Geschichte

Deutscher Gewerkschaftsbund: Wie es zur Gründung des DGB kam

Am 13. Oktober 1949 wird in München der Deutsche Gewerkschaftsbund (DGB) gegründet. Erste Ideen dazu hatte es bereits vor dem Zweiten Weltkrieg gegeben. Seit ihren Anfängen hat der DGB die Bundesrepublik stark geprägt.

von Stefan Müller · 13. Oktober 2024
Der Beginn einer Erfolgsgeschichte: Am 13. Oktober 1949 wurde der Deutsche Gewerkschaftsbund im Kongresssaal des Deutschen Museums in München gegründet.

Der Beginn einer Erfolgsgeschichte: Am 13. Oktober 1949 wurde der Deutsche Gewerkschaftsbund im Kongresssaal des Deutschen Museums in München gegründet.

Der Deutsche Gewerkschaftsbund (DGB) wird 75. Gegründet wurde er am 13. Oktober 1949 in München, und dass dies erst knapp fünf Monate nach Gründung der Bundesrepublik geschah, verweist auf die komplizierten Startbedingungen. Die Besatzungsbehörden in der amerikanischen und britischen Zone verordneten den Gewerkschaften einen langsamen und kontrollierten Organisationsaufbau. Zumeist hatten Betriebsrät*innen und Gewerkschafter*innen aus der Weimarer Zeit unmittelbar mit dem Einrücken der alliierten Befreier örtliche Gewerkschaften gegründet.

Die westlichen Alliierten fürchteten kommunistischen Einfluss

Ab Herbst 1945 mussten alle diese Organisationen jedoch aufgrund der neuen Situation neu gebildet werden. Zuerst musste die Satzung genehmigt werden, dann durften auf lokaler Ebene Versammlungen einberufen und Räume angemietet werden. So kam es schließlich erst im April 1947 zur Gründung eines Gewerkschaftsbundes in der Britischen Besatzungszone, und auch in der amerikanischen Zone wurden erst 1947 die letzten Landesverbände etabliert. Die westlichen Alliierten wollten mit diesem Vorgehen einen demokratischen Aufbau garantieren, aber auch einen starken kommunistischen Einfluss verhindern, den sie bei einem schnellen und spontanen Aufbau befürchteten.

Bereits in den 1920er-Jahren bestand der Wunsch nach Zentralisierung der Organisation. Dieser wurde durch die Niederlage der Arbeiter*innenbewegung 1933 noch verstärkt. Nach der Befreiung 1945 sollte nicht nur die Trennung von Arbeiter*innen, Angestellten und Beamt*innen aufgehoben werden, es sollten auch die politischen Richtungsorganisationen überwunden werden. Und noch wichtiger war: In einem Betrieb sollte nur noch eine Gewerkschaft agieren.

Briten und Amerikaner für das Modell der Industriegewerkschaften

Zunächst hatte das Modell eines Einheitsverbandes, in dem die Branchen lediglich unselbständige Abteilungen darstellten, starke Befürworter. Auch Hans Böckler, der erste DGB-Vorsitzende, gehörte dazu. Dies verhinderten jedoch die britischen und amerikanischen Besatzungsbehörden – nicht zuletzt aufgrund des Einflusses ihrer Gewerkschaftsberater, die das Modell der Industriegewerkschaften, wie sie es aus ihren Ländern kannten, befürworteten. 

1949 kam damit (vorläufig) ein Zentralisierungsprozess an ein Ende, der bereits in der Weimarer Republik begann. Aus vielen, kleinen Berufsgewerkschaften unterschiedlicher politischer oder auch religiöser Couleur entstanden mächtige Industrieorganisationen. Zu Beginn der Weimarer Republik existierten alleine drei sozialdemokratische Bünde (für Arbeiter*innen, Angestellte und Beamt*innen), und der größte von ihnen, der Allgemeine Deutsche Gewerkschaftsbund (ADGB), hatte zu Beginn 52 Mitgliedsverbände. 1949 schlossen sich dann 16 Industrie- und Branchengewerkschaften auf Bundesebene im DGB zusammen. Lediglich die Einheit der Angestelltenorganisationen gelang nicht. Die Deutsche Angestelltengewerkschaft (DAG) trat dem DGB erst mit der Gründung von ver.di 2001 bei. Die Polizei, vielleicht ein besonderer Fall unter den Gewerkschaften, wurde 1977 DGB-Mitglied.

Moderator der Interessen seiner Mitglieder

Da der DGB keine Tarifverträge abschließt, besteht seine Aufgabe in gesellschaftspolitischer Kampagnen- und Lobbyarbeit. Schon kurz nach seiner Gründung spielte der DGB eine wichtige Rolle bei der Kampagne für die 40-Stunden-Woche mit dem noch heute bekannten Slogan „Samstags gehört Vati mir“. Nach innen ist der DGB Moderator der Interessen seiner Mitglieder. Streitigkeiten darüber, wer die Beschäftigten einer Branche organisieren darf, werden im DGB ausgetragen. Aber auch in politischer Hinsicht können die Interessen sehr unterschiedlich sein. Zuletzt konnte man das beim gesetzlichen Mindestlohn sehen, den einige Gewerkschaften zunächst ablehnten.

Wenn wir in diesen Tagen den 75. Geburtstag des DGB feiern, dann verbinden viele Menschen damit 75 Jahre gewerkschaftliche Erfolge: Arbeitszeitverkürzung, Erholungsurlaub, das engagierte Eintreten für den Sozialstaat, für Gleichheit und Gerechtigkeit, und nicht zuletzt den Kampf gegen den Faschismus. Viele dieser kleinen und großen Erfolge haben die Mitgliedsgewerkschaften durchgesetzt, aber mit dem Deutschen Gewerkschaftsbund erhalten diese Erfolge einen gemeinsamen Namen.

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Stefan Müller

ist Historiker im Archiv der sozialen Demokratie der Friedrich-Ebert-Stiftung. Seine Schwerpunkte liegen in der Geschichte der Arbeitswelt und der Gewerkschaften.

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