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SPD wirbt für Landtagswahl in Sachsen mit Nazi-Gegner Wilhelm Leuschner

80 Jahre ist es her, dass Wilhelm Leuschner von den Nazis hingerichtet wurde. Für die SPD Halle ein Grund, an den sozialdemokratischen Widerstandskämpfer zu erinnern und zugleich die sächsischen Genoss*innen im Landtagswahlkampf zu unterstützen.

von Jonas Jordan · 15. August 2024
Mit einer Flyer- und Plakat-Aktion erinnert die SPD Halle in Leipzig an Wilhelm Leuschner.

Mit einer Flyer- und Plakat-Aktion erinnert die SPD Halle in Leipzig an Wilhelm Leuschner.

Nur knapp 35 Kilometer sind es auf kürzestem Weg von Halle an der Saale in Sachsen-Anhalt bis zum Wilhelm-Leuschner-Platz in Leipzig. Insofern darf das, was die Genoss*innen aus der Händel-Stadt am Donnerstagabend planen, gut und gerne in die Kategorie Nachbarschaftshilfe im sächsischen Landtagswahlkampf verbucht werden. Sie machen sich auf den Weg, um die dortige SPD zu unterstützen, aber auch um an einen berühmten Sozialdemokraten zu erinnern, der vor 80 Jahren von den Nazis hingerichtet wurde.

„Wilhelm Leuschner würde das Richtige tun“

Wilhelm Leuschner war Gewerkschafter, in der Zeit der Weimarer Republik hessischer Innenminister und während des Nationalsozialismus Widerstandskämpfer. Wäre das Stauffenberg-Attentat am 20. Juli 1944 erfolgreich gewesen, Hitler getötet und die Nazis gestürzt worden, wäre Leuschner vermutlich anschließend Vizekanzler geworden. So aber wurde er am 16. August 1944 festgenommen, unter dem berüchtigten Nazi-Richter Roland Freisler zum Tode verurteilt und am 29. September 1944 in Berlin-Plötzensee hingerichtet.

Bereits ein Jahr später wurde in Leipzig nach Kriegsende und dem Sturz der Nationalsozialist*innen ein Platz nach ihm benannt, der am südlichen Abschnitt des Innenstadtrings liegt. Dort wollen Sozialdemokrat*innen aus Halle gemeinsam mit Jusos aus Leipzig und Halle am Donnerstagabend ab 19 Uhr Plakate aufhängen und Flyer verteilen. Sie zeigen Leuschner während der Verhandlung, die eher ein Schauprozess war, am Volksgerichtshof. Zu lesen ist darauf „Wilhelm Leuschner würde das Richtige tun“. Was „das Richtige“ ist, wird ebenfalls aufgelöst mit der Aufforderung, am 1. September bei der sächsischen Landtagswahl SPD zu wählen.

Ein klares Zeichen gegen Rechtsextremismus

Auf der Rückseite wird Leuschners Schicksal noch einmal erläutert und an seinen Mut erinnert. „Eventuell könnte das Leipzig auch noch mal mitaufrütteln, um ein paar Stimmen für die Sozialdemokratie zu sammeln“, hofft Stefan Will, Geschäftsführer der SPD in Halle. Zum anderen wollen sie deutlich machen, „dass Sozialdemokraten bei sieben oder acht Prozent kein untergehender Verein sind, sondern dass Leute wie Leuschner die Grundlagen dafür gelegt haben, dass wir heute in einer freiheitlichen, friedlichen Demokratie leben können. Das wird zu wenig gewürdigt“, sagt Will.

Das Ziel der Aktion, die am Donnerstagabend um 19 Uhr am Wilhelm-Leuschner-Platz startet, ist zum einen, ein klares Zeichen gegen Rechtsextremismus zu setzen, aber auch gegen die Behauptung, die Sozialdemokratie sei an vielem Schuld. Bis heute wird auf Demonstrationen von rechts wie links häufig die Parole „Wer hat uns verraten? Sozialdemokraten“ skandiert. „Das ärgert mich sehr. Unsere Leute sind in den Tod gegangen. Sozialdemokraten haben immer auf der freiheitlichen Seite und auf der Seite der Opfer gestanden. Das reicht bis heute bis zur Verkehrung von Opfern und Tätern im Ukraine-Krieg. Das hätte Wilhelm Leuschner auch nicht gut gehalten“, sagt Will.

Autor*in
Jonas Jordan
Jonas Jordan

ist Redakteur des „vorwärts“. Er hat Politikwissenschaft studiert und twittert gelegentlich unter @JonasJjo

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1 Kommentar

Gespeichert von Rudolf Isfort (nicht überprüft) am Fr., 16.08.2024 - 18:56

Permalink

Marion Gräfin Dönhoff hat – einseitig, darum unzulässig – den 20. Juli 1944, Symbol für den Widerstand im Hitlerdeutschland, „um der Ehre willen“, für den Adel vereinnahmt.
Die „SPD Halle“ eignet sich den 20.Juli 1944 an, „um ein paar Stimmen für die Sozialdemokratie zu sammeln“: Das mutige Ereignis, das es uns Deutschen 1945 ff. erlaubte, wenigstens halbwegs aufrecht gehen zu dürfen, wird von der SPD instrumentalisiert, um die Folgen ihrer heutigen Politik zu begrenzen. Das ist erbärmlich.

Der Vorsitzende Klingbeil, „Stratege des Jahres“ 2022, demnächst Ritter „Wider den Tierischen Ernst“, versucht seit 2022 die von ihm forcierte Militarisierung des SPD-Politik, - es wurde hier oft darüber geschrieben, eine Wiederholung ist also nicht nötig – mit Brandt, Bahr und Schmidt zu begründen. Das hat bei der Europa-Wahl deutlich nicht verfangen. Seine Erklärung der Wahlergebnisse in „der sogenannten Elefantenrunde der Parteivorsitzenden bei n-tv im Nachgang der Europawahl“ (Spiegel, 10.06.2024) damit, die AfD sei eine Nazi-Partei, war schon statistisch völlig unterkomplex. Für den Krieg in der Ukraine, eindeutig von der Russischen Föderation völkerrechtswidrig begonnen, keinen anderen Friedensplan zu haben, als ihn bis zum Ausbluten Russlands fortzusetzen – und die Ukraine? -, weil Putin seine Armeen nicht freiwillig zurückziehen wird, ist für viele SPD-Wähler ein grundsätzliches Problem, das noch dadurch schwerwiegender wird, dass „Amerika, ... an der Seite der Ukraine steht, weil es in unserem strategischen Interesse ist" (Kamala Harris). Die Nato, also die USA, offizielle Nato-Strategie, fasst sogar das Südchinesische Meer als ihre „geostrategische Umgebung“ auf, in der sie nach dem Rechten sehen möchte. Auch die analytische Engführung der Analyse der Kriegsvorgeschichte, wie sie die SPD und (fast) alle unsere Parteien betreiben, wird von vielen SPD-Wählern verworfen. Dagegen hilft das Ärgern Wills über die angebliche „Verkehrung von Opfern und Tätern im Ukraine-Krieg“ gar nicht, genauso wenig, wie die historische Aneignung des 20. Juli 1944 durch die „SPD Halle“.

Der SPD helfen würde nur ein Friedensschluss für die Ukraine.