Schluss mit Hartz-IV-Sanktionen: Auf dem Weg zur Bürgergeld
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Annika Klose nennt sie die größte sozialpolitische Reform der vergangenen 20 Jahre: Mit der Einführung des Bürgergeldes will die SPD eine Kultur auf Augenhöhe schaffen und Hartz-IV endlich hinter sich lassen, sagt die zuständige Berichterstatterin für das Bürgergeld im Bundestag. Bürger*innen sollen keine Bittsteller*innen mehr sein, sondern Inhaber*innen sozialer Rechte. Eingeleitet wurde der Systemwechsel vor gut zwei Wochen im Bundestag mit dem Beschluss, Sanktionen in der Grundsicherung bis zur Einführung des Bürgergelds auszusetzen, konkreter Zeitraum bis Mitte 2023. Das einjährige Moratorium war bereits im Koalitionsvertrag festgelegt worden.
Hartz-IV-Sanktionen ausgesetzt
Auch wenn kaum Sanktionen verhängt würden – nur drei Prozent der Hartz-IV-Bezieher*innen seien laut Klose tatsächlich davon betroffen – würden sie dennoch weit häufiger angedroht. Nahezu unter jedem Schreiben vom Jobcenter und sei es nur eine Termineinladung, sei der Hinweis zu finden, dass ein verpasster Termin sanktioniert werden könne. „Wer Hartz IV bezieht, lebt aber bereits am Existenzminimum“, erklärt sie in ihrer Rede zum Sanktionsmoratorium im Deutschen Bundestag. Die Ankündigung von Sanktionen schüre existenzielle Ängste. Als ständige Drohkulisse führe sie den Menschen im SGB II-Bezug ständig ihre Abhängigkeit vor Augen. Gleichzeitig betonte Klose, dass es weiterhin Mitwirkungspflichten geben würde und auch Leistungskürzungen möglich sein. Allerdings nur als letztes Mittel.
Für das Moratorium gilt:
Pflichtverletzungen wie beispielsweise die Weigerung, eine zumutbare Arbeit/Ausbildung aufzunehmen oder sich darum zu bewerben, werden bis auf Weiteres nicht mit Kürzungen des Regelsatzes sanktioniert. Sanktionen bei Meldeversäumnissen oder Terminverletzungen sollen aber beibehalten werden. Allerdings sollen Leistungen erst nach dem zweiten Meldeversäumnis gemindert und diese begrenzt werden auf maximal zehn Prozent des Regelsatzes.
Bürgergeld statt Hartz-IV kommt
Bundesarbeitsminister Hubertus Heil hat indes angekündigt, einen entsprechenden Gesetzesentwurf für das Bürgergeld noch im Sommer vorzulegen. Laut Koalitionsvertrag will man dabei an den Mitwirkungspflichten festhalten, allerdings sollen sie neu geordnet werden. „Damit setzen wir auch das Urteil des Bundesverfassungsgerichtes um, wie die Kosten der Unterkunft von Sanktionen auszunehmen und unter 25-Jährige gleich zu behandeln“ sind, heißt es dazu im Koalitionsvertrag.
Mit dem Bürgergeld sollen Menschen aber nicht nur gezielter in den Arbeitsmarkt integriert werden – etwa durch das Nachholen eines Berufsabschlusses. Heil will auch dafür sorgen, dass Leistungen angemessen sind. In einem Interview mit dem Hamburger Abendblatt erklärte er in diesem Zusammenhang, die bisherige Berechnung des Regelsatzes aufgrund der aktuellen Preisentwicklung neu regeln zu wollen. Als Vorschlag nannte Heil, bei Familienhaushalten die unteren 30 statt wie bisher die unteren 20 Prozent der Einkommen als Grundlage zu nehmen. Die Regelsätze im Bürgergeld könnten so pro Person und Monat um etwa 40 bis 50 Euro höher liegen als in der heutigen Grundsicherung. Laut Minister eine Steigerung von rund zehn Prozent. In selbigem Interview sprach Heil auch davon, dass Bürgergeld ebenso wie das soziale Klimageld, mit dem er eine finanzielle Entlastung für Menschen mit geringem und mittlerem Einkommen bei steigenden Preisen schaffen will, zum 1. Januar 2023 einzuführen.
hat Politikwissenschaft und Philosophie in Berlin studiert und ist Redakteurin beim vorwärts.