Warum soziale Marktwirtschaft eine faire Vermögensverteilung braucht
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Der Wunsch nach guter Arbeit, fairen Löhnen, sozialer Gerechtigkeit – kurz: das Streiten für ein besseres Leben für alle – ist der Markenkern der SPD. Deswegen ist es auch kein Wunder, dass die Vorschläge für eine sozial gerechte, nachhaltige Wirtschaftspolitik einen großen Teil des Zukunftsprogramms einnehmen.
Dabei sind viele Vorschläge aus dem Programm aber nicht nur gesellschaftlich sinnvoll oder aus sozialdemokratischer Sicht gerecht, sondern sie dienen auch ganz konkret der Wirtschaft. Denn am Ende können sie die Wirtschaft stabilisieren, Wachstum generieren und Potenzial freisetzen. So sieht es jedenfalls Sebastian Dullien, Direktor des Instituts für Makroökonomie bei der Hans-Böckler-Stiftung.
Zentral ist für den Ökonomen dabei ein Punkt, der sich wie ein roter Faden durch das Programm zieht: der Kampf gegen die Ungleichheit, gegen ungleiche Entwicklungschancen, gegen Lebensverhältnisse, die zu stark auseinanderdriften: „Denn Ungleichheit führt dazu, dass Menschen ihr Potenzial nicht voll ausschöpfen können.“
So belaste die Angst vor einem sozialen Abstieg die Psyche, beispielsweise bei einem drohenden Jobverlust, erklärt Dullien: „Das senkt das Wohlbefinden der Menschen, insbesondere wenn das große Konsequenzen hat.“ Und damit bedroht Ungleichheit direkt die Wirtschaftsleistung eines Staates, denn Menschen die unzufrieden sind, Angst vor der Zukunft haben, seien schlicht weniger leistungsfähig. „Das ist die kalte ökonomische Argumentation“, muss Dullien da ergänzen.
Gleiche Lebenschancen sichern
Deswegen liegt für ihn eine Schlussfolgerung auf der Hand: Die Politik sollte dafür sorgen, dass das Potenzial der Menschen bestmöglich ausgeschöpft werden kann. Ein Punkt dabei: Die Sicherung gleicher Lebenschancen und gleichwertiger Lebensverhältnisse, unabhängig von Herkunft oder Wohnort. Und da sieht Dullien in Deutschland großen Nachholbedarf.
Denn die Aspekte, die bei der Frage nach Chancengleichheit eigentlich keine Rolle spielen sollten – Familie, Geschlecht, Vermögensverhältnisse – haben aus seiner Sicht in Deutschland immer noch eine viel zu große Bedeutung. „Wer als Kind in einer schlechteren Gegend aufwächst, weil dort die Mieten niedriger sind, geht oft auch auf Schulen, die schlechter ausgestattet sind. Außerdem kommt man mit bestimmten anderen Personen gar nicht in Kontakt, man kommt nicht auf die Idee, bestimmte Berufe zu ergreifen“, erklärt der Instituts-Direktor nur ein Detail bei dieser Bewertung. Kurzum: Selbst begabte Kinder aus schlechter gestellten Haushalten können nicht ihr volles Potenzial ausschöpfen, weil sie bestimmte Berufe nicht kennen, nicht die gleiche Förderung erhalten, wie Jugendliche aus wohlhabenderen Familien, die in wohlhabenderen Gegenden wohnen und aufwachsen.
Aus Dulliens Sicht gleicht die Entwicklung dann eher einer Zufallsauslese, die es zu bekämpfen gilt: „Es sind dann eben nicht die Besten der Besten, die bestimmte Berufe ausüben“, so Dullien und das wäre ökonomisch formuliert „einfach ineffizient“. Um das zu ändern, reiche es aber nicht aus, nur Chancengleichheit zu garantieren. „Es geht nur mit einer stärkeren, echten Gleichheit.“
Wer viel erbt, soll mehr bezahlen
Was das für ihn bedeutet, macht Dullien an einer Forderung fest, die sich ebenfalls im Zukunftsprogramm wiederfindet: Die gerechte Verteilung von Einkommen und Vermögen. Damit beides nicht noch weiter auseinanderdriftet, regt die SPD eine Steuerreform an. Enthalten ist darin die schon lange geforderte Besteuerung von hohen Vermögen und Erbschaften.
Gerade letzteres sieht der Ökonom positiv: „Bei Erbschaften ist es sehr eindeutig, dass es leistungsloses Einkommen ist.“ Eine Ungerechtigkeit, die eine Steuer teilweise korrigieren könne, die das Gemeinwesen finanzieren und Ungleichheiten abschwächen könne. „Das sind die starken Schultern, die viel Vermögen und viel geerbt haben und die können mehr beitragen zum Gemeinwesen. Deswegen finde ich es völlig richtig, das stärker zu besteuern.“ Für eine soziale Marktwirtschaft sei das elementar.
Für Dullien geht es bei der Betrachtung der Wirtschaftskraft letztlich auch nicht allein um die Höhe des Bruttoinlandsprodukts. Ganz im sozialdemokratischen Sinne hat das alles für ihn einen Zweck: „Wir wollen ja Wohlstand in dem Sinne, dass es uns allen besser geht.“