Künftiger Haushalt: „Wir können uns nicht aus der Krise heraussparen.“
Die Bundesregierung wird den Haushalt für 2024 zügig auf den Weg bringen. Davon ist die Erste Parlamentarische Geschäftsführerin der SPD-Bundestagsfraktion, Katja Mast, überzeugt. Einen Vorschlag zur Finanzierung hat sie auch.
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Erste Parlamentarische Geschäftsführerin Katja Mast: Sorgfalt geht vor Schnelligkeit.
Ursprünglich wollte der Bundestag in der kommenden Woche den Haushalt für 2024 beschließen. Warum wird die Abstimmung jetzt verschoben?
Wir haben bei der Expertenanhörung im Haushaltsausschuss am Dienstag festgestellt, dass es ein vielfältiges Bild gibt, welche Auswirkungen das Urteil des Bundesverfassungsgerichts zum Klima- und Transformationsfonds hat. Wir müssen zudem sehr systematisch überprüfen, ob auch der Wirtschaftsstabilisierungsfonds von dem Karlsruher Urteil berührt ist. Und nicht zuletzt müssen wir wissen, welche Auswirkungen das Urteil auf die Haushalte der Bundesländer hat. All diese Fragen wollen wir zügig, aber mit Sorgfalt beantworten und ein tragfähiges Gesamtkonzept für den Haushalt für 2024 entwickeln. Dafür braucht es noch etwas Zeit. Sorgfalt geht hier vor Schnelligkeit.
Was nehmen Sie aus der Anhörung der Expert*innen mit?
Wir müssen investieren und können uns nicht aus der Krise heraussparen. Darum ist es wichtig, dass wir auch in der Zukunft den Spielraum für nötige Investitionen in zukunftsfähige Arbeitsplätze und saubere Energien haben. Beim Verfahren gab es kein einheitliches Bild: Manche sagten, wir könnten den Haushalt so beschließen wie geplant, während andere große Bedenken hatten. Um offene Fragen zu klären, hier ist vor allem Christian Lindner gefragt, aber auch, um der Opposition mehr Zeit zu geben, haben wir uns für die Verschiebung der Abstimmung entschieden.
In der Öffentlichkeit ist der Eindruck entstanden, die Bundesregierung und auch das Parlament sind von der Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts überrascht worden. War das so?
In der Tiefe und Konsequenz ist es auf jeden Fall ein bemerkenswertes Urteil. Damit müssen wir als Haushaltsgesetzgeberjetzt umgehen. Unser Ziel bleibt, für die Bürgerinnen und Bürger Sicherheit zu geben und die Zukunft des Landes zu gestalten. Entscheidend ist die Frage, woher wir das notwendige Geld für Zukunftsinvestitionen – etwa in Erneuerbare Energien oder die Transformation – bekommen. Das Verfassungsgericht hat nun gesagt, dass wir zwar Geld in Krisenzeiten aufnehmen können, wir das aber jedes Jahr neu begründen und beschließen müssen. Es hat uns und auch den Ländern damit eine anspruchsvolle Aufgabe aufgegeben.
Die Vorstellungen in der Ampel, wie diese Aufgabe gelöst werden kann, gehen zum Teil sehr weit auseinander. Wird sie sie trotzdem lösen?
Davon bin ich fest überzeugt. Diese Ampel hat schon so oft in schwierigen Situationen ganz zentrale Entscheidungen treffen müssen. Das wird ihr auch diesmal gelingen.
Die Vorschläge, woher das Geld kommen soll, um das entstandene Loch zu füllen, sind sehr vielfältig. Was schlägt die SPD vor?
Wir sind sehr offen in der Frage, wie wir die Schuldenbremse weiterentwickeln. Die Entscheidung der Bundesregierung, sie für 2023 erneut auszusetzen, begrüßen wir daher sehr. Wir sind darüber hinaus dazu bereit, die Einnahmenseite des Staates zu verbessern zum Beispiel über Steuererhöhungen für besonders Wohlhabende, damit Zukunftsinvestitionen weiter möglich sind. Die SPD hat also konkrete Vorschläge. Jetzt fügen wir das als Ampel zu einem Gesamtkonzept zusammen. Jeden Tag einen anderen Kürzungsvorschlag zu machen, wie es die CDU und Friedrich Merz machen, hilft dabei nicht weiter, sondern verunsichert die Menschen nur. Und die CDU greift die Grundlage unseres Landes an, indem sie immer beim sozialen Ausgleich kürzen will. Das genau ist die falsche Antwort – ein starker Sozialstaat ist die Grundlage für unseren Wohlstand.
Sie sagen, Sorgfalt geht vor Schnelligkeit. Wird der Bundestag dennoch den Haushalt für 2024 noch in diesem Jahr beschließen?
Die SPD will eine vorläufige Haushaltsführung für das kommende Jahr vermeiden. Die Vergleiche mit den USA, die manch einer bereits zieht, sind aber vollkommen daneben. Dort fließt tatsächlich kein Cent mehr, wenn es zum Shutdown kommt. Von amerikanischen Verhältnissen sind wir in Deutschland selbst bei einer vorläufigen Haushaltsführung meilenweit entfernt. Wir sind zu jeder Zeit handlungsfähig. Die Ampel ist sich da ihrer staatspolitischen Verantwortung vollkommen bewusst.
Das Urteil des Verfassungsgerichts hat die Debatte über die Schuldenbremse neu entfacht. Sollte die Situation genutzt werden, um sie grundlegend zu reformieren?
Die SPD ist klar für eine Reform der Schuldenbremse. In einem Leitantrag für den anstehenden Bundesparteitag gibt es auch konkrete Vorschläge dazu. Zur Wahrheit gehört aber dazu, dass es für eine Grundgesetzänderung eine Zwei-Drittel-Mehrheit in Bundestag und Bundesrat braucht. Die besteht derzeit nicht, da sich die größte Oppositionsfraktion von CDU und CSU dagegen sperrt. Umso wichtiger ist aber, dass wir an der Stelle den Druck hoch halten.
Dirk Bleicker | vorwärts
ist stellvertretender Chefredakteur des vorwärts. Er betreut den Bereich Parteileben und twittert unter @kai_doering.