Soziale Politik

„Zukunftsmission“ Klimaschutz: Viel Lob, viele Hausaufgaben für Olaf Scholz

Deutschland soll bis 2050 zu einem klimaneutralen Industrieland umgebaut sein. Das ist das Versprechen. Damit dieser Umbau sozial und fair abläuft und alle mitnimmt, wil die SPD mit Olaf Scholz die richtigen Weichen stellen. Von Expert*innen gab es für diese „Zukunftsmission“ schon viel Lob.
von Benedikt Dittrich · 9. Februar 2021
„Wir könnten sofort loslegen“, sagt BASF-Vorstand Martin Brudermüller zu Olaf Scholz über den klimaneutralen Umbau des Chemiekonzerns.
„Wir könnten sofort loslegen“, sagt BASF-Vorstand Martin Brudermüller zu Olaf Scholz über den klimaneutralen Umbau des Chemiekonzerns.

An Platz Eins bei den „Zukunftsmissionen“ der SPD steht der große Umbau: Deutschland soll bis spätestens 2050 klimaneutral wirtschaften. Eine „gigantische Aufgabe“, wie Kanzlerkandidat Olaf Scholz bei der Jahresauftaktklausur des Parteivorstands deutlich machte. Das Ziel für die kommenden Jahrzehnte ist mit der Verpflichtung zu den UN-Nachhaltigkeitszielen bereits vorgezeichnet, ein grober Pfad mit Zwischenzielen ebenfalls.

Die SPD will mit Olaf Scholz diesen Pfad nun konkret machen, den Wandel aktiv und sozial gestalten. In ihrem Zukunftskonzept haben die Sozialdemokrat*innen ihre Vorstellungen, was jetzt getan werden muss, formuliert. In der anschließenden Debatte bei der Jahresauftaktklausur ging es dann direkt an's Eingemachte. Denn die geladenen Expert*innen aus Wirtschaft, Gewerkschaft und Verbänden lobten zwar einerseits das Konzept der Sozialdemokrat*innen, stellten andererseits aber auch klare, konkrete Forderungen, welche Baustellen dringend geschlossen werden müssen.

BASF-Chef: Ausbau von Erneuerbaren

Da ist zum einen der Chemiekonzern BASF, dessen Mitarbeiter*innen, Manager*innen und Vorstand genau hinschauen, welche Pläne von der SPD formuliert werden. Denn die chemische Industrie gehört zu den energieintensivsten Branchen und BASF aus Deutschland gehört zu den Marktriesen in dem Bereich. „An der Chemieindustrie wird sich zeigen, ob der Wandel gelingen kann“, sagt deswegen Vorstandschef Martin Brudermüller. Denn mit den bisherigen Technologien zur CO2-Reduktion sei man absehbar am Ende, nun müssten die Prozesse elektrifiziert werden. Das bedeutet: Abschied von fossilen Energieträgern in der Produktion. „Dafür muss der Strom aber bezahlbar bleiben“, warnt Brudermüller. Er schätzt, dass sich durch den Umbau der Produktion der Energiebedarf verdreifachen könnte. Die Konsequenz: Die schon jetzt konkurrenzfähigen Erneuerbaren Energien müssten viel umfangreicher ausgebaut werden als gegenwärtig. „Da gibt das Positionspapier der SPD die richtigen Antworten“, lobt Brudermüller in Richtung Scholz, mahnt aber auch zum Bürokratieabbau: „Wir könnten jetzt loslegen, aber komplizierte Förderrichtlinien halten uns auf.“

Es ist der Dreh- und Angelpunkt der Energiewende, dass der Ausbau von Windkraft und Solarenergie enorm beschleunigt werden muss, dabei vielleicht auch genauer gesteuert werden muss – bestenfalls auf europäischer Ebene. Das macht auch Michael Vassiliadis von der Energiegewerkschaft IGBCE klar. Es ist mehr als nur ein Ausbau, sondern ein neues Kapitel der Energiewende: „Bisher bedeutete Transformation: Abschalten.“ Der Ausstieg aus der Kohle, aus der Atomkraft, das sei alles richtig gewesen, so der Gewerkschafts-Chef am Sonntag. „Jetzt ist der Weg frei.“ Jetzt müssten Innovationen ins Zentrum der Debatte gestellt werden, forderte Vassiliadis, ein neuer Regulierungsrahmen müsse geschaffen werden. „Ich bin stolz auf meine Partei“, so der Sozialdemokrat mit Blick auf die „Zukunftsmissionen“, „dass diese Zielkonflikte angesprochen werden.“

Naturschützer: Abbau schädlicher Subventionen

Auch Kai Niebert, Präsident des Naturschutzrings, lobt nach einem ersten Blick auf die umweltpolitischen Ziele das Zukunftskonzept der SPD. Er erwähnt anerkennend die Weiterführung der ökologischen Wirtschaftspolitik, die die Sozialdemokrat*innen einst entwickelten. „Wenn wir es so schaffen, die fossilen Sackgassen der Vergangenheit zu verlassen, dann bin ich bei der Sozialdemokratie ganz richtig.“ Er mahnt allerdings auch an, den Abbau klimaschädlicher Subventionen energischer voranzutreiben. Gerade in der Umweltpolitik stünden viele Indikatoren „immer noch auf Rot“. Es seien in der Vergangenheit einige Weichen falsch gestellt worden. Das Konzept der SPD mache jetzt allerdings Mut.

Auch die Wirtschaftsweise Veronika Grimm gibt den Sozialdemokrat*innen in der Debatte ein paar Hausaufgaben mit auf den Weg: Der Strukturwandel in dem man sich eigentlich schon befinde, biete große, industriepolitische Chancen. „Wir sind jetzt in einer Welt, in der man sagen kann: Wohlstand durch Wandel, nicht trotz Wandel.“ Dabei blickt die Ökonomin auch auf den globalen Weltmarkt, die Zukunftstechnologien, die Wertschöpfungsketten, die sich rund um die Klimaneutralität gerade entwickeln.

Wirtschaftsweise: Alle im Blick behalten

Doch es geht Grimm nicht nur darum. „Man muss vieles zusammendenken“, sagt sie, deswegen sei die Idee der „Missionen“ auch so eine gute Idee. Denn auch die unteren Einkommensgruppen müssten natürlich mitgedacht werden, damit die Lasten des Wandels nicht ungleich verteilt werden. Eine Reform der Umlagen im Energiebereich könnte diese Menschen sogar entlasten, stellt Grimm in Aussicht, „wenn man das richtig macht“.

Niebert geht in der Debatte am Sonntagmittag sogar so weit, von einem „neuen Gesellschaftsvertrag“ zu sprechen, der ökologische Verantwortung und Teilhabe am Wandel miteinander verknüpft: „Wenn wir das schaffen, dann können wir den großen Wurf machen.“ Dass Deutschland dabei nicht im Alleingang das Klima retten kann, das ist in der Runde klar – und das ist auch Olaf Scholz klar. „Auf der Welt werden über 300 Kohlekraftwerke geplant, daran können wir niemanden hindern“, nannte er ein Beispiel. Aber wenn in Deutschland Technologien entwickelt würden, um anders zu wirtschaften, dann könnten auch andere das nachmachen, zeichnet er die Chancen eines neuen Forschungs-Wettbewerbs, bei der Deutschland ganz vorn dabei sein solle.

Die Wasserstoffwirtschaft nannte Scholz dabei als ganz konkretes Beispiel. Deutschland als technologischer Vorreiter, das würde am Ende auch Arbeitsplätze sichern. „Wenn wir solche Missionen voranbringen, dann wird es unsere Arbeitsplätze und unseren Wohlstand sichern. Aber das setzt voraus, dass wir es jetzt tun.“

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