Soziale Politik

Was das Bürgergeld von Hartz IV unterscheidet

Zum kommenden Jahr soll das Bürgergeld Hartz IV ersetzen. Was ändert sich dadurch wirklich? Wir zeigen die größten Unterschiede.
von Kai Doering · 16. August 2022
Mehr als nur ein Namenswechsel: Das Bürgergeld verändert das bestehende Hartz-IV-System deutlich.
Mehr als nur ein Namenswechsel: Das Bürgergeld verändert das bestehende Hartz-IV-System deutlich.

Vor 20 Jahren legte die sogenannte Hartz-Kommission ihre Vorschläge zur Reform des Arbeitsmarktes vor. Ziel war es, die Arbeitslosen besser zu beraten und schneller in den Arbeitsmarkt zu vermitteln. Ein Kernstück war die Zusammenlegung von Arbeitslosen- und Sozialhilfe. Das „Arbeitslosengeld II“ ist heute vor allem als Hartz IV bekannt.

„2022 ist nicht mehr 2002“

20 Jahre später steht erneut eine umfassende Reform des Sozialstaats an. Nach dem Willen der Ampel-Koalition soll ein Bürgergeld das Hartz-IV-System ersetzen. „2022 ist nicht mehr 2002“, sagt Bundesarbeitsminister Hubertus Heil zur Begründung: Die Anforderungen an die Arbeitsvermittlung hätten sich verändert. Heute gehe es vor allem darum, Menschen zu qualifizieren und Fachkräfte zu gewinnen.

Aber ist das Bürgergeld wirklich das Ende von Hartz IV wie Heil und die SPD behaupten? Wir zeigen die größten Unterschiede.

Vertrauen statt Misstrauen

Mit dem Bürgergeld soll auch ein Einstellungswandel vollzogen werden. Arbeitssuchende und Arbeitsvermittler*innen sollen sich auf Augenhöhe begegnen, erstere sich nicht als Bittsteller*innen fühlen. In einem Kompetenzermittlungsverfahren sollen deshalb zunächst die Stärken und Möglichkeiten der Arbeitssuchenden individuell herausgearbeitet werden. In einer „Teilhabevereinbarung“ halten Vermittler*in und Arbeitsuchende*r gemeinsam die Angebote und Maßnahmen fest, die notwendig sind, um die vorhandenen Stärken weiterzuentwickeln.

Die Teilhabevereinbarung „dient damit als roter Faden im Eingliederungsprozess und stellt ein Kernelement des Bürgergeld-Gesetzes dar“, wie es im Referent*innenentwurf heißt. Sie ersetzt die bestehende „Eingliederungsvereinbarung“ des Hartz-IV-Systems, die individuelle Wünsche kaum berücksichtigt.

Anreize statt Sanktionen

Arbeitsuchende sollen einen Arbeitsplatz finden, der zu ihnen passt und den sie länger ausüben können und wollen. Der sogenannte Vermittlungsvorrang (Vermittlung in Arbeit um jeden Preis) der Hartz-Gesetzgebung wird daher abgeschafft. Stattdessen sollen gering qualifizierte Arbeitnehmer*innen die Möglichkeit bekommen, ihren Berufs- bzw. sogar Schulabschluss nachholen zu können, ohne in dieser Zeit Aushilfsjobs annehmen zu müssen. Als Anreiz erhalten Teilnehmer*innen einer Weiterbildung, deren Ziel ein Berufsabschluss ist, ein Weiterbildungsgeld in Höhe von 150 Euro pro Monat. Statt mit Sanktionen bestraft zu werden, sollen den Arbeitssuchenden Anreize gesetzt werden. Nur für Härtefälle sollen sie erhalten bleiben.

Schonfrist statt Angst

Wer seinen Arbeitsplatz verliert, hat normalerweise genug zu tun, eine neue Stelle zu finden. Da hilft es wenig, wenn er sich gleichzeitig um eine neue Wohnung kümmern oder sein Auto verkaufen muss. Mit dem Bürgergeld soll deshalb eine Karenzzeit für Wohnen und Vermögen eingeführt werden: Zwei Jahre lang dürfen Bezieher*innen damit in jedem Fall in ihrer Wohnung bleiben. Ihr Vermögen (bis zu einer Höhe von 60.000 Euro) wird bei der Bedürftigkeitsprüfung nicht berücksichtigt. Miete und Heizung übernimmt in dieser Zeit vollständig der Staat. Auch nach Ablauf der zwei Jahre gelten höhere Freibeträge als bisher. Eine Altersversicherung wird nicht zum Vermögen hinzugezählt.

Autor*in
Kai Doering
Kai Doering

ist stellvertretender Chefredakteur des vorwärts. Er betreut den Bereich Parteileben und twittert unter @kai_doering.

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