Bürgergeld: Warum es in dieser Woche eine Einigung geben muss
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Der Zeitplan ist eng. In dieser Woche entscheidet sich, ob das Bürgergeld der Ampel-Koalition wie geplant zum 1. Januar kommenden Jahres in Kraft tritt oder nicht. Nachdem zunächst der Bundestag das Gesetz beschlossen und es der Bundesrat in der kommenden Woche abgelehnt hatte, arbeitet der Vermittlungsausschuss zurzeit mit Hochdruck an einem Kompromiss. Am Mittwoch soll die entscheidende Sitzung stattfinden, damit der Bundesrat am Freitag noch über die Vorlage entscheiden kann.
SPD setzt darauf, „dass die praktische Vernunft siegt“
Gelingt dies im November nicht mehr, kann die Reform nicht zum 1. Januar in Kraft treten, zumal der Bundestag auch erneut abstimmen muss. Auch wenn die Sitzungen des Vermittlungsausschusses streng vertraulich sind und kaum etwas nach außen dringt, zeigt sich die SPD optimistisch, dass ein Kompromiss mit den unionsgeführten Bundesländern gelingt. „Wir glauben daran, dass es in dieser Woche eine Einigung gibt“, sagte Generalsekretär Kevin Kühnert am Montag in Berlin. Die SPD setze darauf, „dass die praktische Vernunft siegt“.
Kühnert machte jedoch auch klar, dass die SPD auf einige Einigung für das gesamte Gesetz setzt. Das Angebot von CDU und CSU, zunächst nur die Regelsätze im Hartz-IV-System zum 1. Januar zu erhöhen und den Rest des Bürgergelds später zu verhandeln, wies er zurück. „Die Bürgergeldreform ist mehr als eine bloße Regelsatzerhöhung“, sagte Kühnert. Es gehe um eine echte „Strukturreform“ des Sozialsystems.
Ähnlich äußerte sich auch die Fraktionsvorsitzende der Grünen im Bundestag, Katja Dröge. „Ein Aufteilen beider Elemente würde aus unserer Sicht dazu führen, dass die Union den zweiten Teil einfach komplett blockiert“, sagte sie in der Sendung „Frühstart“ von RTL und ntv. „Die Union darf sich an dieser Stelle nicht in einer Blockadehaltung verfangen“, appellierte Dröge.
Heil: „Meine Hand ist zur Lösung ausgestreckt“
Das Bürgergeld soll das bestehende Hartz-IV-System ersetzen. Neben höheren Regelsätzen sind bessere Möglichkeiten der Weiterbildung vorgesehen, auch, um etwas gegen den Fachkräftemangel zu tun. Zudem soll künftig vermieden werden, dass Arbeitssuchende von Aushilfsjob zu Aushilfsjob wechseln. Eine „Teilhabevereinbarung“ zwischen Arbeitssuchenden und Jobcenter soll deshalb die bestehende „Eingliederungsvereinbarung“ ersetzen, die individuelle Wünsche und Fähigkeiten kaum berücksichtigt.
CDU und CSU kritisieren beim Bürgergeld vor allem die Länge der sogenannten Karenzzeit, während der Arbeitssuchende nur im Ausnahmefall mit Sanktionen belegt werden können und ihre Wohnung auch dann nicht aufgeben müssen, wenn deren Größe als unangemessen erachtet wird. Auch die Höhe des Schonvermögens, das Bürgergeld-Empfänger*innen nicht antasten müssen, ist aus Sicht der Union zu hoch. Das „Grundprinzip ‚Fördern und Fordern’“ dürfe nicht aufgegeben werden, schrieb CDU-Chef Friedrich Merz am Sonntag auf Twitter.
Nach der Sitzung des Bundesrats in der vergangenen Woche hatte sich Bundesarbeitsminister Hubertus Heil gesprächsbereit gezeigt. Kompromiss sei in der Demokratie kein Schimpfwort. Wichtig sei aber, den Prozess im Vermittlungsausschuss nicht zu sehr in die Länge zu ziehen, nicht zuletzt, damit die Regelsätze zum 1. Januar deutlich steigen könnten. „Meine Hand ist zur Lösung ausgestreckt“, so Heil.
Dirk Bleicker | vorwärts
ist stellvertretender Chefredakteur des vorwärts. Er betreut den Bereich Parteileben und twittert unter @kai_doering.