„Jetzt ist der richtige Zeitpunkt, ein AfD-Verbot auf den Weg zu bringen.“
Auf ihrem Parteitag hat die SPD beschlossen, ein AfD-Verbot zu prüfen. Den entsprechenden Initiativantrag brachte die Vorsitzende der SPD Meerbusch, Chantal Messing, ein. Sorge hat sie vor allem vor der Bundestagswahl 2029.
Dirk Bleicker / vorwärts
Der AfD die rote Karte zeigen: Chantal Messing will, dass ein Verbotsverfahren geprüft wird.
In den vergangenen Tagen sind wieder hunderttausende Menschen überall in Deutschland gegen die AfD und für die Demokratie auf die Straße gegangen – am Sonntag rund 1.000 auch in Meerbusch. Wie ist es dazu gekommen?
Zunächst hatte das parteiübergreifende Bündnis „Meerbusch gegen Rechts“ dazu aufgerufen, sich den großen Demonstrationen im Umkreis anzuschließen. Wir wollten nicht mit anderen Organisationen, z.B. den Demos in Köln oder in Düsseldorf, zeitgleich konkurrieren, sondern mitunter selbst dort teilnehmen. Es gab dann aber immer mehr Menschen aus Meerbusch, die den verständlichen Wunsch äußerten, auch vor Ort ein deutliches Zeichen zu setzen. So kam es dazu, dass am Sonntag auch hier eine Kundgebung stattgefunden hat, die innerhalb weniger Tage perfekt organisiert wurde.
Auch wenn die AfD hier bei der letzten Kommunalwahl 2020 gerade mal 1,4 Prozent holen konnte und demnach quasi keine Rolle spielt, ist die Gefahr, die von dieser Partei für ganz Deutschland ausgeht, nicht zu unterschätzen. Deshalb ist so eine Kundgebung, gerade auch in einer Stadt wie Meerbusch, ein starkes Signal. Das fühlt sich richtig gut an und das macht mich stolz, denn das ist sehr richtig und wichtig.
Das Bündnis „Meerbusch gegen Rechts“ gibt es bereits seit 2015. Wie wichtig ist solch eine Struktur, um sich schlagkräftig organisieren zu können?
Es wäre sicher gut, wenn es ähnliche Bündnisse an viel mehr Orten geben würde. Ich kann nur dazu aufrufen, solche Bündnisse zu gründen, wenn noch nicht geschehen. „Meerbusch gegen Rechts“ ist vor Ort sehr gut vernetzt, d.h. man weiß sofort, wen er oder sie ansprechen muss. Das beschleunigt vieles. Hinzu kommt, dass das Bündnis parteiübergreifend arbeitet, was wiederum mehr Menschen zum Mitmachen anspricht. Es ist etwas ganz anderes, ob ein solcher Zusammenschluss zu einer Demo aufruft oder etwa eine Partei allein. Ich bin deshalb sehr froh, dass es das Bündnis gibt und danke allen, die sich dafür engagieren.
Auf dem Bundesparteitag der SPD im Dezember haben Sie einen Initiativantrag eingebracht, der die Prüfung eines AfD-Verbots fordert. Was versprechen Sie sich von solch einer Prüfung?
Mich beschäftigt schon länger die Frage, wie es zum Nationalsozialismus und damit verbunden zum Holocaust kommen konnte. Und was ich tun kann, um so etwas für die Zukunft zu verhindern. Als 2021 der Thüringer Landesverband als erster AfD-Verband als erwiesen rechtsextrem eingestuft wurde, war ich froh und dachte, nun passiert endlich etwas. Aber es ist bis dato leider nichts passiert. Etwas später folgten dann auch die gleichen Feststellungen für die AfD-Landesverbände Sachsen-Anhalt und Sachsen. Und jetzt gilt ja auch die „Junge Alternative“ als gesichert rechtsextrem. Das darf man politisch nicht stillschweigend akzeptieren. Ich möchte jedenfalls nichts unversucht lassen, eine Katastrophe, die sich ereignen könnte, abzuwenden. Das bedeutet „Nie wieder!“ ganz konkret für mich. Deshalb bin ich dafür, nichts unversucht zu lassen, was die AfD schwächt und uns damit gleichzeitig eine bessere Zukunft sichert. Die Prüfung eines Verbotsverfahrens gehört also definitiv dazu. Jetzt braucht es – parteiübergreifend – den politischen Willen und die nötige Entschlossenheit.
Ihr Antrag wurde vom Parteitag angenommen. Nun müssen sich SPD-Parteivorstand und -Bundestagsfraktion dazu verhalten. Was ist Ihre Erwartung?
Parteivorstand und Fraktion beschäftigen sich jetzt mit der Frage, ob sie die Prüfung eines Verbotsverfahrens für geboten halten. Der „Ini-Antrag 16“ beinhaltete auch den Punkt, eine gewisse Transparenz in die Partei und Öffentlichkeit zu schaffen. Die Debatten sind also jetzt zu führen, denn sie sind wichtig. Es braucht nicht nur politische Mehrheiten, sondern auch die breite Zustimmung der Zivilgesellschaft für ein Verbotsverfahren. Da passiert gerade immer mehr. Mit klaren Positionen und dem offenen Diskurs kann man auch gesellschaftliche Mehrheiten, den erforderlichen Rückhalt, gewinnen. Ich finde es daher sehr erfreulich und lobenswert, dass sich immer mehr aus der Partei offen zu einem AfD-Verbot positionieren. Das erhoffe ich mir aber noch von viel mehr Personen innerhalb der Partei.
Chantal
Messing
Die SPD ist ja zurecht stolz darauf, seit jeher das Bollwerk gegen Rechts zu sein. Das kann und das wird sie, wenn es nach den vielen und mir geht, auch jetzt wieder unter Beweis stellen.
Die Prüfung eines Verbotsverfahrens dauert eine Weile. Wann sollte es ein Ergebnis geben?
Mitte März erwartet man ein wichtiges Urteil vom Oberverwaltungsgericht Münster. Konkret geht es dabei darum, ob die Einstufung der gesamten AfD als rechtsextremistischer Verdachtsfall, wie sie vom Bundesamt für Verfassungsschutz bereits vorgenommen wurde, bestätigt wird. Wäre dem so, worauf ich hoffe, erwarte ich zeitnah eine klare Aussage der SPD, wie sie zu einem Verbotsverfahren gegen die Gesamtpartei steht. Denn das wäre ein gutes Zeichen dafür, dass ein gut begründeter Antrag Aussicht auf Erfolg hätte. Diese ganzen Einstufungen sind gute Eckpfeiler auf dem Weg, den ich für richtig halte. Ich sehe nämlich vor allen Dingen die Chancen eines Verbotsverfahrens. Dazu kommt: Wenn ein Verbotsverfahren gegen die gesamte AfD juristisch möglich ist und dazu noch eine gute Aussicht auf Erfolg besteht, dann liegt es in unserer Verantwortung bzw. ist es unsere Pflicht, genau ein solches Verfahren mit ganzer Kraft anzustrengen.
Nach den Correctiv-Enthüllungen sind die Stimmen aus der SPD, die die Prüfung eines Verbotsverfahrens fordern, deutlich mehr geworden. Freut Sie das?
Es freut mich nicht nur, sondern erleichtert mich vor allem. Dass sich z.B. die BayernSPD zuletzt für solch eine Prüfung ausspricht oder auch eine erste Gruppe von Bundestagsabgeordneten mit Migrationshintergrund stimmt mich sehr dankbar. Die SPD ist ja zurecht stolz darauf, seit jeher das Bollwerk gegen Rechts zu sein. Das kann und das wird sie, wenn es nach den vielen und mir geht, auch jetzt wieder unter Beweis stellen.
Chantal
Messing
Die Partei muss das Thema jetzt breit diskutieren und sich letztlich klar und entschlossen positionieren.
Viele sagen, ein Verbotsverfahren käme für die Wahlen in diesem aber auch für die Bundestagswahl im kommenden Jahr zu spät.
Das Ergebnis eines erfolgreichen Verbotsverfahrens käme für die Bundestagswahl 2025 vermutlich zu spät, wobei es auch zuversichtliche Stimmen unter Verfassungsrechtler*innen gibt, die ein Urteil bereits in 2025 für vorstellbar halten. Unabhängig davon: Um 2025 geht's mir ehrlich gesagt weniger. Mein Blick gilt der jetzigen notwendigen Debatte und eher der übernächsten Bundestagswahl, also voraussichtlich 2029, mit einem Höcke als möglichem Kanzlerkandidaten. Bis dahin, da sind sich wohl die meisten Expertinnen und Experten einig, könnte ein Verfahren gegen die gesamte AfD abgeschlossen sein. Deshalb ist jetzt der allerbeste Zeitpunkt, juristischen Einschätzungen einzuholen, breite Debatten zu führen und letztlich zu einem Ergebnis zu kommen und zu handeln. Ich beschäftige mich, wenn es um die Gefahr, die von der AfD ausgeht, heute also eher mit „der ferneren Zukunft“. Und ich bin fest davon überzeugt, dass Björn Höcke ebenfalls in langen Linien denkt. Wer ihm gut zuhört, darf das zumindest annehmen. Deshalb ist gerade jetzt der richtige Zeitpunkt, ein AfD-Verbot auf den Weg zu bringen. Nächstes Jahr, so meine Befürchtung, kann es schon zu spät sein.
Als Vorsitzende haben Sie bereits angekündigt, dass die SPD Meerbusch in diesem Frühjahr intensiv darüber diskutieren will, was eine wehrhafte Demokratie ausmacht und was es dafür braucht. Was haben Sie vor?
Bei unserer nächsten Mitgliederversammlung am 28. Februar werden wir intensiv über das Für und Wider eines AfD-Verbotsverfahrens diskutieren und mein Ziel als Vorsitzende ist, dass am Ende des Abends eine klare Positionierung steht, die in ihrer Formulierung und Zielsitzung eine möglichst breite Zustimmung innerhalb meines Ortsvereins findet. Allen kann und wird man es nie recht machen, so ehrlich muss man sein. Aber das machen die Debatte und ein etwaiger politischer Streit in der Sache ja auch spannend und so wertvoll. Die Meinungen zum AfD-Verbot bzw. die Vorstellungen, welche anderen Instrumente es gegen die AfD gäbe, gehen bestimmt auch bei uns vor Ort auseinander. Deshalb finde ich es wichtig, vor Ort einen Debattenraum für alle meine Mitglieder zu schaffen, wo Bedenken, Argumente und Ideen auf den Tisch kommen. Wir werden uns mit Zukunftsszenarien, verschiedenen Perspektiven und unserer besonderen Verantwortung beschäftigen. Ich würde mich freuen, wenn möglichst viele andere SPD-Ortsvereine das auch machen. Die Partei muss das Thema jetzt breit diskutieren und sich letztlich klar und entschlossen positionieren.
Dirk Bleicker | vorwärts
ist stellvertretender Chefredakteur des vorwärts. Er betreut den Bereich Parteileben und twittert unter @kai_doering.
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