Die SPD und die Hochwasser-Notlage: Kommt die Ausnahme von der Schuldenbremse?
In der SPD gibt es wichtige Stimmen für die Aussetzung der Schuldenbremse angesichts der aktuellen Hochwasserlage. Bundeskanzler Olaf Scholz und die SPD-Ministerpräsident*innen Stephan Weil und Malu Dreyer wollen eine solide Finanzierung der Hilfsmaßnahmen.
imago
Besuch im Hochwassergebiet: Bundeskanzler Olaf Scholz (l.) und Niedersachsens Ministerpräsident Stephan Weil am 31.12.2023 in Verden an der Aller.
Lob für die Bundesregierung ist in letzter Zeit selten geworden. Umso beachtenswerter das Lob von Stephan Weil, Ministerpräsident des vom aktuellen Hochwasser besonders betroffenen Niedersachsen: Er finde es „sehr gut“, wie sich Berlin dafür einsetze, den Menschen in den Hochwassergebieten zu helfen. Eine solche Hilfe sei auch „notwendig“, so Weil. Das ganze Ausmaß der Schäden sei jedoch erst zu erkennen, wenn das Hochwasser wieder abgeflossen sei.
Stephan Weil: Schuldenbremse später klären
„Die Frage, ob das Hochwasser und seine Folgen konkret eine Notlage darstellen, die eine Ausnahme von der Schuldenbremse zulässt, lässt sich derzeit noch nicht beantworten“, sagt der Regierungschef zur in Berlin lebhaft diskutierten Schuldenregel. Derzeit müsse das aktuelle Hochwasser bekämpft und danach müssten die Schäden festgestellt werden, erst dann könne „man sich über die Kostenverteilung und deren Finanzierung konkrete Gedanken machen und entscheiden“.
So sieht es auch Weils Amtskollegin Malu Dreyer aus Rheinland-Pfalz, deren Bundesland hauptbetroffen vom Ahrtal-Hochwasser war. „Die Flut im Ahrtal im Sommer 2021 war die schlimmste Naturkatastrophe in Rheinland-Pfalz seit dem Zweiten Weltkrieg“, so Dreyer gegenüber dem „vorwärts“. „Wir sind als Land sehr dankbar, dass Bund und Länder in einem Akt großer Solidarität damals schnell ein milliardenschweres Hilfspaket geschnürt haben, um den nachhaltigen und absehbar langjährigen Wiederaufbau zu unterstützen.“ Allein hätte ihr Land das nicht stemmen können. Ebenso müsse nun auch für die jetzt schwer vom Hochwasser betroffenen Gebiete solidarische Hilfe geben.
Malu Dreyer: Bund muss Schuldenbremse prüfen
„Eine Ausnahmeregelung von der Schuldenbremse ist für die Handlungsfähigkeit des Bundes zur Krisenbewältigung bei Naturkatastrophen explizit vorgesehen“, betont Dreyer gegenüber dem „vorwärts“. „Ob die Voraussetzungen dafür in der aktuellen Situation gegeben sind, muss der Bund prüfen.“
Klar ist für Dreyer aber bereits jetzt: „Durch den fortschreitenden Klimawandel ist mit immer häufiger auftretenden Naturkatastrophen mit immensen Schäden und Folgekosten auch bei uns in Deutschland zu rechnen. Rheinland-Pfalz tritt deswegen für eine bundeseinheitliche Pflichtversicherung für Elementarschäden ein.“ In Zeiten des Klimawandels mit immer mehr Extremwetterereignissen trage eine solche Versicherung mit dazu bei, „die Folgekosten solidarisch zu verteilen und zu verhindern, dass Menschen zum Beispiel nach einer Flutkatastrophe vor dem finanziellen Ruin stehen“.
Verlässliche und solidarische Finanzierung sicherstellen
Die Politik werde sich darüber hinaus mit der Frage beschäftigen müssen, „wie wir grundsätzlich die Finanzierung von Folgekosten von Naturkatastrophen künftig stabil, verlässlich und solidarisch sicherstellen können“. Das Urteil des Bundesverfassungsgerichts zum Nachtragshaushalt 2021 habe die Verantwortlichen „hier vor neue Herausforderungen gestellt“, so Malu Dreyer.
Bundeskanzler Olaf Scholz sagte bei seinem Besuch im vom Hochwasser heimgesuchten Ort Berga in Sachsen-Anhalt am 4. Januar, angesichts der zunehmenden Extremwetterereignisse in Deutschland „ist es wichtig, dass wir vorbereitet sind und vorbereitet bleiben und, wenn das hier zu Ende sein wird, genau schauen, wie wir unsere Vorbereitungen überall in Deutschland im Hinblick auf die Infrastruktur und unsere Verteidigungsmöglichkeiten gegen solche Naturereignisse auch so verbessern, dass wir alles tun können, was notwendig ist.“ Der „Geist der Solidarität“ werde auch nach dem Hochwasser gelten. „Wir werden niemanden allein lassen“, versprach der Bundeskanzler. „Das gilt für den Bund, das gilt für die Länder und für viele andere, gemeinsam, und das gehört zu unserem Land dazu.“
Olaf Scholz: Entscheidung zwischen Bund und Ländern
Auf die Frage, wie er zu Forderungen stehe, die Schuldenbremse wegen des Hochwassers auszusetzen, sagte der Kanzler, es gehe aktuell darum, alles zu tun, um eine Katastrophe in den Hochwassergebieten zu verhindern. „Hinterher werden wir schauen müssen, wie groß die Schäden sind und was das bedeutet, um daraus dann unsere Schlüsse zu ziehen.“ Klar sei bereits jetzt: Das werde nur gemeinsam gehen. Und das müsse auch solidarisch in Deutschland geschehen. „Die Entscheidung werden wir dann intensiv zwischen Bund und Ländern beraten und treffen, wenn es soweit ist“, so der Kanzler.
Zuvor hatte sich Rolf Mützenich, der Vorsitzende der SPD-Bundestagsfraktion, zusammen mit seinen Fraktionskollegen Dennis Rohde und Andreas Schwarz für ein Aussetzen der Schuldenbremse ausgesprochen. So soll eine effektive und nachhaltige Hilfe in den Hochwasserregionen ermöglicht werden. Entsprechende Bundeshilfen sollten von der Schuldenbremse ausgenommen werden, so Mützenich. Die Ampel-Parteien seien „gut beraten, sich offen mit der Frage zu befassen, ob die Ausnahmeregelung nach Artikel 115 neben der Ukraine und der Ahrtal-Katastrophe nicht auch für dieses Ereignis anzuwenden ist“.
Rolf Mützenich: Hochwasserhilfen in Haushaltsgespräche einbringen
Zunächst sei allerdings eine konkrete Schadensbilanz nötig. Es sei aber bereits jetzt abzusehen, dass die notwendigen Mittel für Schadensausgleich, Technisches Hilfswerk, Katastrophenschutz und Deicherneuerungen Länder und Kommunen finanziell überfordern würden. Der Ampel-Koalitionspartner FDP sei „informiert, dass wir die Hochwasserhilfen in die aktuellen Haushaltsgespräche einbringen wollen“, so der SPD-Fraktionschef.