Soziale Politik

Energiepreise: EEG-Umlage kann bis Mitte des Jahres gestrichen werden

Was tun gegen steigende Energiepreise? Der Vorsitzende der Energieminister-Konferenz, Olaf Lies, plädiert für eine Abschaffung der EEG-Umlage bis Mitte dieses Jahres. Von einer Absenkung der Mehrwertsteuer auf Energie hält er dagegen nichts.
von Kai Doering · 17. Februar 2022
Das Heizen wird teurer: Es wäre sehr unklug, allein auf das Prinzip Hoffnung zu setzen, sagt Niedersachsens Energieminister Olaf Lies.
Das Heizen wird teurer: Es wäre sehr unklug, allein auf das Prinzip Hoffnung zu setzen, sagt Niedersachsens Energieminister Olaf Lies.
Seit einigen Monaten steigen die Energiepreise rasant. Wie kann die Politik hier schnell für Entlastungen der Bürger*innen sorgen?
 
Zunächst mal habe ich die Hoffnung, dass sich auf absehbare Zeit wieder eine Entspannung am Gasmarkt und damit bei den Preisen einstellt. Aber es wäre sehr unklug, allein auf das Prinzip Hoffnung zu setzen. Wir müssen zuallererst auf den Teil der Energiepreise schauen, die hausgemacht sind. Ich denke da an die EEG-Umlage und genauso an die Stromsteuer. Und wir müssen den richtigen Weg, den wir mit der Erhöhung der Heizkostenpauschale eingeschlagen haben, weitergehen und Wohngeld und BaföG an die Entwicklung der Energiepreise koppeln. Eine warme Wohnung muss in unserem Land eine Selbstverständlichkeit sein. Das muss sich jeder leisten können.
 
In anderen Ländern wurde die Umsatzsteuer auf Energie gesenkt, um die Kosten zu reduzieren. Wäre das auch für Deutschland der richtige Weg?
 
Das ist eine Forderung, die derzeit vor allem von der Unions-Seite erhoben wird. Gegen eine grundsätzliche Prüfung spricht auch erstmal nichts, inhaltlich halte ich aber von der Forderung wenig. Ich bin der Auffassung, dass wir so nur ein falsches Anreizsystem schaffen. Eine solche Senkung hilft doch Gutverdienern mit großem Auto und großem Haus, die entsprechend viel verbrauchen. Wo ist da die Lösung für diejenigen, die ohnehin schon wenig haben und wenig verbrauchen? Den Menschen müssen wir gezielt helfen!
 
Fest steht doch: Diejenigen, die wenig haben, ächzen am meisten unter der Last der Energiepreise. Sie treiben die Inflation und machen das Leben teurer. Das hat sich im Schatten der Corona-Pandemie mittlerweile zu einem zentralen Thema entwickelt. Und daher müssen wir neben den Heizkosten auch überlegen, wie wir die Pendlerpauschale an die explodierten Preise anpassen, und die, die jeden Tag aufs Auto angewiesen sind, nicht vergessen. Übrigens: eine pauschale Umsatzsteuersenkung für alle, die eben nicht nur die entlastet, die es wirklich nötig haben, wird auch sehr teuer – natürlich sind solche Forderungen für die Opposition leicht. Dass aber auch unser Koalitionspartner im Land so stark darauf drängt, überrascht mich schon. Für seriöse,  real machbare Politik halte ich das jedenfalls nicht.
 
Auch der Ruf nach einer schnelleren Abschaffung der EEG-Umlage wird wegen der steigenden Energiepreise immer lauter. Ist das sinnvoll?
 
Das fordere ich seit langem. Eine Streichung der Umlage auf Null bis Mitte dieses Jahres wäre schnell machbar, da hier auch ein breiter politischer Konsens besteht. Das kann uns sofort bis zu 4 Cent pro Kilowattstunde Entlastung bringen.
 
Wie kann dafür gesorgt werden, dass die Versorger die geringeren Kosten auch an die Verbraucher*innen weitergeben?
 
Früher hätte man gesagt: Wenn dein Anbieter zu teuer ist, dann wechsele ihn halt. Der Markt regelt das dann schon. Wie schief das gehen kann, haben die zahlreichen Billigstromanbieter gezeigt, die zuletzt ihre Lieferzusagen nicht mehr eingehalten haben. Für mich ist allein das schon skandalös. Dazu kommt, dass die Kunden dann häufig in eine teure Grundversorgung zurückgefallen sind. Da werden in extremen Fällen Preise von bis zu einem Euro pro Kilowattstunde aufgerufen. Das trifft gerade die am härtesten, die am meisten aufs Geld achten müssen und durch einen Anbieterwechsel einige Euro sparen wollten. Die sind dann doppelt gekniffen. Hier hat der Markt ganz klar versagt und hier müssen wir bessere Leitplanken einziehen.
 
Gleichzeitig werden wir aber als Politik sehr genau darauf zu achten haben, dass die Anbieter die Preissenkungen weitergeben. Es darf nicht sein, dass wir als Staat in Vorleistung gehen und Steuern und Abgaben senken und die Versorger dann die Gewinne einstreichen. Hier sind wir gefordert, klare Vereinbarungen zu treffen und den Druck auf die Anbieter hochzuhalten. Gerade bei der EEG Umlage müssen daher auch rechtliche Möglichkeiten geprüft werden, die eine verpflichtende Weitergabe an den Kunden absichern.
 
Wie kann Deutschland mittelfristig unabhängiger von Energieimporten werden, um Preisschwankungen weniger ausgeliefert zu sein?
 
Der Schlüssel liegt hier ganz klar in der Energiewende. Denn die Erneuerbaren liefern sicheren, verlässlichen und vor allem kostengünstigen Strom. Zum Vergleich: Windstrom kann ich an Land bereits für etwa 5-6 Cent pro Kilowattstunde produzieren, Offshore wird in die gleiche Größenordnung kommen. Atomstrom kostet allein in der Produktion mit 14 Cent fast das Dreifache. Das ist eine einfache Rechnung. Aber wir müssen beim Ausbau von Windkraft und Photovoltaik und genauso beim Ausbau der Stromnetze viel schneller werden.
 
Wenn uns die Energiewende gelingt, ist das die Chance nicht nur für eine in allen Belangen klimaneutrale und bezahlbare Energieversorgung. Sie ist auch ein Garant für neue, gute Arbeitsplätze. Denn nicht nur die gesamte Wertschöpfung kann dann bei uns stattfinden, es wird auch neue Industrie-Ansiedlungen dort geben, wo die Energie zur Verfügung steht. Die Industrie folgt immer der Energie.
 
Auf dem Weg dahin wird übrigens weiterhin Gas eine gewichtige Rolle spielen. Und hier darf es nicht nochmal passieren, dass wir in den Winter mit halbvollen Gasspeichern starten. Wir müssen uns unabhängig machen von einzelnen Beschaffungsländern. Die Ukrainekrise zeigt uns doch gerade, was für unangenehme Diskussionen wir hier führen müssen. Ich möchte im Umkehrschluss übrigens genauso wenig einseitig von amerikanischen Lieferungen abhängig sein.
Gas wird nämlich gleichzeitig eine für die Energiewende unersetzbare Energiequelle sein. Die brauchen wir gerade in der Übergangszeit auf unserem Weg hin zu einer klimaneutralen Energieversorgung. Hier müssen wir Investitionssicherheit durch klare politische Ansagen schaffen, damit wir beim Bau neuer Gaskraftwerke vorankommen können. Und wir müssen auch die Errichtung von Flüssiggas-Terminals an der deutschen Küste diskutieren, die dann nicht nur für fossiles Gas, sondern demnächst auch für sauberes, klimafreundliches Gas genutzt werden können.
Autor*in
Kai Doering
Kai Doering

ist stellvertretender Chefredakteur des vorwärts. Er betreut den Bereich Parteileben und twittert unter @kai_doering.

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