Soziale Politik

Gerechte Mobilitätswende: Warum Klimaschutz in Baden-Württemberg rot ist

Antriebswende, 365-Euro-Ticket für den Nahverkehr und Klimaschutz als Chance: Die SPD in Baden-Württemberg kämpft für eine sozial-gerechte Mobilitätswende. Damit der Strukturwandel des Automobilsektors keine Gefahr für Beschäftigte und Mobilität keine Preisfrage wird.
von Benedikt Dittrich · 11. März 2021
Notwendige Mobilitätswende: Das Neckartor in Stuttgart wurde in der Vergangenheit als „schmutzigste“ Straße Deutschlands gebrandmarkt.
Notwendige Mobilitätswende: Das Neckartor in Stuttgart wurde in der Vergangenheit als „schmutzigste“ Straße Deutschlands gebrandmarkt.

Deutschland ist das Land der Automobil-Industrie. VW, BMW, Audi, Opel, Mercedes – große Marken genießen trotz Konkurrenz aus Asien und Amerika immer noch ein hohes Ansehen auf der Welt. Doch wenn es um die Zukunft der Mobilität geht, scheint der heimische Industriesektor abgehängt: Bei E-Autos reden alle von Tesla, bei klimaneutraler Mobilität vor allem von Bus und Bahn, aber nicht vom Individualverkehr mit dem Pkw.

Das ist eine Gefahr für den größten Wirtschaftszweig in Baden-Württemberg. Hunderttausende Jobs hängen an dem Automobilsektor, allein rund 100.000 Menschen arbeiten für Daimler, der Konzern hat in Stuttgart seinen Hauptsitz und außerdem ein großes Werk. Hinzu kommen etliche Beschäftigte in den Zulieferindustrien, die von dem Automobilsektor abhängig sind. Je nach Berechnung sind damit zwischen einer viertel oder einer halben Million Menschen direkt oder indirekt von diesem Wirtschaftszweig abhängig. Damit ist die Mobilitätswende – oder „Antriebswende“, wie SPD-Spitzenkandidat Andreas Stoch sie konkreter benennt – auch ein zentrales Thema im Landtagswahlkampf.

Den Wandel gestalten – für die Beschäftigten

Dass die Automobilindustrie vor einem grundsätzlichen Wandel steht, daran lässt Stoch keinen Zweifel: „Ein Weiterso für den Verbrenner, wie ihn die CDU propagiert, kann es nicht geben.“ Auch dass der Wandel Arbeitsplätze bedroht, verändert und umgestaltet, ist den Sozialdemokrat*innen in Baden-Württemberg klar. Stoch will keine Ängste schüren, im Gegenteil: Er sieht den Umbau als Chance. Deswegen begegne man dem Wandel mit Weiterbildung, Ausbildung, Forschung und Innovation, so Stoch: „Wir wollen die Beschäftigten von heute vorbereiten auf die Arbeit von morgen.“

Damit es gar nicht erst zur Arbeitslosigkeit kommt, soll die Weiterbildung schon beginnen, wenn die Beschäftigten noch im Betrieb arbeiten. „Mit einem Weiterbildungsfonds unterstützen wir besonders Mitarbeitende kleiner und mittlerer Zulieferer dabei, sich weiter zu qualifizieren.“ Damit kleine und mittelständische Betriebe wettbewerbsfähig und Arbeitsplätze erhalten bleiben, soll eine Landesinnovationsagentur unterstützen. Außerdem sollen Forschungsgelder drastisch erhöht werden, verspricht Stoch – vor allem mit Blick auf Elektromobilität und Wasserstoff. „Auch die Autos von morgen müssen aus Baden-Württemberg kommen!“, fordert Stoch.

Der erste Schritt sei dabei, weder vor dem Wandel noch vor den Ängsten der Beschäftigten die Augen und Ohren zu verschließen. Aber: Klimaschutz, um den es ja bei der Mobilitätswende geht, müsse auch sozial ausgewogen sein und müsse die Beschäftigten unbedingt mitdenken, betont der SPD-Landesvorsitzende. „Der Wandel ist die Chance für einen sozial-ökologischen Umbau unserer Arbeitswelt und Gesellschaft“, ist Andreas Stoch überzeugt – und betont mit Blick auf Gewinne und Profite ein sozialdemokratisches Grundprinzip: „Mit starker Tarifbindung und guten Löhnen müssen die Beschäftigten konsequent daran beteiligt werden.“ Außerdem: Wenn die Rahmenbedingungen stimmten, bringe den Arbeitnehmer*innen digitaleres und flexibleres Arbeiten mehr Freiheiten.

Gerechter Wandel mit gerechter Mobilität

Sozial ausgewogen bedeutet aber eben auch: Eine andere Mobilität soll auch für die attraktiv sein, die keinen dicken Geldbeutel haben, die sich das neue E-Auto nicht leisten können. „Die Menschen müssen sich auch eine Änderung in ihrem Mobilitätsverhalten leisten können“, sagt Stoch beim „Klimaschutz-Talk“ der Landes-SPD Ende Februar. Da kritisiert Stoch vor allem die Grünen unter Ministerpräsident Kretschmann, der am Sonntag wiedergewählt werden will. „Eine grün-schwarze Landesregierung redet gerne vom Klimaschutz, aber dass eine soziale Dimension in den Blick genommen wird, das fehlt regelmäßig.“

Deswegen plädiert die SPD für ein 365-Euro Ticket für den öffentlichen Nahverkehr – und, damit sich das günstige Jahresticket auch in ländlichen Regionen lohnt, für einen massiven Ausbau des Nahverkehrsnetzes. „Ein Land wie Baden-Württemberg ist reich genug, um sich eine solche Initiative leisten zu können“, ist sich Stoch sicher. Außerdem sagt er, mit Blick auf den Autoverkehr: „Es will ja niemand gerne im Stau stehen.“ Die Landeshauptstadt Baden-Württembergs, Stuttgart, sorgte vor der Coronakrise immer wieder für negative Schlagzeilen aufgrund von Staus und verkehrsbedingten Schadstoff-Emissionen.

Warum ein günstiges Jahresticket für den Nahverkehr gerecht ist, kann Stoch in einem einfachen Satz erklären: „Ein 365-Euro-Ticket schließt niemanden aus.“ Er warnt außerdem vor einer neuen Spaltung der Gesellschaft, wenn dieser Aspekt nicht berücksichtigt wird: „Menschen, die ein zehn Jahre altes Auto fahren, weil sie sich kein neues batteriebetriebenes leisten können, fühlen sich sonst ausgeschlossen.“ Alle Menschen müssten bei dem Prozess mitgenommen werden. „Deswegen ist Klimaschutz rot!“, formuliert Stoch deshalb selbstbewusst, „das ist die soziale Dimension des Wandels und die gibt's nur mit der SPD.“

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