Soziale Politik

Auf Drängen der SPD: Was beim Impfgipfel heute geklärt werden soll

Nach dem schleppenden Impfbeginn in Deutschland und Europa gibt es am Montag auf Drängen der SPD einen Impfgipfel. Worum es den Sozialdemokrat*innen dabei geht
von Benedikt Dittrich · 1. Februar 2021
Mangelware Corona-Impfstoff: Die Impfquote in Deutschland und der EU steigt nur langsam. Ein Impfgipfel zwischen Politik und Industrie soll nun Probleme ausräumen.
Mangelware Corona-Impfstoff: Die Impfquote in Deutschland und der EU steigt nur langsam. Ein Impfgipfel zwischen Politik und Industrie soll nun Probleme ausräumen.

Die Impfungen gegen das Coronavirus beginnen in Deutschland holprig. Es fehlt an Impfstoff und verlässlichen Planungsperspektiven, im Zentrum der Kritik stehen unter anderem der Gesundheitsminister Jens Spahn (CDU) und die Vertragsabschlüsse auf EU-Ebene mit den Pharma-Unternehmen. Auf Drängen der SPD soll am Montag ein Impfgipfel von Bund, Ländern und der Industrie Probleme bei der Impfkampagne in Deutschland aus dem Weg  räumen und Möglichkeiten für bessere Kooperationen und schnellere Lieferungen ausgelotet werden. Wir erklären, was die Sozialdemokrat*innen kritisieren, welche Probleme es bei der aktuellen Impfstrategie gibt und was aus Sicht der SPD nun passieren muss.

Aktualisierter Artikel: Montag, 1. Februar, 12 Uhr:

Mit welchen neuen Forderungen beginnt am Montag der Impfgipfel?

Der Vorsitzende der Ministerpräsident*innen-Konferenz, Berlins Regierender Bürgermeister Michael Müller, hatte am Wochenende noch einmal den Druck auf Bundeskanzlerin Angela Merkel erhöht. In einem schriftlichen Brief formulierte er konkrete Erwartungen an das Gespräch, auch andere SPD-Ministerpräsident*innen erneuerten ihre Kritik. Müller forderte in dem an Merkel adressierten Brief einen „nationalen Impfplan“ mit klarer Perspektive für die kommenden Monate – er erinnerte dabei auch an Merkels und Spahns Zusagen, dass bis Ende des Sommers jede*r Bürger*in einen Vorschlag für einen Impftermin erhalten solle. Zuerst hatte unter anderem der Spiegel aus dem zweiseitigen Brief zitiert. Auch Hamburgs Rathauschef Peter Tschentscher empörte sich am Wochenende öffentlich auf Twitter über die Unzuverlässigkeit bei den Lieferungen.

Dabei grenzte die SPD sich allerdings auch von populistischen Ideen ab: Eine staatlich gelenkte „Impfstoffwirtschaft“, wie von den Grünen gefordert, hält SPD-Generalsekretär Lars Klingbeil für substanzlos – vor allem aufgrund rechtlicher Bedenken. „Diese Drohgebärden funktionieren erstmal soweit nicht“, so Klingbeil am Montag im Deutschlandfunk. Stattdessen sprach er sich für mögliche finanzielle Unterstützungen der Unternehmen und zusätzliche Kooperationen aus – und pochte auf verlässliche Zusagen, gerade von verantwortlichen CDU-Ministern Spahn und Altmaier. „Ich erwarte eine verbindliche Aussage des Gesundheitsministers, wann kommt welcher Impfstoff, wie können die Länder sich vorbereiten? Ich erwarte, dass Peter Altmaier klar macht: Was hat er versucht, um Produktionskapazitäten zu erhöhen und was kann man noch tun?“

Wie positionieren sich die Unternehmen, die bei der Produktion in der Kritik stehen?

Im Verlauf des Wochenendes bemühten sich vor allem Biontech/Pfizer und AstraZeneca um positive Nachrichten in Richtung der Europäischen Union: Während es bei Moderna weiterhin Lieferengpässe für die kommenden Wochen geben soll, kündigten die anderen beiden Impfstoff-Produzent*innen an, ihre Lieferungen wieder aufzustocken. Für das zweite Quartal will Biontech demnach sogar mehr liefern als ursprünglich geplant – die Rede ist von bis zu 75 Millionen Dosen für die EU, auf die gemäß dem Verteilungsschlüssel rund 14 Millionen auf Deutschland entfallen würden. Bei AstraZeneca war die Rede von neun Millionen zusätzlichen Dosen für Europa. Es ist aber bisher nur ein Versprechen. Ob tatsächlich in diesem Umfang geliefert wird, ist also noch Zukunftsmusik.

Ursprünglicher Artikel vom Freitag 29. Januar, 15 Uhr:

Was soll der Impfgipfel bringen?

„Ziel dieser Runde muss es sein, eine gemeinsame nationale Anstrengung auf den Weg zu bringen, die Produktion und Verteilung von Impfstoff in Deutschland zu beschleunigen“, erklärte Vizekanzler Olaf Scholz am Freitag. Da die Impfung der Ausweg aus der Corona-Pandemie sei, müsse sie oberste Priorität haben.

Auch Bärbel Bas, Fraktionsvize der SPD im Bundestag, bekräftigte die Notwendigkeit eines Impfgipfels nach den jüngsten Hiobsbotschaften zu den Lieferschwierigkeiten des AstraZeneca-Impfstoffs: „Es müssen jetzt alle an einen Tisch und Wege finden, die Produktion für Impfstoffe auszuweiten“, fordert sie. Die Zulassung des Mittels wird von der europäischen Arzneimittelbehörde erwartet, der Hersteller hatte aber bereits zuvor vor Lieferschwierigkeiten gewarnt, es soll Probleme in der Lieferkette für die EU geben.

Welche Probleme stehen noch im Fokus?

Zum einen sorgen die genannten Lieferschwierigkeiten bei AstraZeneca für Unmut – auch auf EU-Ebene. Zum anderen hatte am Donnerstag die Ständige Impfkommission (StiKo) aufgrund der spärlichen Datenlage für den Impfstoff nur eine eingeschränkte Empfehlung ausgesprochen. Der Hersteller hat sein Mittel bisher nur an wenigen Senior*innen getestet, sodass kaum Informationen darüber vorliegen, wie wirksam der Impfstoff in der Altersgruppe der über 65-Jährigen ist. Gesundheitsminister Jens Spahn hatte betont, dass die Daten an sich zwar gut, aber eben nicht ausreichend seien. Auch der CDU-Minister ging am Donnerstag noch davon aus, dass auch die Europäische Arzneimittel-Agentur (EMA) das Mittel nur für Menschen unter 65 Jahren empfiehlt. Das, so Bas am Freitag, würde aber bedeuten, dass die Impfstrategie angepasst werden müsse – denn die sieht bisher vor, vor allem Ältere und Personal im Pflege- und Klinikbereich zu impfen.

Inzwischen ist der Impfstoff von AstraZeneca von der EMA zugelassen, auch für alle ab 18 Jahren, die Empfehlung der StiKo hat allerdings noch bestand.

Was soll bei diesen Problemen ein Impfgipfel bewirken?

Die SPD-Parteivorsitzende Saskia Esken pocht auf eine neue Koordination beim Impfgipfel. „Wir müssen zum einen umgehend alternative Impfstoffe für über 65-Jährige beschaffen und zum anderen die Impf-Reihenfolge für den in Kürze eintreffenden AstraZeneca-Impfstoff neu koordinieren“, sagte die Sozialdemokratin den Zeitungen der Funke Mediengruppe am Freitag, während sich zuvor auch SPD-Generalsekretär Lars Klingbeil und die Ministerpräsidentin von Rheinland-Pfalz, Malu Dreyer (SPD), für einen besseren Impf-Plan ausgesprochen hatten.

An den zur Verfügung stehenden Impfstoffen hängt die gesamte Infrastruktur aus Impfzentren und mobilen Teams in den Ländern, die in den vergangenen Wochen aufgebaut wurde. Die SPD-Ministerpräsidenten Dietmar Woidke in Brandenburg sowie Michael Müller in Berlin hatten unter anderem ihren Unmut darüber geäußert. Man brauche Verlässlichkeit, um die kommenden Wochen und Monate zu planen, so Müller gegenüber dem rbb: „In Berlin stehen seit über einem Monat Impfzentren bereit, die nicht genutzt werden können, weil wir nicht genug Impfmittel haben. Wir könnten viel mehr impfen, wenn wir mehr Dosen hätten.“ Woidke indes hatte den Gipfel vorgeschlagen, um der Angst und Verunsicherung in der Bevölkerung entgegenzuwirken.

Auf dem Impfgipfel soll nun diskutiert werden, an welchen Standorten noch zusätzlicher Impfstoff produziert werden könnte, welche Hürden es dabei noch gibt – und wie die Politik diese aus dem Weg räumen kann.

Wie steht die Pharma-Industrie zu dem Impfgipfel?

Der Bundesverband der pharmazeutischen Industrie hatte Anfang des Monats noch die positive Entwicklung der Impfstoffentwicklung und -lieferung hervorgehoben. Dennoch: Am Impfgipfel will der BPI teilnehmen – man stehe zu seiner Verantwortung, hieß es in einer ersten Reaktion, man stehe als Industrie selbstverständlich zur weiteren Unterstützung zur Verfügung.
Der Vorsitzende Hans-Georg Feldmeier hatte im Gespräch mit dem rbb am Mittwoch aber auch betont, dass Kooperationen in der Branche ohnehin schon gängig und üblich seien. „Alle versuchen hier möglichst viel möglichst schnell zu erreichen“, versicherte Feldmeier. Einen „Kooperations-Zwang“ brauche es nicht, der Staat sei auch nicht der bessere Unternehmer.

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