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Klingbeils Sommerreise: Warum der SPD-Vorsitzende ins Schwitzen kommt

Die klimaneutrale Transformation und die Landtagswahlen in Hessen und Bayern erfolgreich gestalten – das treibt Lars Klingbeil bei seiner Sommerreise um. Der SPD-Vorsitzende gerät dabei gleich mehrmals ins Schwitzen.
von Jonas Jordan · 18. August 2023
Zu Besuch in der Güterverkehrsstelle in Bamberg: SPD-Chef Lars Klingbeil bei seiner Sommerreise.
Zu Besuch in der Güterverkehrsstelle in Bamberg: SPD-Chef Lars Klingbeil bei seiner Sommerreise.

Die Sommerreise von Lars Klingbeil trägt ihren Namen zurecht. Denn schon auf der ersten Station wird es für den SPD-Vorsitzenden schweißtreibend. Die Ärmel seines weißen Hemdes nach oben gekrempelt stellt er sich zwischen zwei Güterwaggons, um sie zu entkuppeln und wieder zu verbinden. Dafür ausgebildete Lokrangierführer*innen machen das circa 200-mal am Tag. „Es tut mir weh, wie leicht du das machst“, kommentiert das Sigrid Nikutta, Vorstandsvorsitzende der DB Cargo AG, die Klingbeil diese Tätigkeit zuvor selbst demonstriert hatte.

Leichter Aufwärtstrend der BayernSPD

Gemeinsam mit einem Tross Journalist*innen sind die beiden von Berlin aus mit dem ICE nach Bamberg gereist, um in der dortigen Güterverkehrsstelle zu erleben, was die Bahn zu einer klimaneutralen Transformation der Wirtschaft beitragen kann. Diesem „großen Thema“ widmet sich Klingbeil während seiner zweitägigen Sommerreise. „Für die Transformation ist der Güterverkehr auf der Schiene ein Schlüssel. Denn die effizienteste Art, Dinge zu transportieren, ist Stahl auf Stahl“, erläutert Nikutta. 

Dass Klingbeil in Bayern und Hessen unterwegs ist, ist kein Zufall, denn in beiden Bundesländern ist in wenigen Wochen Landtagswahl. Vor einer „ähnlich schweren“ Ausgangslage wie die Bundespartei vor zwei Jahren bei der Bundestagswahl stehe die bayerische SPD aktuell, sagt Klingbeil. „Vieles ist möglich am 8. Oktober. Das werden wir gemeinsam schaffen“, zeigt er sich beim Pressegespräch mit dem bayerischen SPD-Spitzenkandidaten Florian von Brunn optimistisch. „Als Ronja Endres und ich den Vorsitz der bayerischen SPD übernommen haben, standen wir noch bei sieben Prozent“, fügt dieser an. Insofern gebe es bereits einen leichten Aufwärtstrend, der sich aus seiner Sicht bis zur Wahl noch weiter verstärken werde.

Bessere Batterien aus Würzburg

Florian von Brunn hat sich viel vorgenommen, um die Wirtschaft in Bayern zu sichern und die anstehende Transformation zu bewältigen. So will er den Ausbau der erneuerbaren Energien deutlich beschleunigen und eine eigene bayerische Batterieproduktion ermöglichen. Darum geht es auch beim Besuch des Fraunhofer-Forschungs- und Entwicklungszentrums für Elektromobilität in Bayern im unterfränkischen Würzburg, wo an effizienteren Batterien geforscht wird. Von Brunn ist kein Lautsprecher. Er nimmt seine Gesprächspartner*innen ernst, hört aufmerksam zu, hakt an einer Stelle mit einem Lächeln nach: „Ich bin ja nur ein Geisteswissenschaftler. Deswegen habe ich noch eine Frage.“

Fragen gibt es wenige Stunde später einige Kilometer mainabwärts eine ganze Menge. Denn während die Sonne den Hafenpark in Frankfurt Main in ein malerisches Abendrot färbt, sitzen beim Kunstverein „Familie Montez“ in zwei denkmalgeschützten Rundbögen einer Brücke am Osthafen mehr als 150 Personen. Sie sind gekommen, um dem SPD-Vorsitzenden Klingbeil und den sechs Frankfurter SPD-Landtagskandidat*innen beim Format „Klingbeil im Gespräch“ auf den Zahn zu fühlen. Das Prinzip ist einfach: Klingbeil steht auf der Bühne, die Besucher*innen können fragen, was sie wollen.

Cannabis für Klingbeil keine Priorität

Entsprechend vielfältig ist der inhaltliche Mix aus landes- und bundespolitischen Themen. Erbschaftssteuer, Klimageld, Wohnungsbau. Auf jede Frage antwortet der SPD-Vorsitzende ruhig und ausführlich, bezieht zum Beispiel in der Familienpolitik klar Position: „Ich halte Kürzungen beim Elterngeld für falsch. Stattdessen müssen wir ans Ehegattensplitting rangehen. Denn es hält viele Frauen vom Arbeiten ab.“ Deutlich wird Klingbeil auch, als er zum jüngsten Koalitionsstreit gefragt wird. Er sei „sehr fassungslos“, sagt er. Nur einmal fällt seine Antwort etwas knapper aus. Ob er noch Verbesserungspotenzial bei der geplanten Cannabis-Legalisierung sehe, will einer wissen. Das Thema stehe „nicht oben auf meiner Prioritäten-Liste“, offenbart Klingbeil.

Wichtiger ist ihm die Forderung nach einem Industriestrompreis, die er am Freitagvormittag im Gespräch mit Opel-Beschäftigten und Betriebsrät*innen noch einmal wiederholt. Seit der Automobilhersteller im Jahr 2017 von der französischen Gruppe PSA übernommen wurde, sind von einst 20.000 Arbeitsplätzen nur noch weniger als die Hälfte übrig. Deswegen fordert ein Mitarbeiter: „Immer wenn ihr Geld an Unternehmen gebt, schaut genau drauf, was sie mit den Mitarbeitern machen!“ Klingbeil schlägt daher vor, einen Industriestrompreis möglicherweise an Kriterien wie Standortsicherung und Tariftreue zu koppeln.

Mit Olympiasiegerin und Tischtennis-Legende

Zum Gespräch mit den Opel-Mitarbeiter*innen kommt Klingbeil gemeinsam mit der hessischen SPD-Spitzenkandidatin und Bundesinnenministerin Nancy Faeser. Im Rollwerk ist die Transformation bereits gelungen. Einst wurden hier Autos gebaut, nun ist es eine ehrenamtlich geführte Skaterhalle. Damit die wirtschaftliche Transformation in Hessen auch im Großen funktioniert, will Faeser den Transformationsprozess als Ministerpräsidentin zur „Chefinnensache“ machen. Sie plant einen Transformationsfonds, um Investitionen zu finanzieren, will durch bessere Betreuungsangebote mehr Frauen Vollzeitarbeit ermöglichen und die Mitbestimmung verbessern. „Es ist wichtig, dass die Politik aktiv an der Seite der Belegschaft steht und Transformation gestaltet“, sagt sie.

Damit stößt sie bei Uwe Baum, Gesamtbetriebsratsvorsitzender von Opel Deutschland, auf offene Ohren. „Ich würde mich freuen, mit dir als Ministerpräsidentin zu arbeiten. Toi, toi, toi“, wünscht er für den anstehenden politischen Wettbewerb. Ins Gespräch mit erfolgreichen sportlichen Wettkämpfer*innen kommen Faeser und Klingbeil abschließend in Frankfurt beim Deutschen Olympischen Sport-Bund (DOSB). Dessen Trainingsstätten stellt DOSB-Präsident Thomas Weikert ihnen gemeinsam mit Bob-Olympiasiegerin Deborah Levi und Tischtennis-Legende Timo Boll vor. Beim Tischtennis-Match gegen Boll und Weikert kommt Klingbeil erneut ins Schwitzen. Wie es ausging? „Ich glaube, sie haben mich etwas geschont“, sagt der SPD-Vorsitzende lachend.

Autor*in
Jonas Jordan
Jonas Jordan

ist Redakteur des „vorwärts“. Er hat Politikwissenschaft studiert und twittert gelegentlich unter @JonasJjo

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