Geschichte

In die neue Zeit: Wie die SPD sich neu erfindet

Die SPD wird in diesem Jahr 160 Jahre. Wir blicken zurück auf wichtige Ereignisse. Ab Dezember 2019 lenkt erstmals nach dem Krieg eine Doppelspitze die Geschicke der SPD: Saskia Esken und Norbert Walter-Borjans. Wie kam es dazu?
von Sebastian Thomas · 17. Mai 2023
Die erste SPD-Doppelspitze: Am 6. Dezember 2019 wählen die Delegierten auf einem Bundesparteitag Norbert Walter-Borjans und Saskia Esken zu ihren Vorsitzenden.
Die erste SPD-Doppelspitze: Am 6. Dezember 2019 wählen die Delegierten auf einem Bundesparteitag Norbert Walter-Borjans und Saskia Esken zu ihren Vorsitzenden.

6. Dezember 2019: Auf dem SPD-Bundesparteitag unter dem Motto „In die neue Zeit“ werden Norbert Walter-Borjans und Saskia Esken zu neuen Vorsitzenden der ältesten deutschen Volkspartei gewählt. Sie bilden somit erstmals nach dem Krieg eine Doppelspitze. Ein denkwürdiger Tag – wie wurde das möglich?

Raus aus den Hinterzimmern

Rückblende: Andrea Nahles tritt am 3. Juni 2019 als Partei- und Fraktionschefin zurück – da ist ihre Wahl knapp über ein Jahr her. Kommissarisch führt die SPD nun zunächst ein Trio aus Manuela Schwesig, Thorsten Schäfer-Gümbel und Malu Dreyer.

Doch die Drei machen von Anfang an klar: Dauerhaft stehen sie für den Vorsitz nicht zur Verfügung. Was nun? Eine neue Doppelspitze soll es richten. Eine Devise wird ausgegeben: Keine Gespräche in Hinterzimmern, sondern raus zu den über 400.000 Mitgliedern der Partei. Sie sollen das Wort haben und entscheiden, aus welchen Personen das neue Führungsduo bestehen soll.

So beginnt ab Juli 2019 die Bewerbungsphase - sie endet im September 2019. Schließlich stehen insgesamt sechs Kandiat*innenpärchen zur Auswahl. Darunter der derzeitige Vorsitzende des Auswärtigen Ausschusses, Michael Roth, der aktuelle Bundesgesundheitsminister Karl Lauterbach, die ehemalige SPD-Kandidatin für das Amt der Bundespräsidentin, Gesine Schwan sowie der heute amtierende Bundeskanzler Olaf Scholz.

Eine Überraschung bahnt sich an

Nur ein Pärchen fällt zu diesem Zeitpunkt noch aus der Reihe – ihre Namen Norbert Walter-Borjans und Saskia Esken. Er war sieben Jahre Finanzminister von Nordrhein-Westfalen, sie ist SPD-Bundestagsabgeordnete. Es folgen 23 Regionalkonferenzen auf denen sich die Kandidat*innen vorstellen. Schließlich folgt die erste Mitgliederbefragung. Am 26. Oktober 2019 wird das Ergebnis mitgeteilt: Kein Wahlvorschlag erreicht die absolute Mehrheit. In die darauffolgende Stichwahl gehen Olaf Scholz und Klara Geywitz sowie Norbert Walter-Borjans und Saskia Esken.

Fast einen Monat später kommt es zur zweiten Mitgliederbefragung – und das Ergebnis ist die große Überraschung: 53,1 zu 45,3 Prozent. Das Votum ist zwar knapp, die Basis entscheidet sich für: Saskia Esken und Norbert Walter-Borjans. „Es ist unglaublich, was seit dem Ergebnis unseres Mitgliedervotums alles über der SPD ausgekübelt wird von politischen Konkurrenzparteien beziehungsweise von Medienvertretern“, twittert SPD-Vize Ralf Stegner. In Richtung der Mitglieder schreibt er: „Wir sollten alle miteinander zeigen, dass es einmal mehr verfrüht ist, die deutsche Sozialdemokratie abzuschreiben!“

In der Tat: Auf dem Bundesparteitag wählen die Delegierten Saskia Esken mit fast 76 Prozent, Norbert Walter-Borjans erhält rund 90 Prozent der Delegiertenstimmen. Die neue Doppelspitze der SPD – sie steht. Am Ende halten beide ein gemeinsames Schlusswort: „Malu Dreyer hat am Anfang des Parteitages an alle appelliert, diesen Parteitag zu einem Parteitag der Solidarität zu machen“, sagt Saskia Esken.

„Das haben wir geschafft.“ Es gebe viele Leute, „die wollen, dass es uns zerreißt. Dieser Parteitag hat gezeigt: Diesen Gefallen werden wir ihnen nicht tun.“ Dabei lobt sie den gefassten Beschluss zur Neuausrichtung des Sozialstaats: „Wir sind auf dem richtigen Weg.“

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