Spitzensteuer, Vermögen, Finanzhandel: Wo sich SPD und DGB einig sind
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Wer Geld ausgeben will, muss erst mal Geld haben. Das gilt auch für den Staatshaushalt. Wenn in den kommenden Jahren Milliarden investiert werden sollen, muss dieses Geld von irgendwoher bekommen. Entweder per Kredit von der Bank oder direkt von den Einnahmen des Bundes – also über Steuern.
Beides hat der Deutsche Gewerkschaftsbund im Blick, als er in dieser Woche sein Steuerkonzept mit Blick auf den Bundestagswahlkampf vorstellt. Nach der Corona-Krise, die DGB-Vorstandsmitglied Stefan Körzell als „Jahrhundert-Krise“ bezeichnet, soll es keinen Wettlauf darum geben, wer am schnellsten die Schulden getilgt hat. Doch neben neuen Krediten zur Bewältigung der Krise macht sich der DGB auch für eine Steuerpolitik stark, die Milliarden in die Staatskassen spülen soll, ohne Geringverdiener*innen zusätzlich zu belasten. Im Gegenteil: Vor allem Millionär*innen und Milliardär*innen sollen stärker zur Kasse gebeten werden, fordert Körzell mehrmals. Während Geringverdiener*innen unter Einkommenseinbußen litten, steige der Reichtum der oberen zehn Prozent immer stärker an. „Corona verschlimmert diese Situation noch einmal“, warnt Körzell vor der ungleichen Einkommens- und Vermögensverteilung in Deutschland.
Körzell: „Wir müssen aus der Krise herauswachsen“
Gleichzeitig ächzt der Staatshaushalt unter einem wachsenden Schuldenberg. „Aber es braucht Investitionen in Schulen, Breitband, Klimaschutz, die wirtschaftliche Transformation“, zählt Körzell die Bereiche auf, in denen der Staat in den kommenden Jahren zusätzlich investieren müsse. Den staatlichen Handlungsspielraum einzuschränken, indem möglichst schnell die Schulden getilgt werden sollen, hält Körzell deswegen für den falschen Weg. „Wir müssen aus der Krise herauswachsen“, fordert der Gewerkschafter.
Trotzdem hat der Gewerkschaftsbund – ebenso wie die SPD – die Finanzen des Staates im Blick. Weitere Einnahmen seien nötig, so Körzell, „und das bedeutet: Steuern“. Um die wachsende Kluft zwischen Arm und Reich dennoch zu bekämpfen, plädiert Körzell für Reformen, die vor allem das Vermögen der Reichen stärker in den Blick nehmen. Der DGB fordert deswegen einen Mix aus Vermögensteuer und Erbschaftssteuer sowie einen höheren Spitzensteuersatz. Weitere Maßnahmen sind: Steuer-Schlupflöcher stopfen, kleinere Einkommen entlasten, das Ehegatt*innen-Splitting langfristig abschaffen sowie mit zusätzlichem Personal den Steuervollzug zu verbessern. Einige der DGB-Forderungen finden sich bereits im Entwurf des Zukunftsprogramm der SPD wieder – in drei zentralen Punkten gibt es sogar sehr große Schnittmengen.
Spitzensteuersatz: DGB fordert mehr
Den Spitzensteuersatz will der DGB auf 49 Prozent bei einem Einkommen von mehr als 76.000 Euro, auf 52 Prozent ab 130.000 Euro anheben, während mittlere und geringere Einkommen niedrigere Steuersätze als aktuell zahlen sollen – aus Sicht des DGB eine wesentlich fairere Besteuerung als aktuell. Während Mittel- und Geringverdiener*innen über Gebühr belastet werden, tragen Spitzenverdiener*innen aus DGB-Sicht zu wenig zur Finanzierung des Gemeinwesens bei. Eine weitere Hoffnung bei dieser Umverteilung: Bleibt bei den kleineren Einkommen mehr netto vom brutto übrig, kann das den privaten Konsum stärken und so die Wirtschaft ankurbeln. Wie sich die DGB-Steuersätze auf das eigene Einkommen auswirken, kann sich jede*r vom DGB-Steuerrechner ausrechnen lassen.
Was der DGB mit konkreten Zahlen fordert, findet sich grundsätzlich auch im Zukunftsprogramm der SPD wieder: Für die Bundestagswahl fordern die Sozialdemokrat*innen ebenfalls ein faireres Steuersystem, das die große Mehrheit entlastet, die kleine Oberschicht aber stärker belastet. Der DGB setzt den Spitzensteuersatz allerdings schon früher an und fordert in der Spitze bis zu sieben Prozent mehr, die SPD setzt einen nur um drei Prozent höheren Spitzensteuersatz erst bei 250.000 Euro Einkommen an.
Vermögensteuer: Progressiv versus einheitlich
Der DGB fordert auch eine progressive Steuer auf Vermögen. Während sich Privatvermögen vor allem bei den reichsten 10 Prozent der Bevölkerung konzentriert, haben die übrigen 90 Prozent wenig bis gar kein Vermögen.Im Vergleich zum Gehalt werden Vermögen und Erbschaften aber geringer oder gar nicht besteuert, erst Recht wenn es in Unternehmen als Betriebsvermögen oder in Aktien investiert ist oder vererbt wird. Der DGB fordert einen Steuersatz von einem Prozent ab einem Vermögen von einer Milion Euro, der mit steigendem Vermögen auf bis zu zwei Prozent steigen soll.
Auch die SPD fordert einen Prozentpunkt als Vermögensteuer, allerdings einheitlich. Wie beim DGB finden sich aber auch Freibeträge im Zukunftsprogramm, um kleinere Vermögen nicht zu belasten. Schlupflöcher wie Betriebsvermögen will die SPD ebenso schließen wie der DGB und die Erbschaftssteuer ebenso reformieren.
Forderungen, die im Grunde übrigens an bestehende Gesetze anknüpfen – worauf sowohl DGB als auch SPD hinweisen: Es gibt in Deutschland eine Vermögensteuergesetz, weil aber vom Verfassungsgericht angemahnte Probleme nicht beseitigt werden, wird die Steuer seit Jahrzehnten nicht erhoben.
Finanztransaktionssteuer: EU im Blick
An vielen Stellen bereits von der SPD gefordert oder in Arbeit: Der Handel mit Aktien, Devisen und Derivaten soll weltweit besteuert werden. „Wir unterstützen den Vorschlag der EU-Kommission von 2013“, bekräftigt Körzell, der DGB will die Finanztransaktionssteuer grundsätzlich auf jedes Produkt erheben, ohne Ausnahme.
Auch die Sozialdemokrat*innen fordern die Steuer im Zukunftsprogramm, es wurde bereits in der Vergangenheit als notwendiges Finanzierungsinstrument für viele Vorhaben erwähnt. So wie der DGB sich an dem Vorschlag der EU-Kommission orientiert, will die SPD die Finanztransaktionssteuer , „möglichst im Einklang mit unseren europäischen Partnern“ einführen.