Soziale Politik

Das BAföG wird 50: Neue Kampagne fordert Vollzuschuss für Studierende

Das BAföG wird 50. Doch von der Idee Willy Brandts, dass sich so jede*r ein Studium leisten kann, ist nicht mehr viel übrig, kritisieren viele. Deswegen fordert eine Kampagne jetzt umfassende Reformen. Vorn dabei: Jusos und Juso-Hochschulgruppen.
von Alica Aldehoff · 4. Mai 2021
Studierendende leiden unter der Coronakrise und machen seit letztem Jahr auf ihre Lage aufmerksam.
Studierendende leiden unter der Coronakrise und machen seit letztem Jahr auf ihre Lage aufmerksam.

In diesem September wird das Bundesausbildungsförderungsgesetz, kurz BAföG, ein halbes Jahrhundert alt. Doch zu diesem historischen Ereignis gesellt sich noch eine andere, historisch niedrige Zahl; noch nie zuvor war die Förderquote der Studierenden so niedrig wie jetzt, beklagt Oliver Nerger, Mitglied im Bundesvorstand der Juso-Hochschulgruppen. Er hat wenig Grund zum Jubeln.

Denn weniger als elf Prozent aller Studierenden bezogen 2020 noch BAföG. Zum Vergleich: Im Jahr 1971, als Willy Brandt die Förderung ins Leben rief, waren es noch rund 45 Prozent. Das geht aus dem Internetauftritt der Petition „50 Jahre BAföG – (k)ein Grund zum Feiern“ hervor, welche die Jusos angesichts der Misslage mit anderen Jugendverbänden ins Leben riefen. Sie fordern gemeinsam eine umfassende Reform des BAföG auf mehreren Ebenen.

Mit Petition gegen Missstände

Begonnen als Gesetz, welches den Rechtsanspruch auf staatliche Unterstützung bei der Studienfinanzierung als Vollzuschuss gewährleistet, wurde die im BaföG festgehaltene Förderung durch verschiedene Bundesregierungen immer wieder auf verschiedenste Art abgebaut. Als Beispiele hierfür kritisiert die Petition etwa die faktische Abschaffung der Schüler*innenförderung, die Austausch der Vollförderung durch eine Mischförderung durch Zuschuss und Grunddarlehen im Falle von Studierenden sowie die jahrelang versäumte Anpassung der Förderhöhe an reale Bedarfe genannt.

Zusammengefasst: Heute müssen Studierende einen Teil des BAföG zurückzahlen, außerdem steigen Lebenskosten und Mieten gerade in den Hochschulstädten drastisch an, während das BAföG niedrig bleibt. All das soll korrigiert werden, fordern die Gruppen im Jahr des Bundesetagswahlkampfs, inmitten der Corona-Krise.

Juso-Bundesvorstand fordert Vollzuschuss

Oliver Nerger, der im Bundesvorstand der Juso-Hochschulgruppen sitzt und als Mitinitiator für die Petition wirbt, kennt viele der praktischen Gründe, die zu der geringen Förderungsquote führen. So sei etwa die Aussicht, einen großen Teil dieser Förderung wieder zurückzahlen zu müssen, mit dafür verantwortlich, weshalb sich so wenig Studierende überhaupt für die Förderung des BAföG bewerben. Doch auch bürokratische Hürden auf dem Weg zur Förderung müssten abgebaut werden. „Es kommen immer wieder Studierende zu uns Jusos, die Unterstützung bei den Anträgen brauchen – die sind vor allem für Leute mit Migrationshintergrund oft schwer verständlich und unnötig bürokratisch“, kritisiert Nerger. Da helfe es auch nichts, dass die Formblätter seit letztem Herbst farbig sind. 

Ein weiteres Problem in Zeiten geschlossener Bibliotheken und Copyshops sei, dass der Antrag noch immer nicht digital gestellt werden könne. Während der Pandemie solle die Förderung einfacher, nicht schwieriger zu bekommen sein. Deshalb sieht die Petition darüber hinaus ein elternunabhängiges BAföG vor.

Keine Hilfe von Bundesbildungsministerin Karliczek

Der Ruf nach dieser Maßnahme wurde schon zu Beginn der Pandemie laut, nicht nur seitens der SPD, der Grünen und der Linken, auch einige CDU-Ministerpräsidenten hielten eine elternunabhängige Forderung – zumindest auf Zeit – für eine geeignete Maßnahme. Im September verfassten die Jusos gemeinsam mit der Grünen Jugend, der Jungen Union und den Jungen Liberalen einen Brief an Bundesbildungsministerin Anja Karliczek (CDU), in welchem sie die gemeinsame Forderung bezüglich des BAföG formulierten. Dieses sei für alle Studierenden zu öffnen, die wegen der Coronakrise ihre Beschäftigung verloren hätten. Aus der SPD-Bundestagsfraktion wurden in derselben Zeit Forderungen nach einer „Runderneuerung“ der Beihilfe die Rede, aus Sicht der Studierenden gedacht. „Es sollte sich wieder dem Vollzuschuss annähern", sagte der Bildungspolitische Sprecher der Fraktion, Oliver Kaczmarek, im Oktober im „vorwärts“.

Besonders frustrierend erscheint es deshalb vielen, dass der parteiübergreifende Ruf nach Änderungen des BaföG gerade wegen Karliczek nicht realisiert werden konnte, die sich querstellte. Stattdessen gab es ab Juli, nach Monaten, in denen viele Studierende, deren Einkommen plötzlich weggebrochen war, alleine gelassen wurden, nur einen Nothilfefond. Die Kriterien, aus diesem Unterstützung zu erhalten, sind umfassend: So ist die maximale Summe, die Studierende erhalten können, auf 500 Euro pro Monat begrenzt, wer 500 Euro oder mehr auf dem Konto hat, hat keinerlei Anspruch auf den Nothilfefond. Zudem kann die Unterstützung nur maximal drei Mal beantragt werden. Dabei wurden im Haushaltsjahr 2019 rund 900 Millionen Euro weniger an BAföG-Empfänger ausgezahlt als vom Ministerium veranschlagt. Dies ging aus einer Aufstellung hervor, die Bundesbildungsministerin Anja Karliczek damals an die Haushaltspolitiker*innen der Bundestagsfraktionen verschickt hatte. 

Hier geht‘s zur Petition.

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Alica Aldehoff

ist freie Mitarbeiterin des „vorwärts“.

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