Asyl-Reform: Worum es bei dem Treffen in Luxemburg geht
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Was bedeutet das Gemeinsame Europäische Asylsystem (GEAS)?
Das Gemeinsame Europäische Asylsystem (GEAS) legt in den Mitgliedstaaten der Europäischen Union Mindeststandards für die Durchführung von Asylverfahren und die Unterbringung und Versorgung von Asylsuchenden fest. Durch den Abgleich von Fingerabdrücken mittels einer Datenbank kann ermittelt werden, welches für die Prüfung des jeweiligen Asylantrags zuständig ist (Dublin-Verfahren).
Das GEAS umfasst drei Richtlinien (Qualifikations-, Aufnahme-, Asylverfahrensrichtlinie) und zwei Verordnungen (Eurodac- und Dublin-Verordnung). Es zielt auf die Angleichung der Asylsysteme der EU-Mitgliedstaaten, damit alle Asylbewerber*innen gleich behandelt werden, egal, in welchem Mitgliedsland sie einen Asylantrag stellen. Aktuell gibt es jedoch unter den Mitgliedsstaaten große Unterschiede bei der Umsetzung des GEAS.
Warum treffen sich die Innenminister*innen?
Aus den genannten Gründen wird seit mehr als 20 Jahren über eine Reform des GEAS diskutiert. Besonders laut sind die Forderungen nach einer „europäischen Lösung“ seit den Jahren 2015/16, bislang jedoch ohne nennenswertes Ergebnis. Das soll sich nun beim Treffen in Luxemburg ändern.
Welche Vorschläge werden diskutiert?
Die derzeitige schwedische EU-Ratspräsidentschaft hat auf Basis von Vorschlägen der EU-Kommission Entwürfe für eine Reform des GEAS erarbeitet, die am Donnerstag diskutiert und wenn möglich auch beschlossen werden sollen. Im Kern soll es künftig vor allem schnellere Asylverfahren an den EU-Außengrenzen geben. Dieses Schnellverfahren soll zum Standard für Menschen aus Ländern mit geringer Schutzbedürftigkeit werden: Wer wenig Aussicht auf Asyl oder Dokumente gefälscht hat, soll für zwölf Wochen in streng kontrollierten Aufnahmeeinrichtungen untergebracht werden, während der entsprechende Antrag bearbeitet wird. Nach dieser Zeit soll das Asylverfahren laut dem Vorschlag der EU-Kommission abgeschlossen sein.
Zudem soll die innereuropäische Solidarität mit stark belasteten Mitgliedsstaaten an den EU-Außengrenzen wie Italien künftig nicht mehr freiwillig, sondern verpflichtend sein. Länder, die wie Ungarn keine Flüchtlinge aufnehmen wollen, würden demnach zu Ausgleichszahlungen gezwungen werden. Strittig ist bislang noch, ob Menschen auch dann in sogenannte sichere Drittstaaten abgeschoben werden dürfen, wenn sie durch diese Länder nur durchgereist sind und keinerlei Bezug zu den Ländern haben.
Welche Mehrheit braucht es?
Vorraussetzung für einen Beschluss ist eine qualifizierte Mehrheit. Das bedeutet, dass mindestens 15 von 27 EU-Staaten zustimmen müssen. Diese müssen wiederum mindestens 65 Prozent der EU-Gesamtbevölkerung repräsentieren.
Was passiert, wenn es am Donnerstag keinen Beschluss gibt?
Sollte der EU-Ministerrat bis zur Sommerpause keinen Beschluss fassen, dürfte es kaum noch eine Chance geben, das Reformprojekt in absehbarer Zeit abschließen zu können. Denn nach dem Beschluss des Ministerrates bräuchte es auch noch Verhandlungen mit dem Europaparlament. Dessen Legislaturperiode endet in weniger als einem Jahr. Anschließend hat im zweiten Halbjahr 2024 Ungarn die EU-Ratspräsidentschaft inne – wohl das Land mit dem geringsten Interesse an einer gemeinsamen europäischen Lösung.
Was sagt Nancy Faeser?
„Ein gemeinsames Asylsystem in Europa hat den Vorteil, dass wir zu einer wirklichen Solidarität kommen, nämlich einer gerechteren Verteilung. Es hat auch den Vorteil, dass wir es schaffen, die Menschen an den Außengrenzen zu registrieren. Das ist der Kernpunkt dieser Reform“, sagte Innenministerin Nancy Faeser (SPD) am Donnerstagmorgen im ARD-Morgenmagazin. Aktuell gebe es keinen guten Zustand, machte sie deutlich. „Ich befürchte, wenn wir kein gemeinsames Asylsystem bekommen, fallen wir in die Nationalstaatlichkeit zurück“, sagte Faeser.
Welche Kritik kommt von Verbänden?
Verbände und Initiativen kritisieren vor allem die geplanten Schnellverfahren an den EU-Außengrenzen. „Lieber keine als so eine schlechte Reform“, sagte beispielsweise Vassilis Tsianos, Vorstandsvorsitzender des Rates für Migration, in der Bundespressekonferenz am Mittwochvormittag. Der Entwurf der Kommission sei nicht geeignet, um die Krise der Migrationspolitik in Europa zu beenden. Pro Asyl mahnt, mit der geplanten Reform drohe eine Situation wie auf den griechischen Inseln überall in Europa an den EU-Außengrenzen.
ist Redakteur des „vorwärts“. Er hat Politikwissenschaft studiert und twittert gelegentlich unter @JonasJjo