Accountsperren: Was die Bundesregierung gegen Hass und Hetze plant
IMAGO/Wolfgang Maria Weber
Wer massiv von Hass im Netz betroffen ist, soll künftig die Sperrung von Hetz-Accounts durchsetzen können. Das plant Justizminister Marco Buschmann (FDP). An diesem Mittwoch hat er Eckpunkte für ein Gesetz zum Schutz gegen „digitale Gewalt“ vorgelegt.
Anspruch auf Sperrung von Hetz-Accounts geplant
Zentraler Punkt des geplanten Gesetzes ist ein zivilrechtlicher Anspruch gegen Plattformbetreiber auf Sperrung von Hetz-Accounts. Dabei müssen allerdings mehrere Voraussetzungen erfüllt sein: Eine betroffene Person muss durch den Hetz-Account schwerwiegend in ihren Persönlichkeitsrechten verletzt worden sein. Die bloße Löschung eines beleidigenden Hassposts durch die Plattform-Moderation darf nicht genügen. Die Account-Sperrung wäre also vor allem dann möglich, wenn ein*e Hetzer*in sein Opfer immer wieder im Netz beleidigt oder verleumdet und deshalb eine Wiederholungsgefahr besteht.
Ein solcher Anspruch würde damit erstmals gesetzlich normiert und soll leicht handhabbar sein. So wäre eine Account-Sperrung auch dann möglich, wenn der reale Name des Inhabers oder der Inhaberin nicht bekannt ist, es genügt der Name des Accounts, zum Beispiel „AdolfsFreund“. In offenkundigen Fällen könnte das Landgericht eine einstweilige Anordnung erlassen. Die Accountsperrung könnte damit binnen weniger Tage umgesetzt werden.
Sperre auf Zeit
Minister Buschmann betont, dass dadurch die gesellschaftliche Debatte nicht eingeschränkt werden soll. Was bisher legal gesagt werden kann, könne auch künftig in sozialen Netzwerken gepostet werden. Auch anonyme Äußerungen seien weiterhin gesetzlich zulässig. Es gehe nur um eine verbesserte Durchsetzung der Rechte der Hass-Betroffenen. Der Schutz vor „digitaler Gewalt“ sei keine Gefahr für den freien Diskurs, sondern schütze ihn.
Dennoch hat Buschmann auch die Interessen derjenigen im Blick, deren Account gesperrt werden soll. Diese müssten vor der Sperrung vom jeweiligen Provider über den vorliegenden Antrag informiert werden. Ihnen müsse auch Gelegenheit zur Stellungnahme gegeben werden. Damit und durch die richterliche Entscheidung soll sichergestellt werden, dass Sperr-Anträge nicht missbraucht werden, um legitime Kritik zu unterdrücken. Zudem sollen Account-Sperren „nur für einen angemessenen Zeitraum“ angeordnet werden. Details zur maximalen Dauer nannte Buschmann noch nicht.
Leichter auf Schadensersatz klagen
Neben den Accountsperren sollen die Hass-Betroffenen auch bessere Auskunftansprüche über die hetzende Person erhalten. Sie sollen künftig leichter herausfinden können, wer sich etwa hinter dem Hetz-Pseudonym „AdolfsFreund“ verbirgt. Deshalb sollen Plattform-Betreiber künftig die IP-Adresse des Hetz-Accounts herausgeben müssen. Mit der IP-Adresse kann in einem einem zweiten Schritt beim Telekom-Provider erfragt werden, welche reale Person im fraglichen Zeitpunkt diese IP-Adresse benutzte. Am Ende könnte diese Person zum Beispiel auf Schadenersatz verklagt werden oder es könnte eine Strafanzeige gestellt werden. Bisher bestand kein Anspruch auf Nutzerdaten wie die IP-Adresse. Gegen anonyme Hetzer*innen konnte daher nur schwer vorgegangen werden.
Die rechtspolitischen Verbände haben nun bis zum 26. Mai Zeit, zu Buschmanns Eckpunkten Stellung zu nehmen. In der zweiten Jahreshälfte will der Justizminister dann einen Gesetzentwurf vorlegen, über den wie üblich der Bundestag entscheiden muss. Eine Mehrheit in der Ampel-Koalition dürfte sicher sein, denn das Vorhaben ist im Koalitionsvertrag abgesichert. "Wir (...) ermöglichen richterlich angeordnete Accountsperren", heißt es dort.
Für einen Anspruch auf Accountsperren haben sich auch schon so unterschiedliche Gruppierungen wie die Gesellschaft für Freiheitsrechte, Hate-Aid, der Deutsche Juristinnenbund und der Bund Deutscher Kriminalbeamt*innen eingesetzt.
Frauen besser schützen
Die zuständige Berichterstatterin der SPD-Bundestagsfraktion, Carmen Wegge, betont insbesondere die Notwendigkeit, Frauen besser zu schützen, da diese die Hauptbetroffenen von digitaler Gewalt seien. Sie fordert: „Neben der Strafverfolgung im Einzelfall brauchen wir Mittel um die Sichtbarkeit und den Einfluss von auch anonymen „Hass-Accounts“ zu mindern und die Betreiber sozialer Netzwerke in die Pflicht zu nehmen.“ Zudem solle geprüft werden, das Verfahren auch für Betroffenenorganisationen zu öffnen.