Trotz Krise: SPD will Programm in Schulen für mehr Bildungschancen
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Trotz Krise will die SPD an einem im Koalitionsvertrag ausgehandelten Startchancen-Programm festhalten, um Schulen mit besonderen sozialen Herausforderungen zu fördern. Dem nicht genug, will sie auch möglichst schnell damit starten. Denn die teils besorgniserregenden Ergebnisse der kürzlich veröffentlichten IQB-Studie müssten jede*n Bildungspolitiker*in aufrütteln, erklärte der Vize-Vorsitzende der SPD-Bundestagsfraktion Sönke Rix am Mittwoch in Berlin. Nicht nur, dass sich die Kompetenzen der Viertklässer*innen im Vergleich zu früheren Studien verschlechtert hätten, habe sich auch die Bildungsungerechtigkeit weiter verstärkt. Umso wichtiger für die SPD „dass wir an dem Programm festhalten und keine Abstriche zulassen“, betonte Rix.
Startchancen-Programm: Fördern, wo es zählt!
Es sei „unsere grundsätzliche DNA als Sozialdemokraten“, dafür Sorge zu tragen, Startchancen auch von Seiten des Bundes zu fördern. Anlass war eine Fachtagung der SPD-Bundestagsfraktion zur Umsetzung des Startchancen-Programms in die Praxis: „Fördern, wo es zählt! Neue Startchancen für Schulen in herausfordernden Lagen“. Gemeinsam mit rund 150 Vertreter*innen der Länder, aus Wissenschaft und Schulpraxis beriet die SPD, wie die Gelder zielgerichtet eingesetzt werden können und Schulen mit dem stärksten Bedarf am meisten davon profitieren.
Auch für Oliver Kaczmarek, Sprecher der Arbeitsgruppe Bildung und Forschung, ist nicht akzeptabel, dass Elternhaus, Herkunft oder Geschlecht über den Bildungserfolg eines Menschen entscheidet. Zwar habe man bereits in der Vergangenheit versucht, mit Programmen gegenzusteuern, zuletzt mit dem Corona-Aufholpaket in Höhe von zwei Milliarden Euro, um Kinder und Jugendliche zu stärken, erklärte Kaczmarek. Doch all diese Maßnahmen hätten das Problem nicht nachhaltig gelöst. Es sei nicht nur Ziel, Programme zu machen, sondern auch dauerhaft in Strukturen zu investieren, betonte er.
Dazu sei eine zielgenaue Förderung wichtig. Deshalb empfahl Kaczmarek, bei Ländervergleichen genauer hinzuschauen. Es mache wenig Sinn, Nordrhein-Westfalen mit Bayern zu vergleichen, zeigte er sich überzeugt. Vielmehr müsse man innerhalb der Länder genauer hinschauen, in die Regionen und in die Quartiere. Hier müsse das Startchancen Programm ansetzen: An der einzelnen Schule mit ihren besonderen Herausforderungen. Der Hamburger Senator für Schule und Berufsbildung Ties Rabe betonte, wie wichtig es sei, die Schulen zu erreichen, die die Mittel wirklich brauchen. Nur so ließe sich Bildungsungerechtigkeit ausgleichen. Auch die Schulleiterin Sabine Kreuzer aus Bonn hoffte, dass das Geld nicht nach Gießkannenprinzip verteilt werde und sie mit langen Listen von Vorgaben beschäftigt werde. Sie wünschte sich mehr Vertrauen gegenüber den Schulen und einen Austausch über soziale Unterstützung.
Geld für 4.000 Schulen
Laut Koalitionsprogramm sollen mit dem Startchancen-Programm 4.000 allgemein- und berufsbildende Schulen mit hohem Anteil sozial benachteiligter Schüler*innen über Bundesmittel gestärkt werden. Gefördert werden soll eine moderne, barrierefreie Einrichtung mit zeitgemäßer Lernumgebung, Stellen für schulische Sozialarbeit und ein Budget, um Unterricht und Lernangebote weiterzuentwickeln. Weitere 4.000 Schulen in benachteiligten Regionen sollen gezielt mit zusätzlichen Stellen für schulische Sozialarbeit unterstützt werden.
Noch ist unklar, welches Finanzvolumen zur Verfügung steht, nach welchen Kriterien die Mittel verteilt werden und wann es losgeht. Doch mit der Fachkonferenz hat die SPD-Bundestagsfraktion jetzt einen Schritt in Richtung Umsetzung gestartet. Für Sönke Rix ist das Startchancen-Programm eines der „ambitioniertesten bildungspolitischen Projekte des Bundes“. Es müsse auch in der jetzigen Energiekrise und dem Ukrainekrieg gehandelt werden, forderte er. „Solche Projekte dürfen nicht in Frage gestellt oder verzögert werden.“
Bereits am Dienstag hatte SPD-Chefin Saskia Esken deutlich gemacht, dass das Programm angesichts des alarmierend hohen Anteils an Schüler*innen, die die Grundkompetenzen nicht erreichen, unbedingt auf den Weg gebracht werden müsse. Im vorwärts-Interview nannte sie als „klassisches Beispiel“ einer gelungenen Förderung die Rütli-Schule in Berlin-Neukölln. „Diese Schule hat aus der Situation heraus viel Potenzial geschöpft und den Schülerinnen und Schülern den Eindruck vermittelt, etwas wert zu sein. Das ist die Idee, die hinter dem Startchancen-Programm steckt.“
hat Politikwissenschaft und Philosophie in Berlin studiert und ist Redakteurin beim vorwärts.