Erwerbstätigenrente: Warum sie vor allem Jüngeren nützt
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Rente mit 68 und mehr private Vorsorge sind für Sie keine guten Lösungen, die Rente zu stabilisieren. Sie wollen Selbstständige und Beamt*innen in die gesetzliche Rentenversicherung einbeziehen. Warum ist das eine Frage der Gerechtigkeit?
Wir haben aktuell ein System in Deutschland, dass Menschen nach ihrem Berufsstatus sehr unterschiedlich behandelt. Wie lässt es sich rechtfertigen, dass manche Menschen wie beispielsweise viele Beamt*innen eine sehr gute Alterssicherung haben, während andere, wie beispielsweise Arbeitnehmer*innen, auch wenn sie ähnlich hart arbeiten, ab dem Jahr 2025 wieder mit einem sinkenden Rentenniveau rechnen müssen? Das ist eine massive Ungleichbehandlung innerhalb der öffentlichen Systeme. Selbstständige sind teilweise sehr gut, teilweise gar nicht abgesichert und am Ende auf die Grundsicherung zurückgeworfen. Anstatt ihnen zusätzlich eine private Vorsorge anzulasten, wäre eine Pflichtversicherung in der gesetzlichen Rentenversicherung sinnvoll. Schließlich ist zu überlegen, ob das System nicht insgesamt stabiler wäre, wenn wir es für Beamt*innen, die neu ins Berufsleben kommen, und für Selbstständige öffnen.
Was würde es bringen, wenn Selbstständige, Beamt*innen und Arbeitnehmer*innen alle in ein System einzahlen?
Dem Plan, Selbstständige noch in dieser Legislaturperiode abzusichern, lag in erster Linie der Schutzgedanke zugrunde, dieser Gruppe erst einmal eine vernünftige Rentenversicherung zu verschaffen. Darüber hinaus geht es aber auch um die Finanzierung: Zunächst würde das Einbeziehen von Selbständigen und/oder neuen Beamt*innen in die gesetzliche Rentenversicherung über Jahre hinweg höhere Einnahmen bescheren. Mit der Folge, dass unter sonst gleichen Bedingungen das Rentenniveau höher läge und der Beitragssatzanstieg geringer ausfallen würde. Diesen Einnahmen würden natürlich in späterer Zukunft auch höhere Ausgaben entgegenstehen, allerdings bei weiterhin mehr Beitragszahlern. Auch der schrittweise Einbezug der Beamt*innen ist kein Allheilmittel, denn für eine Zeitlang würden einerseits Pensionen gezahlt und andererseits Beiträge zur Sozialversicherung geleistet werden. Zentral ist hier, zu welchen Bedingungen sie einbezogen werden. In welcher Höhe beispielsweise noch eine Betriebsrente nach den Regeln des öffentlichen Dienstes finanziert wird.
Würde es Nachteile für Beamt*innen geben, wenn sie einbezogen würden?
Die Tarifverträge des öffentlichen Dienstes sehen eine Zusatzversorgung vor. Bund und Ländern würde es auch weiterhin offenstehen, zusätzliche Leistungen zu zahlen, um so für eine Besserversorgung von Angestellt*innen wie auch Beamt*innen zu sorgen. Trotzdem bleiben Fragen, zum Beispiel, wie wir mit hohen Beamt*innen umgehen? Sollen sie durch den öffentlichen Arbeitgeber auch oberhalb der Beitragsbemessungsgrenze abgesichert werden? Oder können wir bei diesen hohen Einkommen davon ausgehen, dass sie privat vorsorgen können? An dieser Stelle könnte man ähnlich wie in anderen Branchen üblich sagen, dass es eine dann hoffentlich deutlich großzügigere Absicherung durch die Rentenversicherung gibt und zusätzlich vielleicht auch eine Betriebsrente. Aber ab einer bestimmten Höhe des Einkommens müsste dann zusätzlich privat vorgesorgt werden. Denn wenn es nicht nur von der einen in die andere Tasche gehen soll, muss es auch zu einer Art Umverteilung kommen.
Wie lässt sich so eine Umstellung organisieren?
Natürlich würde man bei bereits pensionierten Beamt*innen die Pension nicht neu berechnen. Das kann nur schrittweise passieren. Da müsste man in einem ersten Schritt erst einmal alle neu Verbeamteten einbeziehen oder alle, die neu ein Gewerbe anmelden. Auch ist die Frage zu klären, wie zukünftig beispielsweise mit Rechtsanwält*innen oder Ärzt*innen verfahren werden soll, die bisher in ihren berufsständigen Versorgungseinrichtungen abgesichert sind, die an die Kammern angedockt sind. Das sind ja nicht die sogenannten kleinen Selbstständigen, wo wir uns die Haare raufen, unter welchen Bedingungen die arbeiten, sondern einflussreiche, gutverdienende Lobbygruppen mit einem entsprechenden Statusbewusstsein. Das ist alles nicht einfach. Wenn es etwa um das Beamtenrecht geht, müssen die Regeln in 16 Bundesländern, im Bund und das Soldat*innengesetz angepasst werden. Das ist ein Mammutprojekt, für das wir gesellschaftliche Mehrheiten brauchen.
Was wäre der Vorteil für die gesetzliche Rentenversicherung neben möglichen Mehreinnahmen?
Ein aus meiner Sicht wichtiger Aspekt ist die Stabilität der Finanzierung. Eine Versicherung wird immer stabiler, je mehr und je unterschiedlicher die Leute sind, die einzahlen. Nehmen Sie als Beispiel eine Betriebsrente, die nur eine Gruppe von Handwerkern umfasst. Wenn Sie die durch eine Umlage finanzieren, also die jetzigen Beschäftigten und Arbeitgeber*innen die jetzigen Renten bezahlen, ist das System bei so einer kleinen Gruppe anfälliger, wenn etwa das Gewerbe schrumpft, weniger Personal da ist oder Betriebe insolvent gehen. Wenn ich aber viele Berufsgruppen zusammenlege, kann ich Risiken besser abfedern und das Gesamtsystem wird dadurch stabiler. Wenn wir also Selbstständige und Beamt*innen im System hätten, hätten wir einen Fluss an Finanzmitteln, der etwas stärker abgekoppelt wäre von konjunkturellen Schwankungen. Das wird uns nicht immer glücklich machen. Bei einer großen Wirtschaftskrise würden wir wahrscheinlich trotzdem mit den Zähnen knirschen. Aber je mehr Menschen sich in diesem Land gegenseitig absichern, desto stärker können wir es verkraften, wenn es einer Branche tatsächlich schlecht gehen sollte.
Dann würde diese Umstellung in erster Linie für die jüngere Generation Sinn machen?
Es würde vor allen Dingen aus systemischer Sicht Sinn machen. Denn es ist unverständlich, warum man in einem Alterssicherungssystem, das auf gegenseitige Absicherung und Solidarität setzt, immer noch nach Berufsgruppen und Statusgruppen unterteilt und dadurch Ungleichheiten schafft.
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hat Politikwissenschaft und Philosophie in Berlin studiert und ist Redakteurin beim vorwärts.