SPD-Wahlprogramm: So will die SPD die gesetzliche Rente stärken
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Bei der Union ist vom Anheben des Renteneintrittsalters die Rede, die FDP plant eine Aktienrente, was halten Sie von diesen Plänen?
Nichts! Hinter beiden steckt die Behauptung, so die gesetzliche Rente stärken zu wollen. Das Gegenteil ist aber der Fall. Die schlichte Logik „Wir leben länger – also müssen wir auch länger arbeiten“ stimmt ja nicht. Die Lebenserwartung hat auch etwas mit dem sozialen Status, beruflicher Belastung, ja sogar mit dem Wohnort zu tun. Außerdem schaffen es jetzt schon viele nicht, bis zum regulären Renteneintrittsalter durchzuhalten. Eine weitere Erhöhung wäre ungerecht und würde für viele lebenslang deutlich Abschläge bei der Rente bedeuten.
Die Aktienrente der FDP würde der Rentenkasse jedes Jahr weit über 20 Mrd. Euro entziehen, weil ein Teil des Rentenpflichtbeitrags (zwei Prozent) in einen Aktienfonds gesteckt werden sollen. Begründet wird das mit der Hoffnung, der Kapitalmarkt würde das über die Jahre schon mehr als ausgleichen. Kapitalmarktphantasien sind aber kein guter Ratgeber für eine seriöse Rentenpolitik. Deshalb lehnen wir das ab.
Die SPD will die gesetzliche Rente stärken und ein Rentenniveau bei 48 Prozent sichern. Was bedeutet das eigentlich in der Praxis?
Das bedeutet vor allem, dass sich Renten weiterhin an den Löhnen und Gehältern orientieren, damit auch Rentner*innen am Wohlstand teilhaben und nicht abgehängt werden.
Lässt sich davon im Alter gut leben?
Die Rente ist Spiegelbild des Erwerbslebens. Deshalb kommt man mit der Rente über die Runden, wenn man ordentlich verdient hat. Ein großer Teil verdient aber unter dem Durchschnitt, das führt zu einer teilweise sehr geringen Rente. Wichtigste Stellschraube für ordentliche Renten sind also ordentliche Löhne. Deshalb muss der Mindestlohn rauf auf 12 Euro und die Flucht von Unternehmen aus Tarifverträgen gestoppt werden. Denn da wo es Tarifverträge gibt, sind Arbeitsbedingungen und Löhne in der Regel besser als anderswo. Mit der Grundrente haben wir einen wichtigen Aufschlag gemacht, um sicherzustellen, dass Mann/Frau auch im Alter etwas davon hat, wenn sie lange gearbeitet haben.
Im Zukunftsprogramm fordert die SPD eine geschlechtergerechte Rente. Was ist damit gemeint?
Die klassische Rollenteilung spiegelt sich auch in der Rente wieder. Frauen haben im Alter deutlich weniger Geld zur Verfügung als Männer. Das hat nicht nur mit dem Gender-Pay-Gap zu tun. Das liegt auch daran, dass familienbedingte Tätigkeiten, wie die Pflege von Angehörigen zu wenig anerkannt und honoriert werden. Das wollen wir ändern. Aus Solidarität aber vor allem aus Respekt vor diesen oft schwierigen Aufgaben.
Die Riester-Rente steht schon länger in der Kritik, Verbraucherschützer*innen fordern eine Alternative. Was sagen Sie?
Eine ergänzende private Altersvorsorge muss Ergänzung sein, nicht Ersatz für die gesetzliche Rente. Ein Konstruktionsfehler der Riester-Rente war der Anspruch, Einbußen bei der gesetzlichen Rente ausgleichen zu können. Das hat nicht funktioniert. Dass die Rendite bei vielen Verträgen niedrig ist, weil Banken und Versicherungen anfangs vor allem Verträge mit hohen Abschluss- und Verwaltungskosten verkauft haben, trägt auch zum schlechten Image dieser Form von privater Vorsorge bei. Außerdem ist die Zahl der Angebote unübersichtlich und wenig transparent.
Der Vorschlag der Verbraucherzentralen ist interessant. Sie schlagen einen öffentlich-rechtlichen Fonds vor, über den jede*r zusätzliche private Vorsorge betreiben kann. Einfach, transparent und mit geringen Verwaltungskosten. Wir können uns auch vorstellen, allen gesetzlich Versicherten die Möglichkeit einzuräumen, zusätzlich freiwillig in der gesetzlichen Rentenversicherung einzuzahlen, um ihre spätere Rente zu verbessern. Das würde auch für viele kleine Unternehmen die Möglichkeit eröffnen, betriebliche Altersversorgung einfach dort zu organisieren, wo es sie noch nicht gibt.
Welche Vorteile birgt die Erwerbstätigenversicherung, also ein System, in das alle einzahlen, also auch Beamt*innen, Abgeordnete und Selbstständige?
Solidarität in der Alterssicherung bedeutet, dass alle Menschen im Alter eine angemessene, am erreichten Lebensstandard orientierte Absicherung erhalten und dass Altersarmut vermieden wird. Solidarität bedeutet auch, dass sich alle an der Finanzierung beteiligen.
Deshalb hat der Bundesparteitag die Forderung nach einer Erwerbstätigenversicherung noch einmal bekräftigt. Die langfristigen ökonomischen Effekte der Erwerbstätigenversicherung werden unterschiedlich beurteilt, weil mit neuen Versicherten auch neue Ansprüche entstehen. Unbestritten ist aber: Die Einbeziehung weiterer Gruppen in die Rentenversicherung könnte dazu beitragen, finanzielle Herausforderungen abzufedern, die entstehen, wenn die geburtenstarken Jahrgänge in den Ruhestand gehen.
Insofern ist die Erwerbstätigenversicherung nicht die Lösung aller Probleme, aber ein wichtiger Baustein für eine gesellschaftlich breit akzeptierte Zukunftsstrategie der Alterssicherung in Deutschland.
hat Politikwissenschaft und Philosophie in Berlin studiert und ist Redakteurin beim vorwärts.