SPD-Debattenkonvent: Wie Zuwanderung für Fachkräfte sorgen kann
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Im Juli wurde ein neuer Höchstwert erreicht. Jedem zweiten Betrieb in Deutschland fehlten in dem Monat Fachkräfte. 49,7 Prozent waren betroffen, ermittelte das Münchner ifo-Institut. Die Folge: Viele Betriebe müssen ihre Arbeit einschränken. Um das auszugleichen müssten 400.000 Menschen nach Deutschland einwandern, jedes Jahr. So hat es das Institut für Arbeitsmark- und Berufsforschung (IAB) der Hans-Böckler-Stiftung errechnet.
Mit einem „Chancen-Aufenthaltsrecht“ will deshalb die Bundesregierung die Einwanderungsgesetzgebung ändern. „Wir wollen, dass Menschen, die gut integriert sind, auch gute Chancen in Deutschland haben. Deshalb geben wir Menschen, die seit mindestens fünf Jahren geduldet in Deutschland leben, für ein Jahr das Chancen-Aufenthaltsrecht“, erklärte Bundesinnenministerin Nancy Faeser das Ziel im Interview mit dem „vorwärts“. Wenn alle Voraussetzungen erfüllt sind, sollen bisher geduldete Menschen ein dauerhaftes Bleiberecht in Deutschland erhalten „Wir geben ihnen damit die Chance und auch die Zuversicht, dauerhaft dazu zu gehören“, so Faeser.
Gute Einwanderungspolitik ist mehr als reine Wirtschaftspolitik
Der Vorsitzende der SPD-AG Migration und Vielfalt, Aziz Bozkurt, und der Berliner Fachanwalt für Migrationsrecht Martin Manzel haben noch einen weitergehenden Vorschlag. „Es bedarf eines umfassenden Einwanderungskonzepts – denn gute Einwanderungspolitik ist mehr als reine Wirtschaftspolitik“, schreiben sie in einem Papier, über das sie auch beim SPD-Debattenkonvent diskutieren wollen.
Bozkurt und Manzel schlagen u.a. vor, eine Datenbank für nicht-akademische Berufe einzurichten wie es sie für akademische Abschlüsse aus dem Ausland bereits gibt. So könnten langwierige Anerkennungsverfahren vereinfacht werden, sind sie überzeugt. Darüber hinaus soll eine neue Kategorie „Fachkraft mit berufspraktischer Erfahrung“ eingeführt werden: Wer mehr als zehn Jahre praktische Erfahrung in einem Beruf hat und in seinem Heimatland mindestens als „Gesell*in“ gilt, soll so auch ohne theoretische Ausbildung den Status als „Fachkraft“ erhalten.
Ein Punktesystem ist nicht nötig
Auch sollen Arbeitnehmer*innen nach den Vorstellungen Bozkurts und Manzels künftig in Bereichen arbeiten dürfen, die nicht unbedingt ihrer Qualifikation entsprechen. Sie schlagen stattdessen das Kriterium der „Qualifikation angemessenen Beschäftigung“ vor: die erworbenen Kenntnisse sollen danach „nur noch teilweise oder mittelbar“ für die angestrebte Tätigkeit benötigt werden. Der besondere Clou am Vorschlag: Die Einführung eines Punktesystems, in dem wie etwa in Kanada Qualifikationen erfasst werden, ist so nicht notwendig.
Dirk Bleicker | vorwärts
ist stellvertretender Chefredakteur des vorwärts. Er betreut den Bereich Parteileben und twittert unter @kai_doering.