Soziale Politik

Abtreibungen: Was die Abschaffung von Paragraf 219a bedeutet

Der Bundestag hat Paragraf 219a des Strafgesetzbuchs gestrichen. Welche Folgen hat das? Und was könnte folgen? Wir beantworten die wichtigsten Fragen.
von Kai Doering · 23. Juni 2022
Große Freude in der SPD-Bundestagsfraktion: Paragraf 219a ist Geschichte.
Große Freude in der SPD-Bundestagsfraktion: Paragraf 219a ist Geschichte.

Was ist der Paragraf 219a?

Paragraf 219a des Strafgesetzbuchs verbot bisher, die „Werbung für den Abbruch der Schwangerschaft“. Ärzt*innen oder Beratungsstellen durften damit nicht über die verschiedenen Möglichkeiten einer Abtreibung informieren, auch nicht über die damit verbundenen Risiken. Taten sie es doch, drohten ihnen Geld- oder sogar Haftstrafen.

Was bedeutet „Werbeverbot“?

Korrekter wäre der Begriff „Informationsverbot“ (s.o.). Konkret war es Ärzt*innen und Beratungsstellen bisher nicht möglich, etwa auf ihrer Internetseite darauf hinzuweisen, dass ein Schwangerschaftsabbruch in ihrer Praxis möglich ist. Bundesweite Berühmtheit erlangte die Gießener Ärztin Kristina Hänel, die mehrfach zu einer Geldstrafe verurteilt wurde, weil sie auf der Internetseite ihrer Praxis erklärt hatte, Schwangerschaftsabbrüche vorzunehmen.

Warum wurde der Paragraf 219a jetzt abgeschafft?

Die Forderung, den Paragrafen abzuschaffen, gibt es schon länger. Er passe nicht mehr in die Zeit, argumentierten Befürworter*innen der Streichung. Schwangerschaftsabbrüche gehörten für viele Frauen zum Leben dazu. Man dürfe ihnen die Entscheidung, eine ungewollte Schwangerschaft zu beenden, nicht schwerer machen als sie ohnehin schon ist. „Wir stärken das Selbstbestimmungsrecht von Frauen. Wir stellen Versorgungssicherheit her“, formulierten SPD, Grüne und FDP daher in ihrem Koalitionsvertrag als Ziel. Die Möglichkeit zu kostenfreien Schwangerschaftsabbrüchen gehöre zu einer verlässlichen Gesundheitsversorgung. Neben der Streichung des Paragrafen 219a will die Ampel deshalb auch, dass Schwangerschaftsabbrüche Teil der ärztlichen Aus- und Weiterbildung werden. Ärzt*innen, die aufgrund des Paragrafen 219a verurteilt wurden, werden rehabilitiert.

Warum hat sich die SPD für eine Abschaffung stark gemacht?

Die SPD setzt sich schon lange für die Abschaffung des Paragrafen 219a ein, konnte sich allerdings in den vorangegangenen Bundesregierungen nie gegen die CDU durchsetzen. Diese ist nach wie vor gegen eine Streichung. Aus Sicht von Carmen Wegge, Berichterstatterin der SPD-Bundestagsfraktion im Rechtsausschuss, ist die Streichung des Paragrafen deshalb ein „gesellschaftlicher Durchbruch“, wie sie kürzlich im Podcast der SPD-Fraktion sagte. Der Paragraf sei Zeichen der Unterdrückung von Frauen in unserer Gesellschaft und habe massive Auswirkungen auf die Versorgungslage in Bezug auf Schwangerschaftsabbrüche in Deutschland. „Ärztinnen und Ärzte müssen über Schwangerschaftsabbrüche informieren können, ohne eine Strafverfolgung befürchten zu müssen“, ist auch Bundeskanzler Olaf Scholz überzeugt. In der ersten Lesung des neuen Gesetzes sagte Carmen Wegge deshalb: „Wir Frauen werden endlich Zugang haben über Informationen, die wir benötigen. Endlich dürfen uns das auch Ärztinnen und Ärzte sagen und nicht irgendwelche Youtube-Stars, für die diese Regelung nicht gilt.“

Werden Schwangerschaftsabbrüche mit der Streichung legal?

Nein. Abtreibungen sind in Deutschland nach wie vor verboten. „Wer eine Schwangerschaft abbricht, wird mit Freiheitsstrafe bis zu drei Jahren oder mit Geldstrafe bestraft“, heißt es in Paragraf 218 des Strafgesetzbuchs. Ein Schwangerschaftsabbruch bis zur zwölften Woche bleibt jedoch in der Regel straffrei, wenn zuvor eine offizielle Beratung stattgefunden hat, die sogenannte Beratungsregelung.

Welche weitergehenden Forderungen gibt es?

Die Hauptforderungen bezieht sich auf die Abschaffung auch des Paragrafen 218. Dafür macht sich die SPD bereits seit mehr als 50 Jahren stark. Im aktuellen Koalitionsvertrag findet sich die Forderung allerdings nicht, jedoch das Ziel, eine „Kommission zur reproduktiven Selbstbestimmung und Fortpflanzungsmedizin“ einzusetzen, die „Regulierungen für den Schwangerschaftsabbruch außerhalb des Strafgesetzbuches“ ausloten soll. Zudem soll den Krankenkassen ermöglicht werden, „Verhütungsmittel als Satzungsleistung zu erstatten“. Auch soll die Forschung für Verhütungsmittel besser ausgestattet werden.

Autor*in
Kai Doering
Kai Doering

ist stellvertretender Chefredakteur des vorwärts. Er betreut den Bereich Parteileben und twittert unter @kai_doering.

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