Warum es ohne SPD keine Gleichberechtigung im Grundgesetz gäbe
Vier Frauen waren es, die im Parlamentarischen Rat von September 1948 bis Mai 1949 in Bonn tagten. Unter den insgesamt 65 stimmberechtigten Abgeordneten machten sie einen Anteil von gerade einmal sechs Prozent aus, die das Grundgesetz für die Bundesrepublik Deutschland verabschiedeten, das im Mai 1949 in Kraft trat. Zwei der Frauen, Friederike Nadig und Elisabeth Selbert, waren Mitglieder der SPD. Vor allem Selbert ist wohl zu verdanken, dass in Artikel 3 Absatz 2 die Gleichberechtigung der Geschlechter im Grundgesetz festgeschrieben wurde. „Alle Menschen sind vor dem Gesetz gleich. Männer und Frauen sind gleichberechtigt“ heißt es hier – bis heute.
Elisabeth Selbert schafft das Unmögliche
Glück gehabt, denn ein bereits im Dezember 1948 vorgestellter Antrag zur Gleichberechtigung mit eben gleicher Formulierung wurde im Hauptausschuss zunächst abgelehnt. Übrigens auch von den zwei weiteren Frauen im Rat, der CDU-Politikerin Helene Weber und der Zentrumsabgeordneten Helene Wessel. Beide, so schreibt es die Historikerin Kerstin Wolff, trugen die konservative Grundeinstellung ihrer Parteien mit – auch wenn es um Frauenrechte ging. Mit einer laut Wolff „geschickt eingefädelten Kampagne der SPD-Frauen“, gelang es vor allem Herta Gotthelf als Frauensekretärin und Elisabeth Selbert, das Thema in der Öffentlichkeit präsent zu halten und in Ansätzen zu skandalisieren.
Mit Erfolg: Nach einer erneuten Debatte im Hauptausschuss wurde schließlich die Formulierung „Männer und Frauen sind gleichberechtigt“ am 18. Januar 1949 einstimmig angenommen. Damit war zwar ein erster Sieg errungen, doch dauerte es nahezu zehn Jahre, bis ein erstes entsprechendes Gesetz zur Gleichberechtigung am 1. Juli 1958 in Kraft treten konnte. Und das war nicht dem Bundestag zu verdanken, sondern dem Bundesverfassungsgericht. Denn die konservative CDU unter Konrad Adenauer führte die damalige Bundesregierung an, Elisabeth Selbert verpasste den Einzug ins Parlament.
Trotz Gleichheit: Einschränkungen bleiben
Einschränkungen blieben trotz Gleichberechtigungsgesetz. Haushaltsführung beispielsweise blieb Frauensache, der Ehemann konnte das Arbeitsverhältnis seiner Frau kündigen und ein sogenanntes Doppelverdienergesetz erlaubte die Entlassung verheirateter Beamtinnen. Das gesamte Ehe- und Scheidungsrecht wurde erst während der sozialliberalen Koalition (ab 1969) unter Willy Brandt grundlegend reformiert.
In der DDR hingegen war man mit einem bereits 1953 verkündeten „Gesetz über die Rechte der Frauen“ einige Schritte weiter. Die Verantwortung für die Familie wurde als gesellschaftliche Aufgabe gesehen, Kinderbetreuung staatlich organisiert.
Koalitionsvertrag: Gleichstellung bis 2030 erreichen
Und heute? Die Liste struktureller Ungleichheit zwischen Frauen und Männern ist lang: Jährlich erinnern uns etwa ein Equal Care Day über die unfaire Verteilung von Fürsorgearbeit und ein Equal Pay Day über die Entgeltlücke daran, dass noch viel zu tun ist, wenn es um Gleichberechtigung der Geschlechter geht. Bis 2030 will die SPD die Gleichstellung zwischen Männern und Frauen erreichen, heißt es auch im Koalitionsvertrag. Dort steht geschrieben: „Wir werden die ressortübergreifende Gleichstellungsstrategie des Bundes weiterentwickeln, u. a. mit einem Gleichstellungs-Check künftiger Gesetze und Maßnahmen. Wir werden den Gender Data Gap schließen, z. B. im medizinischen Bereich. Wir setzen uns in der EU und international für eine intersektionale Gleichstellungspolitik ein. So kommen wir etwa der UN-Frauenrechtskonvention (CEDAW) nach. Dazu gehört auch eine gleichstellungsorientierte Jungen- und Männerpolitik.“
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hat Politikwissenschaft und Philosophie in Berlin studiert und ist Redakteurin beim vorwärts.