Deutschland-Pakt von Olaf Scholz: Die Ruck-Rede des Kanzlers
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Olaf Scholz weiß immer wieder zu überraschen. Wer am Mittwochmorgen in der Generaldebatte der Haushaltswoche vom Kanzler eine bloße Leistungsbilanz zur Halbzeit seiner Regierung erwartet hatte, wurde schnell eines Besseren belehrt. Mit seinem Angebot eines „Deutschland-Pakts“, an Länder, Kommunen, aber auch die demokratische Opposition im Bundestag, geht Scholz in die Offensive und nimmt die Politik weit über die Ampel-Parteien hinaus in die Verantwortung.
Veränderung muss gestaltet werden
„Die Bürgerinnen und Bürger sind den Stillstand leid“, hat der Bundeskanzler gesagt. Mit dieser Beobachtung hat er sicher recht. Denn im Gegensatz zur AfD und Teilen von CDU und CSU, die Veränderungsängste schüren und versprechen, es könne alles so bleiben, wie es ist, weiß das Gros der Menschen, dass das nicht stimmt. Veränderung passiert, ob wir wollen oder nicht. Die Frage ist allein, ob sie gestaltet wird oder nicht.
„Die Welt ist im Aufbruch, sie wartet nicht auf Deutschland“, mahnte im April 1997 der damalige Bundespräsident Roman Herzog in seiner „Berliner Rede“, die bald als „Ruck-Rede“ bekannt wurde. „Durch Deutschland muss ein Ruck gehen“, forderte Herzog damals. Alle müssten mitmachen, um die Veränderung zu gestalten. Damals ächzte der Sozialstaat unter Milliardenkosten, die durch die Wiedervereinigung entstanden waren. Die Arbeitslosigkeit lag deutlich höher als heute.
Länder, Kommunen und Opposition sollten Scholz‘ Angebot annehmen
Und doch gibt Parallelen: Nach 15 Jahren schwarz-gelber Regierung unter Helmut Kohl hatte sich eine geistige Lähmung wie Mehltau über das Land gelegt. Länder wie die USA oder Frankreich setzten eifrig Reformen um, sodass das Wachstum wieder anzog. „Was die Bürgerinnen und Bürger in einer solchen Lage von uns erwarten, ist kein Schattenboxen hier im Bundestag. Sie wollen Orientierung, mutige Kompromisse, zupackende Arbeit für unser Land“, hat Olaf Scholz am Mittwoch festgestellt. Der „Deutschland-Pakt“ könnte zu seiner Ruck-Rede werden. Länder, Kommunen und Opposition sollten sein Angebot annehmen.
Dirk Bleicker | vorwärts
ist stellvertretender Chefredakteur des vorwärts. Er betreut den Bereich Parteileben und twittert unter @kai_doering.