Soziale Politik

Drittes Entlastungspaket: Wie es nach dem 9-Euro-Ticket weitergeht

Auf Bundesebene ist es der erste große Schritt: Mit dem dritten Entlastungspaket nimmt auch die Nachfolge des 9-Euro-Tickets Form an. Der Bund will 1,5 Milliarden Euro pro Jahr für ein Nachfolgeticket in die Hand nehmen. Doch das reicht noch nicht.
von Benedikt Dittrich · 5. September 2022
Das 9-Euro-Ticket wurde gut angenommen, über ein Nachfolgeticket wird verhandelt.
Das 9-Euro-Ticket wurde gut angenommen, über ein Nachfolgeticket wird verhandelt.

Ein Ticket für den öffentlichen Nahverkehr, bundesweit gültig, einfach und günstig – das 9-Euro-Ticket hat sich rückblickend zum buchstäblichen Kassenschlager des zweiten Entlastungspakets entwickelt. Es wurde mehr als 52 Millionen Mal verkauft, vielfach in der Ferienzeit und zum Pendeln genutzt. Umso größer bei vielen die Enttäuschung, als Ende August das Angebot auslief. Seither wird über ein Nachfolgeticket diskutiert, als Preisrahmen sind 9 bis 69 Euro pro Monat im Gespräch. Einig ist man sich aber darüber: Es soll erneut ähnlich einfach und unkompliziert gestaltet sein.

Mit dem dritten Entlastungspaket kommt jetzt neue Bewegung in die Debatte, denn die Bundespolitik hat einen konkreten Schritt gemacht: 1,5 Milliarden Euro pro Jahr ist der Ampel-Koalition eine Anschlussfinanzierung eines bundesweiten Nahverkehrstickets wert. Konkret heißt es dazu im Ergebnispapier des Koalitionssausschuss: „Die Bundesregierung ist bereit, den Ländern für ein bundesweites Nahverkehrsticket jährlich 1,5 Milliarden Euro zusätzlich zur Verfügung zu stellen, wenn die Länder mindestens den gleichen Betrag zur Verfügung stellen.“

Ein Satz, der auch aufzeigt, wie komplex das Thema öffentlicher Nahverkehr in Deutschland ist: Finanziert wird die Verkehrsinfrastruktur von Bund, Ländern und Kommunen gemeinsam. Die Verantwortung haben aber Länder und Kommunen, das wird auch in dem Papier noch einmal betont. Der Bund gibt Geld dazu, vor allem über die „Regionalisierungsmittel“. Wie hoch die ausfallen, welche Angebote damit zu finanzieren sind, das sind immer wieder die Diskussionsthemen zwischen dem Bundesverkehrsministerium und den Landesverkehrsministerien.

Nächste Konferenz im Oktober

Auf der Ebene dürfte es nun auch weitergehen: Die nächste Verkehrsministerkonferenz ist für Mitte Oktober terminiert, dort dürfte das Thema „Nachfolge 9-Euro-Ticket“ wieder auf der Tagesordnung stehen. Ende August, beim vergangenen Treffen, gab es keine Einigung dazu. Mit dem Beschluss vom Wochenende kommt der Bund den Forderungen der Landesminister*innen aber nun offensichtlich entgegen. Hinzu kommt die Zusagen für weitere 500 Millionen Euro, um die CO2-Emissionen im Verkehrsbereich zu reduzieren. Das Geld soll allein in die Schieneninfrastruktur gesteckt werden.

Doch wann kommt nun das Anschlussticket? Dass bis zum Jahreswechsel ein neues, bundesweites Nahverkehrsticket steht, nannte die verkehrspolitische Sprecherin der SPD-Bundestagsfraktion, Dorothee Martin, zuletzt „sportlich“ im Gespräch mit dem „vorwärts“. Früher erscheint, auch mit Blick auf die nächste Verkehrsministerkonferenz, als unrealistisch. Zumal das Anschlussticket bundesweit technisch verfügbar gemacht werden müsste: Bis das 9-Euro-Ticket nach der Ankündigung erstmals gekauft werden konnte, vergingen mehrere Monate.

Bezogen auf den Preis betonte Martin am Wochenende, dass ein 49-Euro-Ticket das Ziel der SPD sei. Festgelegt wurde der Preis aber noch nicht. Die Rede ist im Entlastungspaket von verschiedenen Modellen, die derzeit diskutiert würden und „bei einem entsprechenden Mitteleinsatz zu Preisen von 49 bis 69 Euro pro Monat führen würden“.

49 Euro sind zwar ein Vielfaches mehr als 9 Euro, dennoch würde damit der Preis einer Monatskarte in der Mehrheit der Verkehrsverbünde weiterhin deutlich unterboten werden, geschweige denn bei Nahverkehrstickets über mehrere Landkreise oder Regionen hinweg. An der Obergrenze der Forderungen für ein bundesweites Ticket liegen die 49 Euro ebenfalls nicht: Der Verband der Verkehrsunternehmen (VDV) hatte im Juli sogar 69 Euro vorgeschlagen mit der Begründung, dass diesen Preis die Branche finanziell stemmen könne. Das hatte die SPD damals deutlich abgelehnt.

Milliarden nötig für bezahlbare Mobilität

Für das 9-Euro-Ticket hat die Bundesregierung rund 2,5 Milliarden Euro für drei Monate bezahlt, hochgerechnet auf ein Jahr wären dafür also rund 10 Milliarden fällig geworden. Nötige Investitionen in die Infrastruktur noch gar nicht berücksichtigt. Auch der Vergleich zeigt: Mit den zusätzlichen 1,5 Milliarden Euro vom Bund, selbst wenn die Länder dieselbe Summe zuschießen würden, wäre ein 9-Euro-Ticket ohne zusätzliche Finanzspritzen auf Dauer wohl nicht finanzierbar.

Und auch um die 1,5 Milliarden Euro von den Bundesländern, das zeichnet sich schon ein Tag nach der Vorstellung des dritten Entlastungspakets bereits ab, wird noch gerungen werden: Das Verkehrsministerium in Bayern will weiterhin keinen Euro dazugeben und pocht auf einer kompletten Kostenübernahme durch den Bund, auch die schwarz-grüne Landesregierung in Nordrhein-Westfalen sieht ebenfalls den Bund in der Verantwortung, zeigte sich aber immerhin verhandlungsbereit.

Autor*in
Benedikt Dittrich

war von 2019 bis Oktober 2022 Redakteur des „vorwärts“.

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