Soziale Politik

Vier Missionen: Olaf Scholz legt Zukunftskonzept für Deutschland vor

Klimaneutralität, Mobilität, Digitalisierung, Gesundheitsversorgung – diese vier Herausforderungen sind die Zukunftsmissionen, die die SPD ausgemacht hat. Missionen, die schnellstmöglich angepackt werden müssen, sagt ein ungeduldiger Kanzlerkandidat Olaf Scholz.
von Benedikt Dittrich · 7. Februar 2021
Jahresauftaktklausur der SPD: Olaf Scholz schaltet mit Zukunftsmissionen in den Wahlkampfmodus.
Jahresauftaktklausur der SPD: Olaf Scholz schaltet mit Zukunftsmissionen in den Wahlkampfmodus.

Als Olaf Scholz am Sonntagnachmittag im Willy-Brandt-Haus vor die Kameras tritt, sagt er viel: über die Zukunft, über Ziele, über zentrale Herausforderungen in Deutschland und Europa. Statt sich im stillen Kämmerlein zu beraten, beginnet der SPD-Parteivorstand seine Jahresauftaktklausur anders als sonst: Coronabedingt haben sich die Genoss*innen per Videokonferenz zusammengeschaltet. Die ersten Stunden können Interesssierte im Livesstream verfolgen.

Eigentlich sei die Zeit des Redens vorbei, sagt Olaf Scholz immer wieder. Das gilt für ihn ebenso wie für die SPD-Spitze insgesamt. Denn die SPD will gestalten, anpacken – und zwar mit Olaf Scholz an der Spitze. Und mit den Zukunftsmissionen für Deutschland schaltet der Kanzlerkandidat deutlich in den Wahlkampfmodus, zeigt eine Perspektive für die Zukunft auf. Jetzt sei der Zeitpunkt, die Weichen zu stellen, sagt Scholz.

SPD mit klarem Plan

Gleichzeitig warnt der SPD-Vizekanzler aber auch: „Wenn wir den jetzigen Zeitpunkt verpassen, dann haben wir ihn dauerhaft verpasst.“ Das sei dann nicht mehr zu korrigieren. Deswegen kämpft Olaf Scholz auch dafür, dass die SPD bei den kommenden Wahlen, vor allem bei der Bundestagswahl im September, das Regierungs-Ruder übernimmt, wieder selber die Richtung vorgibt. Wenn ein neuer Bundestag gewählt wird, will er die SPD zur stärksten Partei machen. „Denn Zukunft ist etwas, das gestaltet werden muss“, sagt Scholz. Und er will gestalten, will die Führung übernehmen – denn aus seiner Sicht hat nur die SPD einen klaren Weg vor Augen, einen Plan.

Ganz konkret formuliert die SPD-Spitze um Scholz als Kanzlerkandidaten vier Zukunftsmissionen, die so schnell wie möglich in Angriff genommen werden müssten. Missionen, die aus Sicht von Scholz auf Jahrzehnte die Politik in Deutschland bestimmen werden. Die nicht nur in einzelnen Ressorts diskutiert und umgesetzt werden sollten, sondern gemeinsam, von der gesamten Gesellschaft. „Es geht um eine Zukunft für dich“, spricht Scholz die Zuschauer*innen im Livestream am Sonntag direkt an – in der Diskussion im Anschluss an seine Rede ist gar von einem neuen „Gesellschaftsvertrag“ die Rede. Worum es bei den einzelnen Missionen geht:

Erste Mission: Klimaneutrale Wirtschaft

Es ist das große Thema, das auch während der Coronakrise nie ganz verschwand ist und das sich immer weiter zuspitzt, mit weltweiten Folgen. „Wir wollen den menschengemachten Klimawandel aufhalten“, sagt Scholz und ergänzt: „Das ist eine gigantische Aufgabe.“ Es sei ein Bruch mit der bisherigen Wirtschaft, die auf fossilen Ressourcen aufbaue. Ein Bruch, der große technologische Innovationen in Deutschland voraussetze. „Und dafür sind 30 Jahre keine lange Zeit“, betont der Sozialdemokrat mit Blick auf das Jahr 2050, in dem in Deutschland und Europa klimaneutral gewirtschaftet werden soll.

Dafür fordert Scholz bereits jetzt ganz konkret eine Reform des Erneuerbaren-Energien-Gesetzes (EEG). „Es muss Schluss sein mit der Art und Weise wie das jetzt gehandhabt wird!“, fordert er vehement. Bis zum Ende der kommenden Legislaturperiode dürfe die Umlage für den Ausbau der Erneuerbaren Energien keine Last mehr sein für Verbraucher. Die Lasten müssten künftig anders verteilt werden.

Verknüpfung von Umweltpolitik und Sozialdemokratie

Gerade mit Blick auf die Energieversorgung und die Entwicklung der Wasserstoffwirtschaft warteten die Unternehmen in Deutschland auf klare Aussagen der Politik. Die Zeit der Versuche ist aus Scholz‘ Sicht vorbei – wofür er auch viel Rückenwind und Lob für das neue SPD-Positionspapier in der anschließenden Diskussionsrunde bekommt: BASF-Vorstandschef Martin Brudermüller fordert einen schnelleren Ausbau der Erneuerbaren Energien, um den steigenden Energiebedarf von Unternehmen wie des Chemiekonzerns nachhaltig decken zu können. „Wir können jetzt loslegen“, sagt Brudermüller über den notwendigen Umbau, „aber komplizierte Förderrichtlinien halten uns auf“. Michael Vassiliadis, Chef der Industriegewerkschaft IGBCE, sagt mit Rückblick auf den beschlossenen Atom- und Kohleuasstieg ebenso: „Der Weg ist jetzt frei.“ Jetzt sei es wichtig, die Rahmenbedingungen und eine Perspektive zu schaffen – eine politische Mission.

Dem kann sich auch Wirtschaftsweise Veronika Grimm anschließen: Mit dem Beschluss zur Klimaneutralität seien einige Streitigkeiten nun beigelegt. „Das erfordert einen umfassenden Strukturwandel, in dem wir uns jetzt schon befinden.“ Die Chancen in diesem Wandel müsse man jetzt ergreifen. Dafür sei die Verknüpfung von Umweltpolitik und Sozialdemokratie ganz wichtig, so Naturschutzring-Präsident Kai Niebert. Und das könne die SPD, lobt der Nachhaltigkeitsforscher mit Blick auf das Positionspapier: „Sie hat den Anspruch, zu gestalten, dem Wandel eine Richtung zu geben.“

Zweite Mission: Mobilitätswende

Erste Anreize haben bereits einen Wandel bewirkt in Sachen Mobilität – für die SPD ist das aber noch nicht genug. „Mindestens“, so Scholz mit Blick auf den Boom bei E-Autos, „muss der Ausbau der Ladeinfrastruktur klappen“. Es ist ein klarer Appell für einen Staat, der die Rahmenbedingungen schafft: Wenn die Automobilindustrie die Elektrofahrzeuge anbietet und sie von Privatpersonen gekauft werden, dann muss – so die Argumentation der Sozialdemokrat*innen – der Staat für die notwendige Infrastruktur sorgen, die den Wandel in der Mobilität auch attraktiv macht.

Dazu gehören dann auch ein Ausbau des Schiennetzes und neue Ansätze um die Mobilität im ländlichen Raum zu erhalten. Prototypen allein seien da nicht genug, so Scholz am Sonntag.

Dritte Mission: Digitalisierung

Was Schienen und Straßen bei der Mobilität bedeuten, das sind die Internetleitungen in der digitalen Welt. Geradezu genervt zeigt sich Scholz dabei von dem stockenden Netzausbau in Deutschland: „Ich will, das Deutschland eine Gigabit-Gesellschaft wird!“ Dieser Anspruch dürfe nicht von Wirtschaftlichkeitsbewertungen der Privatunternehmen abhängen. Der Staat müsse diese digitale Infrastruktur bereitstellen. „Wir haben in der Krise die Notwendigkeit der digitalen Verwaltung erkannt“, spannt Scholz den Bogen weiter, ebenso müsse jede*r einzelne in Deutschland mit einem Gigabit-Anschluss versorgt werden: „Da darf es keine Ausreden geben!“

Vierte Mission: Moderne Gesundheitsversorgung

„Auch hier spielt die Digitalisierung eine wichtige Rolle“, erklärt Olaf Scholz die vierte Mission und meint die Weiterentwicklung der Gesundheitsversorgung. Die Impfstoff-Entwicklung gegen das Coronavirus habe gezeigt, welche Möglichkeiten es in Deutschland gebe, wenn Staat und Unternehmen gemeinsam handelten. „So muss man das generell machen“, fordert Scholz ein – also mit Fördergeldern Forschung unterstützen und so die Innovationsfähigkeit der Unternehmen fördern. Neben all der technischen Revolution vergisst Olaf Scholz allerdings auch nicht den SPD-Markenkern: Innovation und Weiterentwicklung könnten nur unter guten Arbeitsverhältnissen, gut bezahlter Arbeit und fairen Bedingungen gelingen – das gilt auch für die Gesundheitsversorgung.

Autor*in
Benedikt Dittrich

war von 2019 bis Oktober 2022 Redakteur des „vorwärts“.

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