Soziale Politik

„Die Entlastungs-Vorschläge von Lindner sind verbesserungsbedürftig.“

Vor dem Hintergrund weiter steigender Preise wird die Ampel-Koalition weitere Entlastungen auf den Weg bringen, sagt SPD-Finanzexperte Achim Post. Dabei könnte auch die Übergewinnsteuer eine Rolle spielen.
von Kai Doering · 11. August 2022
Das Finanzministerium will die Bürger*innen über die Einkommenssteuer entlasten.
Das Finanzministerium will die Bürger*innen über die Einkommenssteuer entlasten.

Um die Kosten der Inflation auszugleichen, will Bundesfinanzminister Christian Lindner Steuern senken und so „die breite Mitte der Gesellschaft“ entlasten, wie er sagt. Wie bewerten Sie die Pläne?

Ein weiterer kräftiger Entlastungsimpuls bis in die Mitte der Gesellschaft ist richtig und notwendig, sollte aber vor allem auf Menschen mit kleinen und mittleren Einkommen zielen. Die Entlastungs-Vorschläge von Bundesfinanzminister Lindner sind unter diesem Aspekt der sozialen Gerechtigkeit noch verbesserungsbedürftig. Ein vollständiger Abbau der kalten Progression wäre jedoch nicht wirklich zielgerichtet, da hohe Einkommen davon besonders stark profitieren würden. Ein Festhalten am jetzigen Satz der Reichensteuer könnten diesen Effekt nur in Teilen abfedern. Die vorgeschlagenen Anhebungen beim Grundfreibetrag und Kindergeld gehen zwar in die richtige Richtung, reichen jedoch nicht aus. Klar ist, wie auch Bundeskanzler Scholz bereits deutlich gemacht hat: die Ampel-Koalition wird weitere Entlastungen in Angriff nehmen wird. Über die genaue und gerechte Ausgestaltung besteht aber weiterer Gesprächsbedarf.

Wie könnten Menschen mit kleinen und mittleren Einkommen gezielt entlastet werden?

Wichtig ist mir, dass es nicht mit der Methode Gießkanne gehen darf. Die Entlastungen müssen erneut gezielt den besonders betroffenen Bürgerinnen und Bürgern ebenso wie Betrieben helfen. Um kleine und mittlere Einkommen gezielt zu entlasten, sind Direktzahlungen das beste Mittel der Wahl, so wie wir das zum Beispiel mit dem Familienzuschuss oder der Energiepreispauschale in der Ampel-Koalition bereits gemeinsam auf den Weg gebracht haben. Denn es sind eben diese Haushalte, die von den Preissteigerungen insbesondere bei Energie und Lebensmitteln besonders betroffen sind. Auch die angekündigten Reformen für ein Bürgergeld und ein erweitertes Wohngeld sind richtige erste Schritte.

Ab Oktober müssen Gas-Kund*innen eine Gas-Umlage zahlen, um die gestiegenen Einkaufspreise auszugleichen. Sind für sie finanzielle Unterstützungen geplant?

Ja, auch angesichts der Belastungen durch die Gas-Umlage sind generell weitere Entlastungen erforderlich, die über die bereits beschlossenen Maßnahmen hinausgehen. Vollkommen klar ist für mich auch, dass die Gas-Umlage zu keinen Mehreinnahmen für den Staat führen darf. Die Bundesregierung arbeitet bereits an Lösungen, wie das vermieden werden kann. Im Zweifel müssen diese Mehreinnahmen als Entlastungen an die Bürgerinnen und Bürger zurückgegeben werden.

Während für viele Bürger*innen die Kosten steigen, machen Energieversorger Rekordgewinne. Wie kann hier für einen Ausgleich gesorgt werden?

Wir nehmen viel Geld in die Hand, um die Bürgerinnen und Bürger in dieser schwierigen Zeit zu unterstützen. Zur Finanzierung all dieser Maßnahmen gibt es nicht den einen Weg, sondern unterschiedliche denkbare und kombinierbare Stellschrauben – von der stärkeren Priorisierung der Ausgaben bis hin zur Stärkung der Einnahmenseite durch einen verschärften Kampf gegen Steuerbetrug. Wenn wir jedoch sehen, dass einige Energieversorger zeitgleich durch Milliarden-Gewinne von dieser Krise profitieren, müssen wir auch über neue Instrumente wie zum Beispiel eine Übergewinnbesteuerung reden, die dann ganz gezielt eben diese Unternehmen betreffen würde. Das gehört nach meiner Ansicht zu einem Gebot der Fairness in einer solidarischen Gesellschaft.

Das Interview wurde schriftlich geführt.

Autor*in
Kai Doering
Kai Doering

ist stellvertretender Chefredakteur des vorwärts. Er betreut den Bereich Parteileben und twittert unter @kai_doering.

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