Koalitionsvertrag: Mit neuer Grundsicherung Kinder aus der Armut holen
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Im Juli vergangenen Jahres sorgte eine Studie der Bertelsmann-Stiftung für Aufsehen. Aus dem veröffentlichten „Factsheet Kinderarmut in Deutschland“ ging hervor, dass in Deutschland 2,8 Millionen Kinder und Jugendliche von Armut bedroht sind, mehr als jedes fünfte Kind. Von diesen etwas mehr als 20 Prozent der Kinder, die armutsgefährdet aufwachsen, beziehen rund 14 Prozent Grundsicherung (SGB II/Hartz IV). Knapp die Hälfte von ihnen (45,2 Prozent) wächst in alleinerziehenden Familien auf. Die Bertelsmann-Studie sprach von einer „unbearbeiteten Großbaustelle“, die sich durch Corona noch verschlechtert hat.
Grundsicherung für Kinder gefordert
Was die Studie auch deutlich machte: Dass das Aufwachsen in Armut begrenzt, beschämt und das Leben von Kindern und Jugendlichen auch mit Blick auf die Zukunft bestimmt. Begrenzt, weil die betroffenen Kinder seltener einen ruhigen Ort zum Lernen haben und mit 24 Prozent über keinen Computer mit Internetzugang verfügen. Sie können seltener Kleidung kaufen, kaum etwas mit Freund*innen unternehmen, das Geld kostet (z.B. ins Kino gehen oder Eis essen) und erhalten seltener von ihren Eltern Taschengeld.
Sozialverbände, Gewerkschaften und SPD-Politiker*innen nahmen die veröffentlichte Bertelsmann-Studie zum Anlass, klare Forderungen zur Bekämpfung von Kinderarmut zu stellen. So forderte die SPD in ihrem Wahlprogramm eine Grundsicherung für Kinder, die nicht nur finanzielle Leistungen, sondern auch Investitionen in gute und kostenfreie Bildung und Mobilität investiert und Kinder aus dem Hartz-IV-Bezug herausholt.
Leistung soll Existenzminimum sichern
Im Koalitionsvertrag heißt es dazu nun: „Wir wollen mit der Kindergrundsicherung bessere Chancen für Kinder und Jugendliche schaffen und konzentrieren uns auf die, die am meisten Unterstützung brauchen.“ Kinder sollen aus der Armut geholt, Kitas, Schulen und sonstige Angebote der Bildung und Teilhabe sowie Mobilität sollen weiter gestärkt werden, heißt es weiter. Geplant ist, bisherige finanzielle Unterstützungen, vom Kindergeld über Leistungen aus dem SGB bis hin zum Kinderzuschlag in einer einfachen, ausgezahlten Förderleistung zu bündeln. Die soll ohne bürokratische Hürden direkt bei den Kindern ankommen und ihr „neu zu definierendes soziokulturelles Existenzminimum sichern“.
Dabei soll die Leistung zwei Komponenten enthalten: Einen einkommensunabhängigen Garantiebetrag, der für alle gleich hoch ist, und einen vom Elterneinkommen abhängigen, gestaffelten Zusatzbetrag. Volljährige Anspruchsberechtigte sollen die Leistung direkt erhalten. Für die Übergangszeit bis zur Einführung der Kindergrundsicherung sollen von Armut betroffene Kinder mit einem Sofortzuschlag abgesichert werden. Zudem soll ein ebenfalls neu einzurichtendes, digitales Kinderchancenportal, in dem Leistungen für Bildung und Teilhabe zu finden sind, Kindern einen einfachen Zugang ermöglichen.
Kinderrechte ins Grundgesetz
Außerdem im Koalitionsvertrag festgeschrieben wird eine Forderung der SPD, mit der in der vergangenen Legilaturperiode Christine Lambrecht als SPD-Bundesjustiz- und Bundesfamilienministerin am Koalitionspartner CDU/CSU scheiterte: Die Verankerung der Kinderrechte im Grundgesetz. Dazu heißt es: „Wir wollen die Kinderrechte ausdrücklich im Grundgesetz verankern und orientieren uns dabei maßgeblich an den Vorgaben der UN-Kinderrechtskonvention. Dafür werden wir einen Gesetzesentwurf vorlegen und zugleich das Monitoring zur Umsetzung der UN-Kinderrechtskonvention ausbauen.“
hat Politikwissenschaft und Philosophie in Berlin studiert und ist Redakteurin beim vorwärts.