Soziale Politik

Was für die Integration von Geflüchteten in den Arbeitsmarkt nötig ist

Daniela Kolbe ist stellvertretende DGB-Vorsitzende in Sachsen. Sie fordert, die Voraussetzungen zu schaffen, damit Geflüchtete aus der Ukraine schnell in den Arbeitsmarkt integriert werden können.
von Vera Rosigkeit · 4. Mai 2022
Protest gegen den russischen Angriffskrieg in der Ukraine in Dresden.
Protest gegen den russischen Angriffskrieg in der Ukraine in Dresden.

Dieses Interview wurde erstmals am 5. Mai veröffentlicht.

Der DGB in Sachsen fordert gute Arbeit für Geflüchtete aus der Ukraine? Wo sehen Sie aktuell ein Problem?

Geflüchtete aus der Ukraine dürfen keine Lückenfüller in Billigjobs sein. Die schnelle Anerkennung als Geflüchtete und damit verbunden der Zugang zum Arbeitsmarkt war deshalb auch der richtige Weg, den Bund und Länder eingeschlagen haben. Hilfreich ist auch, dass Flüchtlinge ab dem 1. Juni vom Asylbewerberleistungsgesetz in die Grundsicherung für Arbeitsuchende wechseln. Doch ebenso wichtig ist, dass sie ihrer Qualifikation gemäß beschäftigt und danach bezahlt werden. Dafür müssen jetzt schnell Voraussetzungen geschaffen werden, zur Anerkennung von Berufsabschlüssen auf der einen und zur Betreuung von Kindern auf der anderen Seite. Das sind enorme Herausforderungen. Als DGB-Sachsen haben wir ein Papier mit Vorschlägen vorgelegt, wie Geflüchtete gut integriert werden können.

Das DGB-Papier hat einen Fokus auf den Kita- und Schulbereich gelegt. Wo hakt es da?

Wir sehen aktuell, dass in erster Linie Frauen mit ihren Kindern, viele unbegleitete Minderjährige, Menschen mit Behinderungen und kranke Menschen zu uns flüchten. Mein Eindruck ist, dass diese Frauen schnell auf eigenen Füßen stehen und nicht von Sozialleistungen abhängig sein wollen. Doch dazu müssen zunächst die Kinder gut betreut sein.

Welche Hürden gibt es aktuell bei der Kinderbetreuung?

In Kitas und auch in Schulen fehlt es an Erzieher*innen und Lehrer*innen. Die Landesregierung stellt zwar ein, aber aus meiner Sicht zu zaghaft. Ukrainische Lehrer*innen und Erzieher*innen müssen ihre Abschlüsse möglichst rasch anerkannt bekommen, wir brauchen ihre berufliche Integration möglichst schnell. Erst wenn die Kinder gut versorgt sind, können alle anderen überhaupt erst mal Schritte machen wie zum Beispiel Sprachkurse besuchen.

Wo liegen die Hürden bei der Anerkennung von Berufsabschlüssen?

Die Landesregierung muss schon jetzt die Anpassungsqualifizierung auflegen und so dafür sorgen, dass beispielsweise geflüchtete Lehrer*innen auch in Deutschland unterrichten können. Allerdings sind in Sachsen die Voraussetzung, um als Lehrkraft tätig zu werden, enorm hoch. Denn es gilt das Dogma, dass sie in zwei Fächer unterrichten müssen. Das bedeutet für Geflüchtete, dass sie zunächst ein zweites Fach studieren müssen. 2015 haben Erfahrungen mit syrischen Lehrer*innen gezeigt, dass die das nicht machen. Brandenburg hingegen hat 2015 eine Anpassungsqualifizierung vorgenommen, wonach Lehrer*innen nur ein Fach unterrichten müssen und damit eine Berufsanerkennung erleichtert. Das gute an der aktuellen Situation ist ja, dass Flüchtlinge mit gleicher Ausbildung zu uns kommen und damit auch die gleiche Form von Anpassungsqualifizierung brauchen. Anfragen kommen derzeit neben Lehrkräften und Erzieher*innen auch aus den Pflegeberufen. Diese Menschen haben den Wunsch, schnell eine Anerkennung zu bekommen.

Wie sieht es mit anderen Berufsgruppen aus?

Auch hier ist es wichtig, eine Art Feststellung der vorhandenen Kompetenzen zu haben. Dazu soll eine Selbsteinschätzung ausreichen, so hat die Ministerpräsiden*innenkonferenz beschlossen. Die Frage hier ist allerdings, wie das umgesetzt werden soll? Wir brauchen eine Art Fragenkatalog, damit beispielsweise eine Friseurin auch beschreiben kann, welche Fähigkeiten sie erworben hat. Das hilft auch der Bundesagentur für Arbeit, damit sie gut vermitteln kann. Natürlich hoffen viele Flüchtlinge bislang noch, bald in ihre Heimat zurückzukönnen und sind aktuell eher mit Wohnungssuche und Spracherwerb beschäftigt. Doch wenn sie in das System kommen, wäre es gut, wenn die Infrastruktur schon vorhanden ist.

Zu den Vorschlägen des DGB gehört auch ein runder Tisch. Warum?

Auch wenn die Hilfsbereitschaft aktuell sehr groß ist, nehme ich auch eine Stimmung wahr, die ich als volatil, also schwankend bezeichnen würde. Das kann an der einen oder anderen Stelle unsere Gesellschaft auch unter Stress setzen und zu Diskussionen führen. Deshalb wäre es gut, diesen runden Tisch zu haben. Hier sollten sich Ministerien und Vertreter*innen aus den Kommunen mit Akteur*innen aus der Zivilgesellschaft zusammensetzen, um die Herausforderungen gemeinsam zu meistern.

Wieso ist der DGB Sachsen hier besonders engagiert?

Wir sind traditionell fokussiert auf osteuropäische Beschäftigte, schon durch die regionale Nähe zur tschechischen und polnischen Republik. Wir haben viele Grenzgänger*innen, die wir in mehreren Sprachen über ihre Rechte informieren. Gleiches machen wir nun für die Ukrainerinnen und Ukrainer. Auf unserer Webseite informieren wir auf ukrainisch und russisch, engagieren uns aber auch dafür, dass weitere Beratungsangebote zum Beispiel zum Thema Arbeitsrecht ausgebaut werden. Das gehört für uns zu einer fairen Integration dazu.

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Vera Rosigkeit

hat Politikwissenschaft und Philosophie in Berlin studiert und ist Redakteurin beim vorwärts.

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