Was hinter der Debatte um Sachleistungen für Asylbewerber*innen steckt
IMAGO/Bihlmayerfotografie
Seit einigen Tagen ist die Debatte um Alternativen statt einer Bargeldauszahlung für Asylbewerber*innen im Raum. FDP und Union heizen die Debatte an mit dem Argument, die Auszahlung von Bargeld werde ausgenutzt, um Geld in die Heimat zu schicken. Eingeschränkte Bezahlkarten oder Sachleistungen könnten das verhindern. So sagte etwa Bundesjustizminister Marco Buschmann (FDP), Asylbewerber*innen sollten „kein Bargeld mehr bekommen“. Wenn der deutsche Staat Leistungen kürze, müsse das auch wehtun.
Worum geht es bei dem Thema?
Dass Geldleistungen Asylsuchende anlocken, also ein „Pull-Faktor“ sind, ist umstritten. Die SPD-Entwicklungshilfeministerin Svenja Schulze wies darauf hin, dass der überwiegende Teil der Flüchtlinge aus Kriegsgebieten komme. Der Wissenschaftliche Dienst des Bundestages hat sich mit dem Thema beschäftigt und verweist auf die Komplexität der Migrationsprozesse. Die Hilfsorganisation Pro Asyl nennt eine Studie aus 2013, wonach vor allem der Aufenthaltsort von Freunden, Familie oder Community, die Sprache, aber auch die mutmaßlichen Chancen auf dem Arbeitsmarkt eine größere Rolle spielten.
Was für Leistungen erhalten Asylbewerber?
Laut dem Asylbewerberleistungsgesetz (AsylbLG) sollen die so genannten Grundleistungen den notwendigen Bedarf zur Sicherung des Lebensunterhalts decken. Das heißt zum Beispiel Ernährung, Unterkunft, Heizung, Kleidung, Körperpflege und Haushaltsgüter. Außerdem sind Leistungen für den notwendigen persönlichen Bedarf möglich, welche die Teilhabe am gesellschaftlichen Leben sichern sollen.
Wie ist die rechtliche Regelung?
Die Leistungen nach dem Asylbewerberleistungsgesetz können als Sach- oder Geldleistungen erbracht werden, auch Wertgutscheine sind möglich. Abhängig von der Wohnsituation, Alter und Familienstand können sich die Leistungen in Art und Höhe unterscheiden.
Wie sind die Zuständigkeiten?
Bundesinnenministerin Nancy Faeser bekräftigte im ZDF, dass der Bund längst die Möglichkeit für die Länder eröffnet habe, das System auf Sachleistungen umzustellen. Das hätte man in den letzten Jahren schon machen können, sagte die SPD-Politikerin.
Was wären die Folgen für die Kommunen?
Dass das kaum eine Kommune so praktiziert, hängt laut Angaben des Deutschen Städtetags mit dem hohen Verwaltungsaufwand zusammen. Viele dezentrale Einrichtungen regelmäßig mit Lebensmitteln, Kleidung oder anderen Artikeln für den täglichen Bedarf zu versorgen, wäre eine riesige logistische Herausforderung für die Städte, sagte Verena Göppert, stellvertretende Hauptgeschäftsführerin des Deutschen Städtetages, einem Medienbericht zufolge. Allerdings befürwortet etwa der Landkreistag den Einsatz von Sachleistungen anstelle von Geldleistungen, „auch wenn dies einen höheren Verwaltungsaufwand bedeutet“, so deren Präsident Reinhard Sager.
Wie hoch sind die Sätze?
Die Leistungen liegen gestaffelt nach Alter und Familienstand zwischen 278 und 410 Euro. Zum Beispiel erhält eine Alleinstehende oder Alleinerziehende 182 Euro an notwendigem Bedarf plus 228 Euro für den persönlicher Bedarf, also 410 Euro gesamt. Der notwendige persönliche Bedarf ist das soziokulturelle Existenzminimum. Er umfasst Leistungen für Verkehr, Nachrichtenübermittlung, Freizeit, Unterhaltung, Kultur, Beherbergungs- und Gaststättendienstleistungen sowie andere Waren und Dienstleistungen, auch für Körperpflege.
Was hat das Bundesverfassungsgericht entschieden?
2012 sprach das Gericht jedem Menschen ein Recht auf ein menschenwürdiges Existenzminimum zu. Damals hob das Bundesverfassungsgericht die Grundleistungen nach Asylbewerberleistungsgesetz an. In diesem Zusammenhang machte das Verfassungsgericht auch klar, dass der vollständige Entzug von Bargeld nicht mit der Verfassung vereinbar ist.
Dieser Beitrag erschien zuerst unter demo-online.de
ist Leitende Redakteurin beim Vorwärts-Verlag und verantwortlich für die DEMO – Das sozialdemokratische Magazin für Kommunalpolitik.