Soziale Politik

Wie ein Paketzusteller 12 Euro Mindestlohn den Weg ebnete

Am Freitag hat der Bundestag den Mindestlohn auf zwölf Euro erhöht. Dass es dazu kam, lag auch an Paketzusteller Olaf Könemann aus Hamburg. Er war extra zur Entscheidung angereist.
von Kai Doering · 2. Juni 2022
Der krönende Abschluss von fünf Jahren harter Arbeit: Olaf Könemann (m.) und Mitstreiter am Freitag vor dem Bundestag
Der krönende Abschluss von fünf Jahren harter Arbeit: Olaf Könemann (m.) und Mitstreiter am Freitag vor dem Bundestag

Als der Bundestag am Freitag die Erhöhung des Mindestlohns auf zwölf Euro beschlossen hat, ging für Olaf Könemann ein lang gehegter Wunsch in Erfüllung. Klar, dass er da in der ersten Reihe dabei war: Könemann saß am Freitag auf der Besuchertribüne über dem Plenarsaal. Der Paketzusteller aus Hamburg hatte sich extra einen Tag frei genommen. „Der Freitag ist der krönende Abschluss von fünf Jahren harter Arbeit“, sagt er.

Start der Online-Petition vor fünf Jahren

2017 hat Könemann eine Online-Petition gestartet. „12 Euro Mindestlohn – darunter geht gar nichts!“ lautete die Forderung. Damals betrug der Mindestlohn gerade mal 8,84 Euro, seit der Einführung 2015 war er lediglich um 34 Cent gestiegen. Und nun eine Erhöhung um fast die Hälfte? Das schien vielen illusorisch. Doch Olaf Könemann blieb beharrlich und sammelte Unterschriften. Monat für Monat wurden es mehr. Und er fand einen prominenten Fürsprecher: Olaf Scholz, damals Erster Bürgermeister von Hamburg, forderte im November 2017 ebenfalls eine Anhebung des Mindestlohns auf zwölf Euro – „in einem überschaubaren Zeitraum“ wie er sagte.

Dass er viereinhalb Jahre später als Bundeskanzler einer Ampel-Koalition den Mindestlohn tatsächlich auf zwölf Euro erhöhen würde, hätte Scholz damals vermutlich selbst nicht gedacht. Dass es ohne den Regierungswechsel dazu gekommen wäre, glaubt Olaf Könemann nicht. „Mit Frau Merkel war ein Mindestlohn von zwölf Euro nicht machbar“, sagt er.

Mehr als 150.000 Unterschriften

Könemann hielt sich deshalb an den kleinen Regierungspartner in der großen Koalition. Auf dem SPD-Bundesparteitag 2019 übergab er 95.000 Unterschriften an die frisch gewählte Doppelspitze Saskia Esken und Norbert Walter-Borjans. Vor allem aber bei Bundesarbeitsminister Hubertus Heil fand er mit seinem Anliegen ein offenes Ohr. Ende vergangenen Jahres überreichte er auch ihm Unterschriften – da waren es schon fast 160.000.

„Diese Kampagne haben uns viele nicht zugetraut“, sagt Olaf Könemann rückblickend. Für ihn ist sie auch ein Zeichen, dass sich auch von unten politisch Dinge verändern lassen. „Natürlich ist es sicher auch ein Vorteil, dass ich bei verdi gut vernetz bin.“ Für seinen Einsatz wurde Könemann kurz vor dem 1. Mai mit der Hans-Böckler-Medaille des Deutschen Gewerkschaftsbunds geehrt. Mit dabei war nicht nur die Hamburger DGB-Vorsitzende Tanja Chawla, sondern auch der Erste Bürgermeister Peter Tschentscher – auch er einer, der sich früh für einen Mindestlohn von zwölf Euro stark gemacht hatte.

Der Mindestlohn wird armutsfest

Mehr noch als die zwölf Euro freut Olaf Könemann jedoch, dass im Mindestlohngesetz auch die Bemessungsgrundlage geändert werden soll. Orientiert sich der Mindestlohn bisher an der Lohentwicklung, soll er künftig 60 Prozent des Medianlohns betragen. „Damit wird der Mindestlohn armutsfest“, ist Könemann überzeugt. „Das Aufstocken am Monatsende wird künftig für viele wegfallen.“ Und: „Durch die Orientierung am Medianlohn werden wir künftig keine Cent-Erhöhungen des Mindestlohns mehr erleben.“ Die nächste Entscheidung der Mindestlohnkommission steht im Juni 2023 an.

Olaf Könemann wird also zufrieden sein, wenn er am Freitag auf der Besuchertribüne des Bundestags sitzt – auch wenn er sich durchaus noch weiter reichende Änderungen gewünscht hätte. „Mir wäre es lieber, wenn es gar keine Minijobs mehr gäbe“, sagt er. „Aber immerhin werden sie künftig vernünftig bezahlt.“ Er selbst wird von der Erhöhung des Mindestlohns übrigens nichts haben. Die DHL-Zusteller verdienen schon jetzt mehr. „Durch das Lohnabstandsgebot wird ein höherer Mindestlohn aber auch Auswirkungen auf die Tarifverträge haben“, ist sich Olaf Könemann sicher.

Autor*in
Kai Doering
Kai Doering

ist stellvertretender Chefredakteur des vorwärts. Er betreut den Bereich Parteileben und twittert unter @kai_doering.

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