Das Frauenwahlrecht und der lange Weg zur Parität
37 Frauen sind es, die am 19. Januar 1919 bei der Wahl zur Deutschen Nationalversammlung in den Reichstag gewählt wurden. Zum ersten Mal waren neben Männern auch Frauen wahlberechtigt, die am Wahltag das 20. Lebensjahr vollendet hatten. Von den rund 17 Millionen Frauen gaben 82 Prozent ihre Stimme ab. Mit den vier Frauen, die später nachrückten, betrug ihr Anteil im Reichstag insgesamt 9,7 Prozent. Was zunächst wenig klingen mag, ist über viele Jahrzehnte viel, denn erst mehr als 60 Jahre später wird dieser Prozentsatz mit der Bundestagswahl im März 1983 überschritten. 51 Frauen schafften den Sprung ins Parlament, was einem Anteil von 9,8 Prozent entsprach. Erst mit der Wahl zum 11. Bundestag im Jahr 1987 erreichten Frauen mit 15,4 Prozent einen zweistelligen Wert.
Luise Zietz, Marie Juchacz, Louise Schroeder und mehr
Von den 37 im Jahr 1919 ins Parlament gewählten Frauen gehörten 22 der SPD und USPD an (19 sind Mitglied der SPD und drei Mitglied der USPD). Darunter so bekannte wie Luise Zietz, die bereits 1908 eine Quotierung im Parteivorstand der SPD durchsetzte, Louise Schroeder, die ab 1946 Oberbürgermeisterin in Berlin wurde, Elfriede Ryneck, Tochter der Frauenrechtlerin Pauline Stegemann sowie Elisabeth Röhl, Schwester von Marie Juchacz. Letztere hielt am 19. Februar 1919 als erste Frau in der Weimarer Nationalversammlung eine historische Rede. Unvergessen bleibt ihre Umkehrung der traditionellen bürgerlichen Höflichkeitsformel zu Beginn ihrer Ansprache: Statt mit „Meine Damen und Herren“ sprach sie die versammelten Abgeordneten mit „Meine Herren und Damen“ an. Im selben Jahr noch wird sie die Arbeiterwohlfahrt gründen, einen sozialdemokratischer Wohlfahrtsverband, der 2019 sein 100-jähriges Jubiläum feierte.
Finnland ging voran
Dass Juchacz im Reichstag sprechen konnte, war Ergebnis eines langen Kampfes für die Rechte der Frauen in Deutschland. Erst seit 1908 durften sie Mitglied einer Partei werden oder politische Versammlungen besuchen. Und erst im November 1918 räumte der Rat der Volksbeauftragten Frauen im Zuge der Novemberrevolution das aktive und passive Wahlrecht ein.
In Finnland waren die Frauen zu diesem Zeitpunkt bereits weiter. Als erstes Land in Europa wurde dort bereits 1906 das Frauenwahlrecht eingeführt. Norwegen folgte 1913, Dänemark und Island 1915. Liechtenstein ist das letzte Land Europas, in dem Frauen das Wahlrecht erst 1984 erhielten.
Paritätsgesetz muss noch kommen
Der Weg zum Frauenwahlrecht war lang und nur ein Schritt auf dem Weg zu mehr Gleichberechtigung. Denn die Geschichte zeigt, dass es mit dem Wahlrecht alleine auch heute nicht getan ist. 34,8 Prozent beträgt der Anteil von Frauen im 20. Deutschen Bundestag, der 2021 gewählt wird. Schon seit Jahren kämpfen Frauen in der SPD deshalb für ein Paritätsgesetz. Ursprünglich sollte es Teil der Wahlrechtsreform werden, die im März dieses Jahres beschlossen wurde und die Verkleinerung des Bundestages zum Ziel hat. Das ist nicht gelungen. Doch vom Tisch ist das Projekt Parität damit noch nicht. Die Kommission zur Reform des Wahlrechts werde sich damit in den kommenden Monaten befassen, erklärt die Erste Parlamentarische Geschäftsführerin der SPD-Bundestagsfraktion Katja Mast im vorwäerts-Interview. Auch die Absenkung des Wahlalters auf 16 Jahre werde dort noch ein Thema sein. Mast räumt ein: „Dafür bräuchten wir allerdings eine Zweit-Drittel-Mehrheit in Bundestag und Bundesrat.“
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hat Politikwissenschaft und Philosophie in Berlin studiert und ist Redakteurin beim vorwärts.