Soziale Politik

Neue Studie: So sehr werden Kinder durch soziale Ungerechtigkeit geprägt

Eine neue Studie zeigt: Kinder und Jugendliche fühlen sich zunehmend machtlos und unzufrieden. Zeit für ein Umdenken der Gesellschaft, fordern nun Expert*innen.

von Finn Lyko · 2. Juli 2024
Immer mehr Kinder und Jugendliche fühlen sich machtlos und unzufrieden.

Immer mehr Kinder und Jugendliche fühlen sich machtlos und unzufrieden.

„Wenn wir als Gesellschaft nicht aufpassen, wird uns das überrennen“ – es sind klare Worte, die Bernd Siggelkow bei der Vorstellung einer neuen Sozialstudie in der Bundespressekonferenz findet. Die Warnung des Gründers und Vorsitzenden der Kinderstiftung „Die Arche“ ist eindeutig: Viele Kinder und Jugendliche brauchen eine Perspektive, sonst sieht er hier eine „Gefahr für die Gesellschaft“.

Studie mit erschreckenden Ergebnissen

Doch worum geht es dabei genau? Am Dienstagmittag hatten die Bepanthen-Kinderförderung und die Universität Bielefeld eine neue Sozialstudie zum Thema Gerechtigkeit bei Kindern und Jugendlichen veröffentlicht. Unter der Leitfrage „Wie gerecht ist Deutschland?“ wurden hierbei verschiedene Aspekte des Gerechtigkeitsempfindens untersucht – mit erschreckenden Ergebnissen.

Denn laut Studie fühlen sich Kinder und Jugendliche überwiegend machtlos und unbeachtet. So glaubten 75 Prozent der befragten Jugendlichen, keinen Einfluss auf die Politik zu haben, und rund die Hälfte der Befragten zweifelt daran, dass die Politik Probleme überhaupt lösen wolle. Etwas mehr als 70 Prozent gaben zudem an, davon überzeugt zu sein, dass sich die Politiker*innen in Deutschland nicht besonders für die Belange Jugendlicher interessieren.

Gerechtigkeitsempfinden abhängig vom Geldbeutel der Eltern

Zwar sei das Gefühl der Ungerechtigkeit in den letzten zehn Jahren auch im Allgemeinen angestiegen, doch gerade Kinder und Jugendliche mit alleinerziehenden Eltern, aus weniger wohlhabenden Haushalten und aus Haushalten mit niedrigerem Bildungsstand „kommen an ihre Grenzen“, ordnet Bernd Siggelkow ein.

Der wachsende Pessimismus unter Kindern und Jugendlichen sei auffällig und durchaus gefährlich, sagt Siggelkow – denn das Ventil der Betroffenen sei häufig eine erhöhte Gewaltbereitschaft oder anderweitig auffälliges Verhalten wie Konzentrationsprobleme. Das habe sich nicht zuletzt in den aktuellen Daten der polizeilichen Kriminalstatistik gezeigt, in der bereits eine erhöhte Kriminalität von Minderjährigen verzeichnet wurde.

Geld allein kann nicht helfen

Politik und Gesellschaft würden aktuell an dieser Stelle jedoch kaum Perspektiven bieten. Zwar sei der Befund eindeutig, doch das gesellschaftliche Grundproblem bleibe bislang bestehen, erklärt Bernd Siggelkow: Es fehle an Ansprechpartner*innen für Kinder und Jugendliche – dabei bräuchten sie dringend Menschen, die kontinuierlich für sie da sind, sie wahrnehmen, ihnen zuhören und sie ernst nehmen.

Das sei auch eine Frage der Systeme, in denen sich Kinder zurechtfinden müssen. Oftmals seien diese nicht an den Kindern orientiert, so Siggelkow, und die Gesellschaft nähme in Kauf, „dass Kinder durchs Sieb fallen“ – insbesondere im Bildungssystem. Um dem entgegenzuwirken, bräuchte es vor allem eins: Ein gesellschaftliches Umdenken und mehr Menschen, die sich für Kinder und Jugendliche einsetzen und sie aktiv unterschützen.

Autor*in
FL
Finn Lyko

ist Volontärin in der vorwärts-Redaktion.

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