
Auf die Feier folgt der Schock. Einen Tag nachdem Millionen Arbeitnehmer*innen in Deutschland den 1. Mai gefeiert haben, stürmen am 2. Mai 1933 im gesamten Reichsgebiet Verbände der SA die Büros der Freien Gewerkschaften und verhaften führende Gewerkschafter*innen. Die Vermögen werden beschlagnahmt. Einen Tag später unterwerfen sich die Richtungsgewerkschaften dem Willen der Nationalsozialist*innen. Das Ende der Gewerkschaften für fast 15 Jahre ist besiegelt.
Angst vor dem Bürger*innenkrieg
Wie konnte es soweit kommen? Nach dem Ende des Kaiserreichs gilt die deutsche Gewerkschaftsbewegung als die stärkste der Welt. Doch die Massenarbeitslosigkeit im Zuge der Weltwirtschaftskrise lässt ihre Schlagkraft schwinden. Zum Ende der Weimarer Republik sehen sich die Gewerkschaften von zwei Seiten bedroht, von den Nationalsozialisten auf der einen und den Kommunist*innen auf der anderen.
Als Adolf Hitler am 30. Januar 1933 zum Reichskanzler ernannt und den Nazis damit offiziell die Macht übertragen wird, rufen neben der SPD auch die Gewerkschaften zu Demonstrationen auf. Eine „Einheitsfront“ gegen Hitler und einen Generalstreik wie von den Kommunist*innen gefordert lehnen sie jedoch ab. Zu groß ist die Sorge, dass dieser zu einem Bürger*innenkrieg führt, den die Arbeiterschaft aus ihrer Sicht nicht gewinnen würde. „Organisation, nicht Demonstration. Das ist das Gebot der Stunde“, gibt der Vorsitzende des Allgemeinen Deutschen Gewerkschaftsbundes (ADGB), Theodor Leipart, als Parole aus.
Anpassung bis zur Selbstaufgabe
Eine fatale Fehleinschätzung mit weitreichenden Folgen. Denn die Nazis sehen sich durch das zaghafte Vorgehen ermutigt, immer rigoroser gegen die Gewerkschaften vorzugehen. Symbolisch steht hierfür der 1. Mai, den die Nazis zum „Tag der nationalen Arbeit“ erklären. Um nicht anzuecken und in der Hoffnung verschont zu bleiben, rufen die Gewerkschaften ihre Mitglieder zu Teilnahme auf. Die Quittung folgt einen Tag später mit der Erstürmung der Gewerkschaftshäuser und der Zerschlagung der Gewerkschaftsbewegung.
Die Anpassung bis zur Selbstaufgabe hat die Gewerkschaften nicht gerettet. Die Illusion, auch der Nazi-Staat werde sie brauchen, ist zerplatzt. Tausende Gewerkschafter*innen werden verfolgt und landen im Konzentrationslager. Im Hebst 1934 gründet sich in der damaligen Tschechoslowakei eine Auslandsvertretung der deutschen Gewerkschaften. Mit dem Anschluss ans Deutsche Reich müssen viele Gewerkschafter*innen erneut fliehen. Bis Kriegsende finden sie Schutz in Schweden, der Schweiz und England.
„Schafft die Einheit!“
Auch mithilfe der Exilant*innen kann die Gewerkschaftsbewegung zumindest in der Bundesrepublik schnell wieder erstehen. Die Gewerkschaften haben einen großen Anteil am Wiederaufbau des Landes. Dabei beherzigen sie auch eine wichtige Lehre aus der Zeit des Nationalsozialismus: „Schafft die Einheit!“ wie es der stellvertretende Vorsitzende des ADGB und SPD-Politiker Wilhelm Leuschner kurz vor seiner Hinrichtung im September 1944 als Vermächtnis hinterlässt.
Der Deutsche Gewerkschaftsbund erinnert mit einer Veranstaltung an die Zerschlagung der Gewerkschaften vor 90 Jahren. Die Veranstaltung wird im Livestream übertragen.Gedenkveranstaltung des DGB
„Keine starke Demokratie ohne freie Gewerkschaften – keine freien Gewerkschaften ohne starke Demokratie“
„Die Arbeit an einem starken demokratischen Gemeinwesen – eine politische und gesellschaftliche Daueraufgabe“