Soziale Politik

Gegen Armut: Die Kindergrundsicherung soll bei den Kindern ankommen

Jedes fünfte Kind in Deutschland ist von Armut betroffen. Die SPD will das mit der Kindergrundsicherung ändern. Die soll direkt bei den Kindern ankommen, erklärt der SPD-Politiker Sönke Rix. Und auch, was auf dem Weg dahin noch passieren muss.
von Vera Rosigkeit · 1. Juni 2022
Auf dem Weg zur Kindergrundsicherung: Diejenigen, die am meisten Unterstützung brauchen, diese auch bekommen.
Auf dem Weg zur Kindergrundsicherung: Diejenigen, die am meisten Unterstützung brauchen, diese auch bekommen.

Trotz Sondervermögen und zusätzlicher Haushaltsausgaben betont die SPD, dass soziale Vorhaben aus dem Koalitionsvertrag nicht zurückgestellt werden. Darunter auch die Kindergrundsicherung. Warum ist sie für die SPD so wichtig?

Den meisten Kindern und Jugendlichen in Deutschland geht es finanziell gut. Aber zur Wahrheit gehört auch: Jedes fünfte Kind in Deutschland ist in unterschiedlicher Form von Armut betroffen. Und Kinderarmut, das wissen wir, hat unmittelbare Folgen – geringere Bildungschancen, weniger Teilhabe. Das kann sich ein Leben lang negativ auswirken auf die Möglichkeiten, die diese Kinder später in ihrem Erwachsenenleben haben werden. Die Chancen von Kindern dürfen aber nicht bestimmt werden vom Einkommen der Eltern – das ist für uns Sozialdemokrat:innen die Leitschnur unserer Politik.

Wir haben zwar hierzulande ein breites Spektrum an Unterstützung von Kindern und Familien. Aber es zeigt sich doch: Dort, wo sie besonders gebraucht wird, kommt sie oft nicht an. Teilweise wissen Eltern nicht, welche Leistungen sie in Anspruch nehmen könnten. Oder aber sie resignieren und beantragen diese Leistungen erst gar nicht, weil die bürokratischen Hürden für sie unüberwindbar scheinen.

Hinzu kommt, dass derzeit besonders Familien mit höheren Einkommen vom Familienleistungsausgleich profitieren. Kinder von Erwerbstätigen mit unteren und mittleren Einkommen erhalten Kindergeld: je nach Anzahl der Kinder sind das 219 bis 250 Euro. Die Kinder von Gut- und Spitzenverdiener*innen profitieren mit steigendem Einkommen von den steuerlichen Kinderfreibeträgen. Aktuell beträgt die maximale Entlastung aufgrund der Freibeträge 330 Euro monatlich. Das ist paradox. Das ist ungerecht.

Welche Vorteile sind damit verbunden?

Um die gegenwärtige Schieflage wieder ins Lot zu bringen, wollen wir finanzielle Leistungen wie das Kindergeld, den Kinderzuschlag und das Sozialgeld für Kinder in einer einzigen Leistung bündeln. Diese Leistung setzt sich zusammen aus einem einkommensunabhängigen Garantiebetrag, der für alle Kinder und Jugendlichen gleich hoch ist, und einem vom Elterneinkommen abhängigen, gestaffelten Zusatzbetrag. Die Kindergrundsicherung soll ohne bürokratische Hürden direkt bei den Kindern ankommen und sie soll das neu zu berechnende soziokulturelle Existenzminimum sichern.

Mit der neuen Leistung werden also diejenigen, die am meisten Unterstützung brauchen, diese auch bekommen. Und diejenigen, die wenig Geld zur Verfügung haben, werden mehr von der Kindergrundsicherung haben als die Familien, die sich, ohne mit der Wimper zu zucken, für ihr Kind einen Platz an einer teuren Privatschule leisten können.

Ende März hat sich eine Interministeriellen Arbeitsgruppe Kindergrundsicherung konstituiert. Wer ist vertreten und was sind ihre Aufgaben?

In der Interministeriellen Arbeitsgruppe sind das federführende Familienministerium sowie das Sozial-, Justiz-, Finanz-, Bildungs- und Wohnministerium vertreten. Ihre Aufgabe wird es in den kommenden Monaten sein, ein Konzept für eine Kindergrundsicherung zu entwickeln. Das ist eine hochkomplexe Angelegenheit, weil bspw. Schnittstellen zum Sozial-, Steuer- und Unterhaltsrecht gut ineinandergreifen und gleichzeitig auch Wechselwirkungen mit anderen Leistungen mitgedacht werden müssen.

Vor Ende 2023 ist wohl nicht mir der Kindergrundsicherung zu rechnen. Wie können Familien gerade in Zeiten stark steigender Preise trotzdem unterstützt werden? Wofür macht sich die SPD stark?

Wir müssen dafür sorgen, dass die Preissteigerungen nicht diejenigen am härtesten treffen, die am wenigsten Geld zur Verfügung haben. Deshalb haben wir den Kindersofortzuschlag eingeführt. Er unterstützt alle Kinder, deren Eltern Grundsicherung beziehen oder wenig verdienen, monatlich mit zusätzlich 20 Euro. Doch schon bevor sich die Preisexplosion abgezeichnet hat, waren wir uns als Koalition einig: Bis zur Einführung des komplexen Vorhabens Kindergrundsicherung werden wir als Zwischenschritt den Sofortzuschlag einziehen.

Zusätzlich entlasten wir in diesen angespannten Zeiten erwachsene Leistungsberechtigte der sozialen Mindestsicherungssysteme mit einer Einmalzahlung von 200 Euro. Arbeitslosengeld-Empfänger:innen erhalten einmalig 100 Euro. Im Rahmen des Entlastungspakets der Bundesregierung gehören darüber hinaus auch eine Energiepreispauschale, ein Kinderbonus von 100 Euro für jedes Kind, eine Energiesteuerabsenkung auf Kraftstoffe für drei Monate sowie die 90 Tage ÖPNV-Flatrate für neun Euro pro Monat für alle.

Das Interview wurde schriftlich geführt.

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Vera Rosigkeit

hat Politikwissenschaft und Philosophie in Berlin studiert und ist Redakteurin beim vorwärts.

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