Soziale Politik

Hubertus Heil: So soll das neue Bürgergeld aussehen

Am Mittwochvormittag hat Arbeitsminister Hubertus Heil (SPD) seine Pläne für die Einführung des Bürgergeldes vorgestellt. Der Entwurf sieht höhere Regelsätze, weniger Sanktionen und mehr Möglichkeiten zur Weiterbildung als bei Hartz IV vor.
von Jonas Jordan · 20. Juli 2022
Bundesarbeitsminister Hubertus Heil will mit dem neuen „Bürgergeld“ das Hartz-IV-System ersetzen.
Bundesarbeitsminister Hubertus Heil will mit dem neuen „Bürgergeld“ das Hartz-IV-System ersetzen.

„2022 ist nicht mehr 2002“, sagt Arbeitsminister Hubertus Heil (SPD) am Mittwochvormittag in Berlin bei einem Pressegespräch zur Einführung des Bürgergeldes. Das soll ab dem kommenden Jahr an die Stelle von Hartz IV treten. So hat es bereits im Jahr 2019 der SPD-Bundesparteitag beschlossen und so steht es auch im Koalitionsvertrag von SPD, Grünen und FDP. Heil argumentiert, dass die Hartz-Reformen Anfang der 2000er-Jahre eine Folge der Massenarbeitslosigkeit gewesen sei.

20 Jahre später habe sich die Situation auf dem Arbeitsmarkt komplett geändert. Es gebe einen Rekord an offenen Sellen, sodass es darum gehe, möglichst viele Menschen wieder in Arbeit zu bringen. Zugleich gehe es aber auch um mehr Respekt und Wertschätzung, wie Heil ausführt. „Es ist meine Überzeugung, dass Arbeit für die meisten Menschen mehr als ein Broterwerb ist“, sagt der Minister. Daher sieht Heils Entwurf zum Bürgergeld, der nun in die Ressortabstimmung der beteiligten Ministerien gehen wird, folgende Regelungen vor.

Höhere Freibeträge und größeres Schonvermögen

In den ersten beiden Jahren gilt die Regelung, dass jemand Bürgergeld beziehen kann, wenn kein „erhebliches Vermögen“ vorhanden ist. Nach Definition des Arbeitsministeriums sind das maximal 60.000 Euro für die betreffende Person sowie 30.000 Euro für jede weitere Person in der Bedarfsgemeinschaft. Auch werden in diesen ersten beiden Jahren die Aufwendungen für die Wohnung in tatsächlicher Höhe anerkannt, sprich in diesem Zeitraum muss niemand umziehen, weil er oder sie Bürgergeld bezieht. Damit soll erreicht werden, dass sich „Menschen auf eines konzentrieren können: wieder in Arbeit zu kommen“, führt Heil aus. 

Nach diesen zwei Jahren gilt ein Freibetrag von 15.000 Euro pro Person in der Bedarfsgemeinschaft. Wegfallen sollen eine Angemessenheitsprüfung für das Auto der Person. Auch wenn jemand eine eigene Wohnung oder ein eigenes Haus bewohnt, soll die Person besser gestellt werden. „Es ist eine Frage des Respekts, bei selbst genutztem Wohneigentum ein Stück fairer zu werden“, sagt der Minister. Zudem sollen Schüler*innen, Azubis oder Studierende die Möglichkeit haben, künftig bis zu 520 Euro pro Monat zum Bürgergeld dazu verdienen zu können.

Mehr Vertrauen schaffen, weniger Sanktionen

Die umstrittenen Sanktionen sollen für Bürgergeld-Empfänger*innen nicht vollständig abgeschafft, aber deutlich reduziert werden. So soll künftig für alle Bürgergeldbeziehenden eine sechsmonatige Vertrauenszeit gelten, in der Leistungsminderungen bei Pflichtverletzungen ausgeschlossen sind. „Nach sechs Monaten wird es schärfer und verbindlicher“, sagt Heil. Gesetzlich geregelt werden soll zudem gemäß der Maßgaben des Bundesverfassungsgerichtes, dass Jugendliche keine höheren Kürzungen zu befürchten haben. Leistungsminderungen in Bezug auf die Kosten der Unterkunft sollen prinzipiell ausgeschlossen werden.

Basis der Zusammenarbeit zwischen dem Jobcenter und den Bürgergeldbeziehenden soll ein Kooperationsplan sein. Darin sollen Angebote und Unterstützungsleistungen festgehalten werden. Wer permanent Termine im Jobcenter nicht wahrnehme, solle dafür zwar auch künftig sanktioniert werden können. Jedoch sollen Termine einfacher möglich sein. 

Priorität: Weiterbildung statt Aushilfsjob

Nach der Vorstellung von Hubertus Heil sollen Weiterbildungs- und Qualifizierungsangebote ein zentraler Bestandteil des neuen Bürgergeldes werden. Künftig sollen eine Ausbildung oder eine berufsabschlussbezogene Weiterbildung Vorrang vor einem Aushilfsjob haben. Der Erwerb eines Berufsabschluss soll künftig bei Bedarf auch in drei statt wie bisher in zwei Jahren möglich sein, Grundkompetenzen wie Mathe-, Lese- oder IT-Fähigkeiten zu erlernen, soll erleichtert werden. Menschen, die eine Weiterbildung abgeschlossen haben, sollen nach deren Ende drei Monate Anspruch auf das höhere Arbeitslosengeld haben.

Ein höherer Anreiz zu Weiterbildungen soll auch durch Prämien geschaffen werden. Dafür soll die bestehende Weiterbildungsprämie entfristet und zusätzlich ein monatliches Weiterbildungsgeld in Höhe von 150 Euro eingeführt werden. Auch der Soziale Arbeitsmarkt, der sich laut Heil als Instrument der Reintegration von Langzeitarbeitslosen bewährt habe, soll entfristet werden.

Bürokratieabbau

Um die Jobcenter in ihrer Arbeit zu entlasten, soll eine Bagatellgrenze in Höhe von 50 Euro für Rückforderungen geschaffen werden. Dadurch sollen diese nicht mehr durch die Rückforderung von Kleinstbeträgen in ihrer eigentlichen Arbeit aufgehalten werden. Anträge auf Bürgergeld sollen künftig auch digital gestellt werden können.

Höhere Regelsätze

Wie hoch die Bürgergeld-Regelsätze ab dem 1. Januar 2023 sein sollen, vermochte Heil am Mittwoch noch nicht zu sagen. Zum einen hänge das von den Daten des Statistischen Bundesamtes mit Blick auf die Entwicklung der Inflation in Deutschland ab. Zum anderen sei dies auch eine politische Entscheidung, die innerhalb der Ampel-Koalition getroffen werden müsse. Klar sei für ihn jedoch, dass es eine andere und zugleich transparente, nachvollziehbare Bemessungsgrundlage brauche, auf Basis derer die Regelsätze dann deutlich steigen sollen.

Weiterer Zeitplan

Heil kündigt an, dass der Entwurf des Arbeitsministeriums für die Einführung des Bürgergeldes nun in die Ressortabstimmung gehe. Im September soll ein Kabinettsbeschluss folgen, anschließend das Bürgergeld-Gesetz ins parlamentarische Verfahren gehen, sodass es bereits zum 1. Januar 2023 in Kraft treten könne. Notwendig dafür ist auch die Zustimmung des Bundesrates.

Autor*in
Jonas Jordan
Jonas Jordan

ist Redakteur des „vorwärts“. Er hat Politikwissenschaft studiert und twittert gelegentlich unter @JonasJjo

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