicherheitsbehörden sehr deutlich dagegen.
Dirk Wiese: Demokratiefördergesetz wird helfen
Dirk Wiese, stellvertretender Vorsitzender der SPD-Bundestagsfraktion, betont im Gespräch mit dem „vorwärts“ angesichts des neuen Berichtes: „Ich bin Nancy Faeser dankbar für ihren Aktionsplan, um Radikalisierung frühzeitig zu stoppen, rechtsextreme Netzwerke effektiv zu zerschlagen und Extremisten zu entwaffnen“. Hierzu werde das Demokratiefördergesetz einen wichtigen Beitrag leisten. „Nachdem die Union das Gesetz jahrelang blockierte, kann die Ampel-Koalition dieses wichtige Gesetz noch in diesem Jahr auf den Weg bringen und damit den Kampf gegen Rechtsextremismus auf verlässliche Füße stellen“, so Wiese.
Breiten Raum in der Vorstellung des aktuellen Verfassungsschutzberichtes nimmt der Ukraine-Krieg ein. „Wir müssen gerade jetzt, angesichts der Bedrohung des Friedens in Europa durch Putins furchtbaren Angriffskrieg gegen die Ukraine den inneren Frieden in unserem Land stärken“, unterstreicht Nancy Faeser. „Denn wir wissen: Rechtsextremisten missbrauchen jede Krise für ihren Versuch, Menschen gegeneinander auszuspielen und die Gesellschaft zu destabilisieren.“
Faeser: Wir verteidigen uns gegen Putin
In diesem Zusammenhang weist die Ministerin auf die „ernsthafte Bedrohung“ Deutschlands durch russische Geheimdienste hin. Konkrete Beeinträchtigungen der Bundestagswahl und der Landtagswahlen 2021 konnten zwar verhindert werden. „Im Vorfeld der Bundestagswahl wurde allerdings deutlich, dass vor allem Russland seinen Desinformations- und Propagandaapparat für eine verzerrende und verhetzende Darstellung demokratischer Parteien und Politiker nutzt.“
2021 seien auch intensive Cyberattacken gegen Politiker*innen erfolgt. Innenministerin Faeser stellt klar: „Mit dem russischen Angriffskrieg auf die Ukraine hat die Bedrohungslage eine neue Dimension gewonnen. Ich will es sehr deutlich sagen: Wir verteidigen die innere Sicherheit und den inneren Frieden in Deutschland gegen russische Spionage, gegen Einflussnahmeversuche, gegen Lügen und Kriegspropaganda. Putins Lügen verfangen in Deutschland nicht.“
Gefahr russicher Attacken wächst
Man habe „sehr genau im Blick“, welche geheimdienstlichen Mittel die russische Regierung gegen Deutschland nutze, betont Faeser. „Und wir handeln: Deshalb haben wir Ende April 40 Personen an der russischen Botschaft in Berlin ausgewiesen, die wir den russischen Nachrichtendiensten auch zuordnen konnten.“ Zudem müsse sich Deutschland speziell gegen Cyberattacken noch stärker schützen. Deshalb habe man die Schutzmaßnahmen „stark hochgefahren“. In die Cybersicherheit werde die Bundesregierung „massiv investieren“. Noch vor der Sommerpause will Innenministerin Faeser ihre Cyber-Sicherheitsagenda vorstellen.
Thomas Haldenwang, der Präsident des Bundesamtes für Verfassungsschutz (BfV), bestätigt die von der Ministerin skizzierte Bedrohungslage in der Bundespressekonferenz. Das Niveau der Spionageaktivitäten gegen Deutschland stehe dem des Ost-West-Konfliktes bis 1990 „in nichts mehr nach“. Haldenwang betont: „Durch den russischen Angriffskrieg auf die Ukraine ist in jedem Fall davon auszugehen, dass die nachrichtendienstliche Bedrohungslage perspektivisch zu- statt abnehmen wird.“ Man gehe aktuell von „einem erhöhten Risiko von Cyber-Sabotage gegen kritische Infrastruktur in Deutschland“ aus. Der Verfassungsschutz warne bereits potentiell gefährdete Stellen in der Bundesrepublik. Man nehme „ein starkes Interesse“ russischer Cyber-Dienste war, die kritische Infrastruktur Deutschlands auszuforschen, „als Vorbereitungshandlung für solche Angriffe“ . Man sei darauf „gut vorbereitet“, so Haldenwang.
Wiese: Gegen russische Kriegspropanda
SPD-Fraktionsvize Dirk Wiese verurteilt im Gespräch mit dem „vorwärts“, die Versuche der russischen Propagandamaschine „den inneren Frieden in Deutschland zu stören und die Ukraine zu diffamieren“. Er lässt keinen Zweifel: „Gegen russische Spionage und Kriegspropaganda werden wir auch in Zukunft konsequent vorgehen, damit Putin diesen Krieg nicht gewinnt.“
Verfassungsschutzchef Thomas Haldenwang nimmt in der Bundespressekonferenz auch zur Alternative für Deutschland (AfD) Stellung. Wegen einer Klage der AfD taucht sie noch nicht im Verfassungsschutzbericht 2021 auf. Haldenwang stellt klar: „Die Alternative für Deutschland ist mittlerweile ein gerichtlich bestätigter Verdachtsfall einer extremistischen Bestrebung.“ Er begrüßt die Entscheidung des Verwaltungsgerichtes Köln vom März 2022, „wonach die Bewertung und Einstufung der AfD als Verdachtsfall auf einer nicht zu beanstandenden Sachbetrachtung des BfV beruhe“. Diese Entscheidung ermöglich es dem BfV die AfD auch mit nachrichtendienstlichen Mitteln zu untersuchen. „Wir prüfen genau, ob sich die bestehenden, tatsächlichen Anhaltspunkte für eine verfassungsfeindliche Bestrebung weiter verdichten“, so Haldenwang. Der AfD-Parteitag in der kommenden Woche biete weitere Gelegenheit, die Partei „genau unter die Lupe zu nehmen“.