Soziale Politik

Wie Mindestlohnerhöhung und Kindergrundsicherung Familien helfen

Mindestens jede*r fünfte Bezieher*in von Grundsicherung geht einer Erwerbstätigkeit nach, allerdings meist zu Niedriglöhnen – so eine Studie. Die Erhöhung des Mindestlohnes und die Kindergrundsicherung sollen diese Familien besser stellen.
von Karin Billanitsch · 17. Dezember 2021
Die Erhöhung des Mindestlohnes und die Einführung einer Kindergrundsicherung sollen Aufstocken*innen zugute kommen.
Die Erhöhung des Mindestlohnes und die Einführung einer Kindergrundsicherung sollen Aufstocken*innen zugute kommen.

Viele Menschen, die Leistungen der Grundsicherung erhalten, arbeiten gleichzeitig. Doch ihr Einkommen reicht nicht zum Leben aus. Im Jahr 2019 gab es im Jahresdurchschnitt eine Million dieser Aufstocker*innen, im Dezember 2020 waren es rund 891.000 und im Juni 2021 rund 860.000. Das ist mehr als jede*r fünfte Empfänger*in von Leistungen nach dem Zweiten Sozialgesetzbuch.

Mit der Situation der Aufstocker-Familien in Deutschland hat sich eine neue Studie des Instituts für Arbeitsmarkt- und Berufsforschung (IAB) im Auftrag der Bertelsmann Stiftung beschäftigt. So leben demnach mehr als 1,8 Millionen Kinder in Familien, die Sozialleistungen beziehen.

Alleinerziehende mit größtem Aufstocker-Risiko

Die Studie legt offen, dass das Vorhandensein von Kindern das Aufstocker-Risiko erheblich erhöht: Alleinerziehende sind die Gruppe mit dem höchsten Aufstocker-Risiko (40 Prozent). Bei Paaren haben diejenigen mit mindestens einem minderjährigen Kind ein höheres Aufstocker-Risiko als Paare ohne Kinder. Innerhalb der Paare mit Kindern zeigt sich bei denjenigen mit drei oder mehr Kindern ein höheres Aufstocker-Risiko als bei Paaren mit ein oder zwei minderjährigen Kindern.

„Diese Eltern sehen sich oft mit dem Vorurteil konfrontiert, sie seien „faul“ und lägen dem Staat untätig auf der Tasche. Dass die allermeisten nicht freiwillig von staatlichen Hilfeleistungen leben, wird zu wenig gesehen“, stellen die Autor*innen der Studie fest. Es sei wenig bekannt, dass ein großer Teil derjenigen, die SGB II-Leistungen bezieht, zusätzlich arbeitet.

Ein weiteres wichtiges Ergebnis der Studie: „Wer weniger arbeitet und/oder weniger verdient, für den ist es schwer, sich selbst und noch weitere Personen von diesem Einkommen zu ernähren“. Die Zahlen zeigen: Unter allen Aufstocker*innen haben über drei Viertel (76 Prozent) einen Niedriglohn, von denjenigen Aufstocker*innen, die mehr als geringfügig beschäftigt sind, sind es sogar gut 70 Prozent.

SPD-Reformen richtig und wichtig

Diese Zahlen zeigen, wie wichtig die von der SPD vorangetriebeben Reformen sind: Die geplante Erhöhung des Mindestlohns auf 12 Euro würde vielen Menschen eine auskömmlichere Lebensgrundlage sichern und womöglich den Aufstieg aus dem Aufstocker-Status ermöglichen. Nach Einführung des Mindestlohns veränderte sich die Zahl der Aufstockenden laut Statistik positiv: Im Jahr vor Inkrafttreten des gesetzlichen Mindestlohns 2014 betrug ihr Anteil noch 30 Prozent – 2019 waren es 26 Prozent. Dass während der Pandemie 2020 und 2021 die Zahlen indes weiter zurückgegangen ist, liegt vor allen daran, dass viele Jobs im Niedriglohnbereich und Mini-Jobs weggefallen sind.

Wenn mehr Menschen eine finanziell auskömmliche Arbeit finden und den Aufstieg aus dem Aufstockersystem schaffen, werden die Sozialhaushalte entlastet. Der Bund zahlt die Grundsicherung, die Kommunen tragen die Kosten der Unterkunft.

Kindergrundsicherung als bedeutender Schritt

Die Einführung einer Kindergrundsicherung ist ebenfalls ein richtiger Schritt. Die Studie im Auftrag der Bertelsmann-Stiftung mahnt: „Sich für Kinder und eine Familie zu entscheiden, darf in einem reichen Land wie Deutschland aber kein Risiko sein, in Armut abzurutschen oder aufstocken.“

Genau da setzt die SPD im Koalitionsvertrag an: Geplant ist, bisherige finanzielle Unterstützungen, vom Kindergeld über Leistungen aus dem SGB bis hin zum Kinderzuschlag in einer einfachen, ausgezahlten Förderleistung zu bündeln. Die soll ohne bürokratische Hürden direkt bei den Kindern ankommen und ihr „neu zu definierendes soziokulturelles Existenzminimum sichern“. Eine solche neue Leistung würde gerade bedürftige Mütter und Väter gezielt entlasten.

Die Autor*innen begrüßen die geplante Einführung einer Kindergrundsicherung: „Entscheidend dabei ist, dass ein Schwerpunkt auf die Vermeidung von Kinderarmut gelegt wird. Dafür muss die Leistung so ausgestaltet sein, dass sie die soziokulturellen Bedarfe von Kindern und Jugendlichen tatsächlich neu betrachtet und abdeckt.“

Sie betonen auch, wie wichtig eine hochwertige und flächendeckende Ganztagsbetreuung sei und sehen die im Koalitionsvertrag beschriebenen Ziele – gemeinsamer Qualitätsrahmen für Ganztagsangebote, eine Gesamtstrategie, um den Fachkräftebedarf zu decken – als „positive Impulse“. Diese, so heißt es, müssten nun dringend umgesetzt werden. 

Am 17. Dezember erschienen auf demo-online.de

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Karin Billanitsch

ist Leitende Redakteurin beim Vorwärts-Verlag und verantwortlich für die DEMO – Das sozialdemokratische Magazin für Kommunalpolitik.

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