Geschichte

So klingt der „Vorwärts“ als Hörspiel

Kann man aus einer Zeitung ein Hörspiel machen? Andreas Karmers hat es getan und die letzte „Vorwärts“-Ausgabe vor dem Verbot durch die Nazis vertont. Um sie als CD herauszubringen, braucht er jedoch Hilfe.
von Kai Doering · 9. August 2016
Vertonung des vorwärts
Vertonung des vorwärts

„Riesenbrand im Reichstag“ titelt der „Vorwärts“ am 28. Februar 1933. Stunden zuvor, am Abend des 27. Feburar, hatte ein Feuer schwere Schäden am Reichstagsgebäude in der Berliner Innenstadt hinterlassen. Der Himmel habe weithin rot geleuchtet. 15 Löschzüge der Feuerwehr seien im Einsatz gewesen. Erst um kurz nach Mitternacht habe die Feuerwehr den Brand unter Kontrolle gehabt. So berichtete der „Vorwärts“.

Was zum Erscheinen der Morgenausgabe noch niemand ahnte: Es sollte für viele Jahre die letzte Ausgabe des „Vorwärts“ gewesen sein. Noch am selben Tag wurde die Redaktion gestürmt, die bereits gedruckte Abendausgabe beschlagnahmt. Redakteure wurden verhaftet und der „Vorwärts“ offiziell verboten.

Vertonung einer Zeitung als Traum

„Mich hat die Schlagzeile sofort elektrisiert“, sagt Andreas Karmers. Vor etwas mehr als zwei Jahren fiel dem Hamburger ein Exemplar der „Vorwärts“-Ausgabe vom 28. Februar 1933 bei einem befreundeten Grafiker in die Hände. „Er hatte einen Stapel alter Zeitungen gekauft, darunter auch das Exemplar des ‚Vorwärts‘.“ Für Karmers war klar: Daraus musste er etwas machen.

Er hatte schon einige Hörbücher produziert, darunter den „Heersbericht“ von Edlef Köppen. „Eine Zeitung zu vertonen, war schon länger mein Traum“, erzählt Karmers. Die letzte frei erschienene Ausgabe des „Vorwärts“ kam ihm da gerade recht. „Der 28. Februar 1933 ist ja eine Art Schicksalstag. Mit ihm wurde die Nazi-Diktatur gefestigt.“

Der vertonte „Vorwärts“ im Schulunterricht?

So machte sich Karmers ans Werk. Mithilfe diverser Sprecher, Musiker und Geräuschemacher wurde aus dem „Vorwärts“ zum Reichstagsbrand ein Hörspiel. Die ersten Zeilen sind unterlegt mit Eisenbahngeräuschen und den Anschlägen einer Schreibmaschine. Später kommen auch Techno-Beats zum Einsatz. „Techno hat etwas Militärisches“, erklärt Karmers, „das passt gut in die damalige Zeit.“

Dort möchte er jedoch nicht verharren. „Das Hörspiel ist nicht nur für Menschen gedacht, die die damalige Zeit erlebt haben. Ich versuche, den Sprung in die Jetztzeit hinzubekommen.“ Mit dem Einsatz moderner Musik möchte Karmers auch junge Leute erreichen. Er kann sich auch einen Einsatz des vertonten „Vorwärts“ im Schulunterricht vorstellen.

So klingt das Ende der Pressefreiheit

Bis es soweit ist, muss jedoch noch eine Hürde überwunden werden. „Das Hörspiel ist zwar fertig produziert, aber für GEMA und das Pressen der CDs fehlt noch etwas Geld.“ 3000 Euro um genau zu sein. Um die zusammenzubekommen, hat Karmers auf der Plattform „Startnext“ ein Crowdfunding-Projekt gestartet: Bis zum 14. August will er dort das nötige Geld zusammenbekommen. Wer etwas gibt, erhält je nach Höhe ein Dankeschön. Die CD mit dem vertonten „Vorwärts“ ist etwa für 20 Euro zu haben.

Der ideelle Wert ist natürlich viel höher. „Im vertonten ‚Vorwärts‘ kann man sich anhören, wie das Ende der Pressefreiheit klingt.“

Autor*in
Kai Doering
Kai Doering

ist stellvertretender Chefredakteur des vorwärts. Er betreut den Bereich Parteileben und twittert unter @kai_doering.

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