Regelgröße für den Bundestag

SPD-Politikerin Katja Mast: Neues Wahlrecht stärkt die Demokratie

Kai Doering17. März 2023
Katja Mast, Erste Parlamentarische Geschäftsführerin der SPD-Bundestagsfraktion: Wir haben die konsequenteste Wahlrechtsreform in der Bundesrepublik Deutschland seit Jahrzehnten beschlossen.
Katja Mast, Erste Parlamentarische Geschäftsführerin der SPD-Bundestagsfraktion: Wir haben die konsequenteste Wahlrechtsreform in der Bundesrepublik Deutschland seit Jahrzehnten beschlossen.
Der Bundestag hat die Reform des Wahlrechts beschlossen. „Sie wird unser Parlament und unsere Demokratie stärken“, ist die SPD-Abgeordnete Katja Mast überzeugt – und kündigt weitere Änderungen an.

Es ist lange um eine Verkleinerung des Bundestags gerungen worden. Mit der Reform des Wahlrechts wird das Parlament nun auf 630 Abgeordnete begrenzt. Sind Sie zufrieden?

Wir haben die konsequenteste Wahlrechtsreform in der Bundesrepublik Deutschland seit Jahrzehnten beschlossen. Sie wird unser Parlament und unsere Demokratie stärken. Wir schaffen die Überhang- und Ausgleichmandate ab. Jeder Bundestag wird künftig 630 Abgeordnete haben. Deshalb bin ich zufrieden und freue mich, dass wir als Fortschrittskoalition die notwendige Mehrheit gefunden haben – wieder einmal ohne Zustimmung von CDU und CSU, die sich seit Jahren einer systematischen Wahlrechtsreform verweigern.

Vertreter*innen von CSU und Linkspartei sprechen von einem „Anschlag auf die Demokratie“, weil sie befürchten, künftig nicht mehr im Bundestag vertreten zu sein. Wie bewerten Sie das?

Die Wahlrechtsreform ist das genaue Gegenteil: Sie ist eine Stärkung unserer Demokratie. Je lauter und unverschämter die Angriffe sind, desto mehr ist das Ziel, von eigenen parteitaktischen Vorhaben abzulenken. Das ist aus meiner Sicht hier klar der Fall. Mit der Wahlrechtsreform erfüllen wir das, was die Bürgerinnen und Bürger von uns erwarten, dass wir zu Reformen bei uns selbst fähig sind. Der Wunsch ist seit vielen Jahren groß, den Bundestag zu verkleinern. Dem werden wir jetzt gerecht. Mit der nächsten Wahl wird der Bundestag auf 630 Abgeordnete festgeschrieben. Das sind mehr als 100 weniger als heute.

Das Gesetz würde also auch einer Überprüfung durch das Bundesverfassungsgericht standhalten?

Natürlich kann ich nicht vorhersehen, wie das Bundesverfassungsgericht entscheiden würde. Das steht mir auch nicht zu. Als Koalition haben wir aber alles dafür getan die Wahlrechtsreform gemeinsam der Union zu beschließen. Leider blockiert die CSU wie immer. Ich habe aber keine Angst, sollten die Oppositionsfraktionen tatsächlich vors Bundesverfassungsgericht ziehen.

U.a. aus der SPD gibt es Kritik, weil die Reform nicht genutzt wurde, um auch den Frauenanteil im Parlament zu erhöhen. Schmerzt das?

Die Wahlrechtsreform, die jetzt zur Verkleinerung des Parlaments führt, ist eine wahre Herkulesaufgabe. Wenn wir sie mit weiteren Themen überfrachtet hätten, hätten wir sie heute nicht im Parlament beschlossen. Wir müssen einen Schritt nach dem nächsten machen. Mit dem Thema Parität wird sich die Kommission zur Reform des Wahlrechts in den kommenden Monaten befassen, genauso wie mit der Frage, ob die Legislatur von vier auf fünf Jahre verlängert werden soll. Auch die Absenkung des Wahlalters auf 16 Jahre wird dort noch ein Thema sein. Dafür bräuchten wir allerdings eine Zweit-Drittel-Mehrheit in Bundestag und Bundesrat.

Die Gesprächspartnerin

Katja Mast ist Erste Parlamentarische Geschäftsführerin der SPD-Bundestagsfraktion.

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Kommentare

Direkt gewählte Abgeordnete brächen die Macht der Parteien

Nur direkt gewählte Abgeordnete sind frei von jeglicher Beinflussung. Das ist das, was Bürger sich wünschen.

Dann würden auch nur 299 Abgordnete gewählt.

So aber werden womöglich zukünftige Parlamente nach dem Diktat der Parteien bestimmt.

Widerspruch!

Niemand ist frei von jeglicher Beeinflussung. Es gibt auch kein Diktat der Parteien. Die Wahllisten werden auch in Zukunkft nach demokratischen Abstimmungen festgelegt. Es steht ihnen frei, sich an diesen zeitaufwendigrn Prozessen zu beteiligen.

Wahlrechtsreform

Der heutige Bundestag ist mit seinen 736 Mitgliedern das größte demokratisch gewählte Parlament der Welt. Seine Verkleinerung ist nicht nur aus finanziellen Gründen erforderlich. Allerdings ist die vom Bundestag jetzt beschlossene Wahlrechtsreform in der aktuellen Form demokratisch fragwürdig. Das betrifft vor allem den Wegfall der Grundmandatsklausel. Kleinere, regional verankerte Parteien, die weniger als 5 Prozent der Stimmen, aber durch direkte Wahl Grundmandate in mindestens 3 Wahlkreisen erhalten, sind fortan bei der Berücksichtigung ihrer Landeslistenplätze ausgeschlossen und nicht mehr hinreichend im Parlament repräsentiert. Außerdem sollen zukünftig Kleinparteien nur dann Wahlkreisbewerber/-innen aufstellen dürfen, wenn sie zugleich eine Landesliste einreichen. Dazu sind sie organisatorisch häufig nicht in der Lage. In Artikel 21 des Grundgesetzes heißt es: „Die Parteien wirken bei der politischen Willensbildung des Volkes mit.“ Damit sind nicht nur die großen Parteien gemeint.

Durch die Bezeichnung "Erst"-

Durch die Bezeichnung "Erst"- und "Zweitstimme" hat sich bei nicht wenigen Bürgern und Medien die irrige Meinung verfestigt, das Direktmandat durch die Erststimme habe ein höheres moralisches Gewicht. Dabei muss es erst durch das Zweitstimmenergebnis legitimitiert werden. Zu viele Ausgleichsmandate entstehen, weil wie in Bayern, die Ergebnisse für die CSU zwischen 98% und 32% liegen. Auch die Grundmandatsklausel trägt zur "Aufblähung" des BT bei. Bei der Linkspartei bekamen 36 Abgeordnete von den parteibestimmten Landeslisten einen Sitz. Diese Klausel verletzt auch das Prinzip der Stimmengleichheit. Durch die Aufsplitterung der Parteienlandschaft wird das immer wahrscheinlicher. Beispiel: Die "Freien Wähler" holen in Bayern 3 Direktmandate und haben trotz 2,4% im Bund 39 Sitze im Parlament. Eine FDP mit 4,9% ohne Direktmandat wäre gescheitert. Redliche Mühen um gerechte Lösungen werden unmöglich, wenn dieses Thema als aufputschendes Schlagzeilen- oder Bierzeltthema missbraucht wird.

Wahlrechtsreform

Das Alles erscheint mir nicht Verfassungskonform. Was sit mit parteilosen Einzelbewerbern ? Direkt gewählte Abgeordnete sind direkt ansprechbar - aber über die Listenkandidaten entscheiden nicht die Bürger sondern die Parteien. Da braucht man sich gar nicht wundern weenn Wahlprogramm und Regierungsrealität weit auseinander klaffen.