Inland

Darum geht es bei dem großen AfD-Prozess

Ist die AfD ein extremistischer Verdachtsfall? Darüber wird diese Woche ein Gericht in Münster entscheiden.

von Christian Rath · 11. März 2024
Tino Chrupalla und Alice Weidel im Bundestag

Die AfD-Vorsitzenden Tino Chrupalla und Alice Weidel im Bundestag: Gegen eine vorherige Entscheidung des Verwaltungsgerichts Köln hatte die Parteiführung Berufung eingelegt.

Das Oberverwaltungsgericht Münster wird in dieser Woche voraussichtlich die Einstufung der AfD als rechtsextremistischer Verdachtsfall bestätigen. Am Dienstag beginnt die Verhandlung, spätestens am Mittwoch soll das Urteil verkündet werden. 

Das Verfahren ist von großer politischer Brisanz, weil die AfD derzeit mit 18 Prozent der Wählerstimmen rechnen könnte, wenn Bundestagswahl wäre. Die AfD steht damit deutlich besser da als die Regierungsparteien SPD und Grüne, die laut Forschungsgruppe Wahlen aktuell bei je 15 Prozent liegen, für die FDP werden sogar nur 4 Prozent prognostiziert. 

Dass eine so starke Partei wie die AfD vom Verfassungsschutz beobachtet wird, ist ein Novum in Deutschland. Bei der rechtlichen Bewertung darf der Erfolg einer Partei aber keine Rolle spielen. 

AfD hat sich radikalisiert

Die AfD wurde im Jahr 2013 als EU-skeptische Partei gegründet und hat sich seitdem radikalisiert. Mehrere AfD-Vorsitzende - Bernd Lucke, Frauke Petry und zuletzt Bernd Meuthen - traten daher aus. Das Bundesamt für Verfassungsschutz hat die AfD 2021 als Verdachtsfall einer verfassungsfeindlichen Bestrebung eingestuft. 

Im April 2022 hat das Verwaltungsgericht Köln die Einstufung als Verdachtsfall bestätigt. Die Kölner Richter*innen machten klar, dass hierfür bereits Indizien genügen. Es sei nicht erforderlich, dass sich die Extremist*innen in der Partei bereits durchgesetzt haben. Schon ein uneinheitliches Bild rechtfertige die Beobachtung durch den Verfassungsschutz, um die weitere Entwicklung festzustellen. 

Als verfassungsfeindlich werteten die Kölner Richter den von der AfD vertretenen ethnischen Volksbegriff, wonach ein richtiger Deutscher von deutschen Vorfahren abstammen muss. Eingebürgerte Deutsche werden von der AfD zumindest politisch als Staatsbürger zweiter Klasse angesehen, die zum Volk nicht wirklich dazugehören. "Kater, die in einem Pferdestall zur Welt kommen, sind Kater und keine Pferde", hieß es etwa in einem Beitrag der AfD Stuttgart. Andere AfDler warnen vor einem "Volkstod" durch Überfremdung. 

Ausländerfeindliche Agitation

Außerdem betreibe die AfD ausländerfeindliche Agitation, so die Kölner Richter*innen, etwa indem Migrant*innen pauschal als kriminell abgestempelt werden und eingewanderte Muslim*innen stereotyp mit islamistischem Terror in Verbindung gebracht werden. 

Das Verwaltungsgericht Köln stellte vor allem auf den Einfluss der besonders radikalen AfD-Jugendorganisation Junge Alternative (JA) ab sowie auf die Mitglieder des ehemaligen "Flügels" um den Thüringer AfD-Chef Björn Höcke. Der Flügel wurde zwar im April 2020 aufgelöst, die Vordenker*innen seien aber weiter in der AfD aktiv. 

Aber auch jenseits von JA und "Flügel" fand der Verfassungsschutz viele verfassungsfeindliche Aussagen. Das Kölner Urteil listet auf 108 Seiten unzählige Zitate auf. 

Gegen die Entscheidung des Verwaltungsgerichts Köln ging die AfD in Berufung. Nun muss in zweiter Instanz das OVG Münster entscheiden. Es wäre eine große Überraschung, wenn das OVG die Einstufung der AfD als Verdachtsfall nicht bestätigen würde. Schließlich hat sich die AfD seit 2022 nicht gemäßigt, im Gegenteil. 

Verfassungsschutz hat neue Beweise vorgelegt

Rechtlich maßgeblich ist für die Einstufung die Lage heute. Das Bundesamt für Verfassungsschutz hat Anfang 2024 auch große Mengen neue Beweise gegen die AfD vorgelegt. Inzwischen umfassen die Verfahrensakten rund 15.000 Blatt. Die neue Materialsammlung war so umfangreich, dass sogar der Beginn der Verhandlung um mehrere Wochen verschoben werden musste. 

Spannender als die Einstufung als Verdachtsfall wäre die Frage, ob die AfD inzwischen bereits eine gesichert verfassungsfeindliche Bestrebung ist. Doch darum wird es in Münster nicht gehen. Das Bundesamt für Verfassungsschutz bereitet laut Medienberichten zwar eine derartige Hochstufung der AfD vor, will aber zunächst das kommende Urteil des OVG Münster auswerten. 

Immerhin in drei Bundesländern - Sachsen, Thüringen und Sachsen-Anhalt - haben die dortigen Verfassungsschutz-Ämter die AfD-Landesverbände als gesichert extremistisch eingestuft. Dazu laufen aber eigene Gerichtsverfahren. 

Die AfD sieht sich in der Opferrolle

Die Einstufung der AfD als Verdachtsfall, um die es diese Woche in Münster geht, hatte zur Folge, dass die AfD im Verfassungsschutzbericht 2022 aufgeführt wurde. Die damit verbundene Stigmatisierung hat der AfD bisher allerdings nicht geschadet. Es ist ihr vielmehr gelungen, bei ihren Anhängern den Verfassungsschutz als ein Instrument darzustellen, das von den etablierten Parteien zur Ausgrenzung der AfD genutzt wird.

Außerdem ermöglicht die Einstufung als Verdachtsfall die Überwachung der AfD mit nachrichtendienstlichen Mitteln, insbesondere mit Spitzeln (so genannten V-Leuten). Die AfD versucht, aber auch dies zu ihren Gunsten zu nutzen. Möglicherweise stammen besonders radikale Formulierungen ja von staatlich bezahlten Provokateur*innen, unken die AfD-Anwält*innen. 

Neben der Einstufung der AfD wird es in Münster in weiteren Verfahren auch um die Bewertung der Jungen Alternative und des "Flügels" gehen. Doch die wichtigste Frage ist natürlich die Einstufung der AfD-Bundespartei, die derzeit von Alice Weidel und Tino Chrupalla angeführt wird. 

Autor*in
Avatar
Christian Rath

ist rechtspolitischer Korrespondent.

Weitere interessante Rubriken entdecken

2 Kommentare

Gespeichert von Tom Kaperborg (nicht überprüft) am Mi., 13.03.2024 - 09:39

Permalink

Jedem Verdacht gegen die afd ist nachzugehen und Konsequenzen sind implemntieren, aber dass diese PArtei gefaehrlich wird liegt am Migrationsthema - sieht man in ganz Europa bei den Wahlen. Nur "hartes Abweisen" von Fluechtligen wird die unkontrollierte Einwanderung verbunden mit wahrgenommener Ueberforderung der GEsellschaft stoppen. Wird die PArtei verboten, wird man npd o. 3. weg oder so was waehlen - mehr GEwalt wird es auch geben - siehe Irland. Die Migrationsstroeme sollen doch bitte moeglichst in die "VErursacherlaender" stattfinden - also Iran, Saudiarabien usw. Belarus u. RUS sollen doch bitteschoen die eingeflogenen MAenner, die sich teils mit Gewalt Zutritt zur EU z. B. an der polnischen Grenze verschaffen wollen, behalten, das geht eben nur mit Gewalt und hohen Strafen bei illegalem Grenzuebertritt. CDU u. FDP haben es teils verstanden, die SPD kaum und die Gruenen gar nicht, der afd ist es eigenlicht egal, die wollen nur an die MAcht und bis dahin auf dem PArlamentsticket ihren komfortablen Lebensstandard sichern. Die kuenftigen Wahlen werden es zeigen, ob man weiterhin Prinzipienreiterei betreiben kann - ich will auch nicht mehtr laenger "helfen". Solche rechten PArteien verschwinden in der BEdeutungslosigkeit, wenn das Thema tatsaechlich geklaert ist. Ist im gesamten "Westen" so: USA mit dem "Border-Thema" und den magas, Spanien mit vox, Irland mit Gewaltausbruechen in den Staedten, Ungarn mit Wiederwahl von Orban, Oesterreich mit FPOE, Frankreich mit FN, GB mit ukip, Portugal mit den letzten Wahlergebnissen ... koennte man endlos fortsetzen. Das Thema ueberstrahlt alle anderen und kann nicht laenger abgetan werden. Beschimpfungen a la "Rassist" habe ich auch schon hinter mir fuer meinen Standpunkt - das Stellen in die rechte Ecke fuehrt vielleicht auch dazu, dass so mancher dort stehen bleibt. Im uebrigen besteht mein BEkanntenkreis zu einem erheblichen Teil aus Migranten.

Erklären Sie mal bitte den Unterschied zwischen "hartes Vorgehen" und "wohltemperierten Grausamkeiten". Ich sehe keinen, jedenfalls keinen inhaltlichen- si sagen das, was auch anderenorts hierzu gesagt wird, und dennoch auf entschiedenen Widerspruch stoßen muss. Wir brauchen all die zuwandernden jungen Männer, weil wir sonst wegen der Demographie unsere Rentenzahlungen nicht mehr finanzieren können. daher ist "Migration" die Erfolgsgeschichte Deutschlands im 21 Jahrhundert. Das lass ich nicht mi8esmachen, und weiß damit die Partei hinter mir