Soziale Politik

BAföG konkret: Vollzuschuss ohne Schulden, wenn es nach der SPD geht

Wenn es nach SPD-Kanzlerkandidat Olaf Scholz geht, soll das BAföG wieder ein „Vollzuschuss“ werden. Bedeutet: Studierende sollen ohne Schulden die Hochschule verlassen. Wie das finanziert werden kann, erklärt der Bundesfinanzminister in Potsdam.
von Benedikt Dittrich · 9. September 2021
Günstiger Wohnraum: Neben einer BAföG-Reform ein zentrales Anliegen der Studierenden.
Günstiger Wohnraum: Neben einer BAföG-Reform ein zentrales Anliegen der Studierenden.

„Soziale Gerechtigkeit ist wichtiger als jemals zuvor“, sagt Juso-Mitglied Johanna Lagemann – und setzt damit schon vor der eigentlichen Debatte im Hörsaal einen wichtigen Punkt. Lagemann ist Juso in Potsdam und Mitglied des Präsidiums des Studierendenparlaments an der Uni Potsdam. Sie leitet am Mittwochabend die Diskussion mit Politiker*innen der Parteien zur Bundestagswahl ein. Als Wahlkreis-Kandidat*innen sitzen neben SPD-Kanzlerkandidat Olaf Scholz außerdem Linda Teuteberg (FDP), Norbert Müller (Linke) sowie Saskia Ludwig (CDU) und Michael Kellner (Grüne) auf dem Podium – letzterer vertrat Annalena Baerbock.

Das Format „Politik und Popcorn“ nutzen die Wahlkämpfer*innen denn auch, um ihr Profil mit Blick auf die Hochschulpolitik zu schärfen. Ganz konkret geht es dabei um das BAföG, mit dem Studierende finanziell unterstützt werden. Für die SPD soll die staatliche Unterstützung künftig ein Vollzuschuss werden, so steht es auch im Wahlprogramm.

Studium ohne Kredit und Schuldenberg

Was das bedeutet erklärt Scholz vor den rund 100 anwesenden Studierenden sowie gegenüber rund 200 Zuschauer*innen im Livestream – nämlich, dass nach Abschluss des Studiums von dem Geld nichts mehr zurückgezahlt werden muss. Derzeit ist es so, dass die Hälfte des Geldes nach Ablauf einer Übergangszeit zurückgezahlt werden muss – was einem Kredit gleichkommt. Ein Teil der Studierenden startet also mit Schulden in den ersten Job nach der Uni.

„Das finde ich absurd“, sagt Scholz dazu. Er sieht eine grundsätzliche Ungerechtigkeit darin, denn: Wer kein BAföG brauche, gehe nicht mit Schulden ins Berufsleben – und das hält der Sozialdemokrat für unfair. „Egal wie nett ich die Regelung hinterher gestalte, bleibt das ein Unterschied, den ich nicht gerecht finde.“ Deswegen spricht er sich klar für eine Förderung ohne Rückzahlung aus. „Ich möchte, dass das BAföG wieder eine Vollförderung wird“, sagt er. Auf die Nachfrage, ob das denn finanzierbar wäre, sagt er kurz und knapp: „Ja, das ist so“ – und erntet dafür Applaus.

Bundeshaushalt: Das Geld ist da

Dass dem Bundesfinanzminister diese Antwort so leichtfällt, liegt womöglich auch daran, dass der Fördertopf aktuell sehr gut gefüllt ist. „Selbst die zur Verfügung gestellten Mittel fließen gar nicht ab“, gibt Scholz zu bedenken. Das ist für ihn ein Anzeichen dafür, dass die Zugangshürden zu der Studienförderung immer noch zu hoch sind. Auch Norbert Müller (Linke) hatte zuvor angemerkt, dass derzeit nur 11 Prozent der Studierenden überhaupt BAföG bekommen, lediglich 8 Prozent den Höchstsatz erhalten: „Alle reden über BAföG, aber keiner kennt jemanden, der noch etwas bekommt.“ Michael Kellner von den Grünen schlägt in dieselbe Kerbe wie Scholz: „Wir haben tatsächlich das Phänomen, dass 360 Millionen Euro aus dem Haushalt 2020 für BAföG nicht abgeflossen sind.“

Zu einer Erleichterung gehört auch der Vorschlag, dass BAföG unabhängiger vom Einkommen der Eltern zu machen – auch darauf kann man sich auf dem Podium einigen, mit Ausnahme der CDU. Saskia Ludwig warnt davor, dass das BAföG noch finanzierbar sein müsse, spricht sich im selben Atemzug auch gegen eine Vollförderung aus. Im Nachsatz sorgt sie dann auch noch für Empörung, weil sie ergänzt, dass die Gastronomie schließlich von den studentischen Aushilfskräften abhängig wäre, die sich beispielsweise neben dem Studium als Kellner*innen verdingen. Sich „ein bisschen was dazuverdienen“, das sei zu ihrer Zeit „völlig normal gewesen“.

Sozialer Wohnungsbau auch für Studierende

Konsens über alle Parteien hinweg herrscht dann aber doch bei der Frage nach dem Wohnungsbau: Es braucht auch mehr günstigen Wohnraum für Studierende, mehr Plätze in studentischen Wohnheimen. Scholz verweist in dem Zusammenhang auf die Zielvorgabe der SPD pro Jahr 400.000 neue Wohnungen zu bauen. Ein Viertel davon sollen Sozialwohnungen, also günstige Wohnungen sein – da gehört für Scholz auch Wohnraum für Studierende mit rein.

Um das zu erreichen, so Scholz, sei es wichtig „dass man sich darum kümmert“. In Hamburg habe er das getan, verweist er auf die erfolgreiche Wohnungspolitik in der Hansestadt. Als früherer Erster Bürgermeister hatte er den extremen Mietpreisanstieg gebremst, indem Genehmigungsverfahren beschleunigt wurden und jede Menge neuer Wohnungen entstanden. Auch mit Blick auf den Bund sagt er: „Das ist kein Hexenwerk, das geht.“ Vorstellbar ist für ihn außerdem, studentisches Wohnen zusätzlich zu fördern.

Autor*in
Benedikt Dittrich

war von 2019 bis Oktober 2022 Redakteur des „vorwärts“.

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