Warum das Asylbewerberleistungsgesetz in der Kritik ist
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Was regelt das Asylbewerberleistungsgesetz?
Im Asylbewerberleistungsgesetz sind seit 1. November 1993 die Höhe und die Form der Leistungen festgelegt, die bedürftige Asylbewerber*innen, Geduldete und ausreisepflichtige Ausländer*innen in Deutschland in Anspruch nehmen können. Diese können sowohl in Form von Bargeld als in Form von Sachleistungen ausbezahlt werden.
Wie kam es zum Asylbewerberleistungsgesetz?
Das Asylbewerberleistungsgesetz ist Teil des sogenannten Asylkompromisses der damaligen schwarz-gelben Bundesregierung und der oppositionellen SPD aus dem Jahr 1992. Er war eine Reaktion auf die wegen des Kriegs im ehemaligen Jugoslawien stark gestiegene Zahl Geflüchteter, die Anfang der 90er Jahre nach Deutschland kamen.
Was ist das Ziel des Asylbewerberleistungsgesetzes?
Das Asylbewerberleistungsgesetz wurde eingeführt, um „Anreize für Wanderungsbewegungen durch ein im internationalen Vergleich hohes Leistungsniveau zu verhindern“. Sorge der damaligen Bundesregierung war, dass Geflüchtete wegen der vergleichsweisen hohen Leistungen der Sozialhilfe nach Deutschland kommen könnten. Dem sollte mit einem eigenen Hilfssystem mit geringeren Leistungen entgegengewirkt werden.
Ist das geringere Leistungsniveau mit dem Grundgesetz vereinbar?
Nein. Das zumindest hat das Bundesverfassungsgericht 2012 entschieden. In der Folge wurde das Niveau der Leistungen hochgesetzt und orientiert sich an den Leistungen des Arbeitslosengelds II bzw. inzwischen des Bürgergeldes. Mit dem Asylbewerberbeschleunigungsgesetz 2015 wurde die Gewährung der Leistungen aber wieder stärker reglementiert. Seither können Leistungen wieder stärker eingeschränkt und vorrangig durch Sachleistungen statt als Bargeld ausgezahlt werden.
Was wird aktuell gefordert?
Vor dem Hintergrund steigender Geflüchtetenzahlen werden wieder Forderungen laut, Leistungen des Asylbewerberleistungsgesetzes stärker einzuschränken. Gerade erst haben sich Bundesfinanzminister Christian Lindner und Bundesjustizminister Marco Buschmann (beide FDP) in einem Gastbeitrag in der „Welt am Sonntag“ dafür ausgesprochen, Sozialleistungen für Asylbewerber zu kürzen, „unter ganz besonderen Voraussetzungen“ sogar ganz zu streichen. Lindner und Buschmann sprechen von einem „Pull-Faktor“, der Geflüchtete anziehe. Wissenschaftlich bestätigt ist dieser jedoch nicht. Vertreter von CDU und CSU fordern, die Unterstützungen des Asylbewerberleistungsgesetzes nur noch als Sachleistungen auszuzahlen, damit Geflüchtete kein Geld in ihre Heimat schicken können.
Welche Kritik gibt es aktuell am Asylbewerberleistungsgesetz?
Zum 30. Jahrestag des Inkrafttretens fordern mehr als 150 zivilgesellschaftliche Organisationen wie die Arbeiterwohlfahrt (AWO) und der Paritätische Gesamtverband die Abschaffung des Asylbewerberleistungsgesetzes. „Die Menschenwürde gilt für alle – auch für Geflüchtete“, heißt es in einem gemeinsamen Appell, der am Dienstag veröffentlicht wurde. „Ein menschenwürdiges Existenzminimum ist verfassungsrechtlich verbürgt“, betont AWO-Präsidentin Kathrin Sonnenholzer. „Wir lösen unsere Herausforderungen nicht, indem wir den Schwächsten noch ihr Weniges wegnehmen.“
Dirk Bleicker | vorwärts
ist stellvertretender Chefredakteur des vorwärts. Er betreut den Bereich Parteileben und twittert unter @kai_doering.